"Vatileaks"-Affäre

1,5 Jahre Haft für früheren Diener von Benedikt XVI.

Ausland
06.10.2012 12:32
Im "Vatileaks"-Prozess um Dokumentendiebstahl und Geheimnisverrat ist der frühere Kammerdiener von Benedikt XVI. am Samstag im Vatikan wegen Diebstahls zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Paolo Gabriele (re.) sagte in seinem Schlusswort, er habe aus tiefer Liebe zur Kirche und zum Papst gehandelt. "Ich fühle mich nicht als Dieb", zitierten vom Vatikan zugelassene Prozessbeobachter den Ex-Diener des Papstes nach der Verhandlung.

Der vatikanische Staatsanwalt Nicola Picardo hatte eine dreijährige Haftstrafe für den Butler gefordert. Außerdem verlangte er, dass Gabriele aus allem öffentlichen Ämtern im Vatikan verbannt werde. Gabrieles Verteidigerin Cristina Arru hatte hingegen einen Freispruch für ihren Mandanten gefordert. Der 46-Jährige habe nichts gestohlen, sondern sich die Papiere vom päpstlichen Schreibtisch nur zu Unrecht angeeignet.

Letztlich wurde Gabriele dann wegen strafmildernder Umstände zu 18 Monaten Haft verurteilt. Als strafmildernd betrachtete Gerichtspräsident Giuseppe Dalla Torre die Tatsache, dass der frühere Kammerdiener nicht vorbestraft war, dass er mehrere Jahre im Vatikan gedient und dass er Reue für seine Tat gezeigt hatte. Der 46-jährige Butler beobachtete regungslos die Urteilsverkündung. Als er den Gerichtssaal verließ, grüßte er die Anwesenden, darunter seinen Vater, und lächelte.

Verteidigerin Arru begrüßte das Urteil: "Es handelt sich um ein ausgewogenes Urteil." Der Ex-Kammerdiener wird vorerst weiterhin unter Hausarrest bleiben. Das vatikanische Gericht muss noch über die Haftbedingungen entscheiden. Die Haftstrafe müsste Gabriele dann in einem italienischen Gefängnis absitzen, da es im Vatikan keine Strafanstalten gibt.

"Möglichkeit einer Begnadigung durch den Papst ist konkret"
Offen ist, ob der Papst den 46-Jährigen begnadigen wird. Nach Angaben des vatikanischen Pressesprechers, Pater Federico Lombardi, ist dies durchaus möglich: "Die Möglichkeit einer Begnadigung ist konkret."

Das Urteil sei "mild - und Ausdruck von Menschlichkeit gegenüber dem Angeklagten", so der Sprecher. Auch Prozessbeobachter gehen davon aus, dass Benedikt XVI. Gabriele begnadigt - und dieser sich dann in ein "ruhigeres Leben" zurückziehen wird.

Vertrauliche Dokumente kopiert und Journalisten zugespielt
Gabriele wurde vorgeworfen, vertrauliche Dokumente kopiert und dem italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi zugespielt zu haben. Dieser schrieb ein Buch, in dem er von schweren Machtkämpfen an der Kirchenspitze, sogar von einem Mordkomplott gegen den Papst, sowie von düsteren Geldwäsche-Geschäften der Vatikanbank IOR berichtete.

Gabriele war im Mai festgenommen worden, saß mehrere Wochen lang im Gefängnis und stand seither unter Hausarrest. Vor einer Woche begann der Prozess gegen ihn. Am vergangenen Dienstag gestand der 46-Jährige vor Gericht, vertrauliche Dokumente aus dem Vatikan entwendet zu haben. Zugleich bekräftigte er vor dem dreiköpfigen vatikanischen Gericht, dass er als Einzeltäter gehandelt habe.

Er berichtete, dass er bereits 2010 begonnen habe, vertrauliche Dokumente des Oberhauptes der römisch-katholischen Kirche an die Öffentlichkeit zu bringen. Er versicherte, dass er kein Geld dafür erhalten habe, allerdings seien in den letzten Jahren auch Dokumente über andere Personen des Vatikans an die Öffentlichkeit gekommen.

Prozess gegen möglichen Komplizen steht noch bevor
Auch wenn Gabriele laut Staatsanwaltschaft als Einzeltäter gehandelt hat - ganz abgeschlossen ist die "Vatileaks"-Affäre mit der Verurteilung des ehemaligen Papst-Dieners noch nicht. Ermittlungen rund um mögliche Komplizen Gabrieles seien noch im Gange, erklärte Lombardi am Samstag.

Nach der Bischofssynode, die am 28. Oktober zu Ende geht, wird der Vatikan den Prozess gegen den Informatikexperten Claudio Sciarpelletti aufnehmen, dem in der Affäre Beihilfe vorgeworfen wird. Vor einer Woche hatte das vatikanische Gericht beschlossen, Gabrieles Verfahren von jenem Sciarpellettis getrennt zu führen.

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