Hotel Metamorphosis

Pfingsten heißt es in Salzburg: „Hauptsache Hits“

Salzburg
05.06.2025 13:00

Mit „Hotel Metamorphosis“ bringen Cecilia Bartoli und Barrie Kosky ein barockes Erfolgsprinzip zurück auf die Bühne – eines, das bis heute sogar Samstagabendshows trägt.

Wenn an diesem Wochenende in Mörbisch die „Starnacht“ glitzert und in Salzburg die Pfingstfestspiele beginnen, könnten die Gegensätze kaum größer wirken. Dort Schlagerroutine am See, hier Hochkultur an der Salzach. Doch auf den zweiten Blick zeigt sich: Ganz so weit liegen diese Welten nicht auseinander.

Beide setzen auf ein Prinzip, das seinen Ursprung im Barock hat: bekannte Namen, bewährte Nummern, neue Verpackung. Was heute als Musikshow funktioniert, hieß im 18. Jahrhundert Pasticcio und war nichts anderes als ein musikalischer Remix. Eine Opernform, die auf Wiederverwertung statt Originalkomposition setzte. Und genau diese Praxis greifen Cecilia Bartoli und Barrie Kosky mit ihrem Musiktheaterprojekt „Hotel Metamorphosis“ auf – die diesjährige Neuproduktion der Pfingstfestspiele. Schon der Titel verweist auf das zentrale Thema: Verwandlung. Fünf Episoden aus Ovids „Metamorphosen“ verschmelzen mit über 40 Stücken von Antonio Vivaldi. Kosky inszeniert sie nicht als historische Rekonstruktion, sondern als poetisch-dramatische Erinnerungsräume. Erzählerin ist die Figur des Orpheus, verkörpert von Angela Winkler.

Nadezhda Karyazina
Nadezhda Karyazina(Bild: SF/Monika Rittershaus)

Dass Vivaldi selbst ein geübter Pasticcio-Kompositeur war, verleiht dem Projekt historische Tiefe. In „Il Bajazet“ etwa kombinierte er eigene Arien mit Werken anderer Komponisten, passte das Libretto an und formte daraus ein dramaturgisch neues Ganzes. Maßgeschneidert für Sänger, Publikum und Situation. Diese Praxis war im 18. Jahrhundert keineswegs verpönt. Im Gegenteil: Das Pasticcio war Kernbestandteil des Opernbetriebs – besonders in Venedig, wo ab den 1640er-Jahren der öffentliche und profitorientierte Spielbetrieb boomte. Sängerinnen und Sänger reisten mit ihren Lieblingsarien im Gepäck, die unabhängig von Handlung und Herkunft in neue Werke eingefügt wurden. Auch Händel, Haydn und Mozart beteiligten sich an der Pasticcio-Kultur.

Olaf A. Schmitt (mitverantwortlich für Konzept & Dramaturgie), Regisseur Barrie Kosky, Cecilia Bartoli (künstlerische Leitung) gemeinsam mit Dirigent Gianluca Capuano; (von li. nach re.)
Olaf A. Schmitt (mitverantwortlich für Konzept & Dramaturgie), Regisseur Barrie Kosky, Cecilia Bartoli (künstlerische Leitung) gemeinsam mit Dirigent Gianluca Capuano; (von li. nach re.)(Bild: Neumayr Fotografie - Christian L)

Erst im 19. Jahrhundert, mit dem Aufstieg des romantischen Werkbegriffs und der Verklärung des Komponisten zum Genie, sank das Ansehen. Was lange als kreative Praxis galt, erschien plötzlich als künstlerisches Flickwerk.Große Namen, große Nummern, große Wirkung“Hotel Metamorphosis“ kehrt zu dieser Offenheit zurück – nicht aus Mangel an Material, sondern aus Überzeugung. Nicht der Druck einer venezianischen Opernsaison ist der Antrieb, sondern die Idee selbst.

Bartoli und Kosky greifen auf Vivaldis Musik zurück, weil sie deren emotionale Direktheit und theatrale Farbigkeit als ideale Ausdrucksform für Ovids Geschichten begreifen.

Der Vergleich mit der Schlagershow mag zunächst provokant wirken – doch banal ist er nicht. Auch dort geht es um Wiedererkennung, um Stimmen, die das Publikum liebt, um Musik, die funktioniert. Was am Neusiedler See zum Mitschunkeln taugt, wird an der Salzach zur kunstvoll aufgeladenen Reflexion über Identität, Erinnerung und Verlust. Das Prinzip aber bleibt dasselbe: große Namen, große Nummern, große Wirkung.

Larissa Schütz

Porträt von Salzburg-Krone
Salzburg-Krone
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