„Rainer Nowak Talk“

Putins Reich: „Viele Russen leben in einer Blase“

Im „Rainer Nowak Talk“ auf krone.tv diskutierten Mittwochabend die Journalistin Angelika Eliseeva, Russland-Experte und Uniprofessor Wolfgang Mueller sowie Major Albin Rentenberger, Offizier des Bundesheeres.

Das Terrorattentat von Moskau erschütterte Russland und sorgte auch für Spekulationen. Islamisten des IS reklamierten den Anschlag für sich, der Kreml vermutete die Ukraine dahinter. Was dort vehement dementiert wurde. Der Auslöser für den außenpolitischen Talk bei Rainer Nowak. Die „waschechte“ Steirerin Angelika Eliseeva, die aktuell für die „Krone“ tätig ist, hat auch als Journalistin in Russland gearbeitet. Die studierte Slawistin kennt auch den Ort des Anschlags. Das Einkaufszentrum in Moskau war ihr Stammeinkaufszentrum. „Ich habe mich damals schon öfters vor Anschlägen dort gefürchtet. Ich habe auch Bilder von Bekannten bekommen. Kreisende Hubschrauber. Eine Freundin wollte ursprünglich zu dem Konzert gehen, wo das passiert ist.“

Wolfgang Mueller, Professor für russische Geschichte an der Uni Wien betonte, dass westliche Medien schon seit 2023 berichteten, dass der IS Russland ins Visier nehmen könnte. Putin aber habe sich bei Warnungen immer abwertend geäußert.

Staatspropaganda zur „Entmenschlichung“
Kann der Anschlag Einfluss auf den Krieg haben, fragte Gastgeber Nowak Major Albin Rentenberger, der für die militärischen Einschätzungen zuständig war. „Man muss es beobachten, denn zunächst wurde die Schuld auf die Ukraine geschoben. Es wird definitiv eine Fortsetzung des Konflikts geben.“

Putin habe schon oft Positionen vertreten, denen dann ein Schwenk folgte. Mueller: „Er hat gesagt, es gibt keine Invasion in der Ukraine, die hat es dann gegeben. Da gibt es mehrere Beispiele. Es dürfte ein Zugeständnis an die dominierende politische Zielsetzung sein, den Krieg der Ukraine zu legitimieren. Dazu wird alles benutzt. Es gibt ja nach wie vor Stimmen aus Putins Umfeld, die die Ukraine belasten. Politik Russlands ist es, jegliche Schuld an die Ukraine abzuwälzen.“

Ob Eliseeva mit der Invasion gerechnet habe? „Ich war 2017 bis 2022, also bis zum Großangriff in Moskau, aber wenn man die Propaganda im Staatsfernsehen angeschaut hat, dann wurde gegen die Ukrainer gehetzt. Es wurde versucht, das Volk zu entmenschlichen. Aber in der Form hätte ich es niemals erwartet.“ Mittlerweile würden viele Russen in einer Blase leben und als richtig empfinden, was geschehe. Womöglich auch als Selbstschutz.

Putin meidet Generalmobilmachung
Offizier Rentenberger führte an, dass viele geistig durch die Medien auf den Krieg vorbereitet worden seien. Putin rufe eine Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg hervor – das Narrativ des großen Abwehrkrieges. „Dann kommt noch ein repressives System dazu – dann funktioniert das auch. Putin rekrutiert vor allem Männer aus Randgebieten und Berufssoldaten. Nicht in St. Petersburg oder Moskau, wo Reiche und Einflussreiche leben. In Russland ist auch keine Generalmobilmachung in Sicht, das will Putin vermeiden.“ Putins KGB-Vergangenheit habe sein Weltbild gefestigt, sagte Professor Mueller. Und ab den 2000er Jahren gab es Indizien, in welche Richtung er sich entwickeln würde.

Für die Journalistin Eliseeva gibt es zwei Russlands, das offizielle, das Kreml-Russland, und das andere, das private, das Traditionen und Werte lebt. „Aber der Staat dringt immer weiter ins Private ein. Man merkt es an den Debatten in Familien. Die Jungen sind neugierig und weltoffen, aber die Älteren denken engstirnig.“ Wolfgang Mueller pflichtete ihr bei: Diese Beobachtungen mache auch die Wissenschaft. Die Älteren neigen zum TV, hier sei die Staatspropaganda aktiv. Facebook und neue Medien würden verteufelt, sagte Eliseeva. Aber die Jungen könnte man davon nicht abhalten.

Versuche, Russland immer einzubinden, habe es bis zuletzt gegeben, so Forscher Mueller, von Deutschland, aber auch von den USA. Ob es noch genügend Rückhalt für Putin im eigenen Land gebe? Er sei da, so der Tenor. Zudem komme die Aussicht auf einen Wahlsieg Trumps in den USA, wonach dieser Unterstützung für die Ukraine einstellen würde. Rentenberger: „Zurzeit gibt es einen Abnützungskrieg. Den könne Putin fortsetzten bis zu den Wahlen im November.“

Putin nutze der Krieg nicht so, wie er sich das erhofft habe, analysierte Mueller. Und der Krieg verursache nicht nur menschliche, sondern auch finanzielle Verluste inklusive Sanktionen gegen Russland. Auch wenn die nicht so stark wirken würden, wie man sich das im Westen erhoffte. Dazu hat Russland zu viele Rohstoffe und Länder, die diese benötigten und dafür bezahlen. Doch im Inneren sei Russland äußerst instabil. Es gebe so viele Verhaftungen aus politischen Gründen wie seit Stalins Zeiten nicht mehr. „Das sieht man an Anschlagen oder an Drohnen, die über dem Kreml kreisen. Russland ist unsicherer, als es jemals war.“

Wann ist ein Ende des Kriegs in Sicht? Major Rentenberger mit klarer Botschaft: „Entweder, wenn eine Seite stark Überhand gewinnt, oder beide zu sehr ermattet sind. Danach schaut es derzeit nicht aus.“

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