Minister Kocher:

„Haben Probleme, sollten aber nichts krankjammern“

Im „Rainer Nowak Talk“ diskutierten Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP), Monika Köppl-Turyna (Eco Austria) und Markus Marterbauer (Arbeiterkammer).

Rezession und Inflation bereiten Sorgen. In diesen Zeiten ist Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher ein sehr gefragter Mann. Gefragt wurde er bei Rainer Nowak. Im Talk auf krone.tv mit Monika Köppl-Turyna, Direktorin von Eco Austria, und Markus Marterbauer, Chefökonom der Arbeiterkammer (AK).

„Bei Kindern von eins bis drei hinken wir hinterher“
Ein zentraler Punkt: Teilzeitarbeit bei Frauen. Ein Problem, zumal „wir die höchste Rate in der OECD haben“, sagte Kocher, der einen der Gründe unter anderem in noch immer mangelhafter Kinderbetreuung sieht. „Es ist gut, dass die Regierung hier 4,5 Milliarden Euro investiert, aber die Umsetzung des Ausbaus muss rascher geschehen. Vor allem bei Kindern von eins bis drei hinken wir hinterher.“

„Man muss das Steuersystem überdenken“
Ob die Politik bzw. die ÖVP mit ihrem eher konservativen Gesellschaftsbild hier zu lange blockiert habe, wollte Nowak wissen. Köppl-Turyna: „Österreich ist ein konservatives Land, ganz anders als etwa Dänemark und Schweden, wo viel mehr Frauen Vollzeit arbeiten.“ Die Direktorin von Eco Austria sieht zu wenig Nachfrage, aber auch zu wenig Angebot. Ein Henne-Ei-Problem.

Hinzu komme die Problematik der Steuerprogression, die zu wenig Anreize für das Aufstocken auf Vollzeit biete. „Man muss das Steuersystem überdenken.“

Stadt-Land-Problem
AK-Ökonom Markus Marterbauer konstatierte, dass immer mehr Frauen Vollzeit arbeiten wollten. Ein Viertel der Teilzeitbeschäftigten wollten aktuell in Vollzeit wechseln. „Es gibt aber ein großes Stadt-Land-Problem. In Wien haben 80 Prozent der Volksschüler Nachmittagsbetreuung, in Tirol sind es nur 25 Prozent.“

Die Teilzeitproblematik wirke sich auch auf die Männer aus, die im internationalen Vergleich sehr viele Arbeitsstunden leisten. Das hat auch Folgen für das Familienleben. Marterbauer: „Eine Studie ergab, dass 30 Wochenstunden ideal wären.“

Nach jahrelangen Schwierigkeiten funktioniere die Rot-Weiß-Rot-Card für Menschen aus Drittländern nach einer Reform sehr gut. Und generell sei Österreich sehr attraktiv, so Minister Kocher. 42.000 Menschen aus EU-Ländern kämen jährlich nach Österreich. Köppl-Turyna hielt entgegen, dass viele Besserqualifizierte lieber in andere Länder gehen. „Österreich ist ein Höchststeuerland. Die Menschen schauen, wo netto mehr übrig bleibt. Da sind andere Länder attraktiver.“

Minister über Scheitern seiner Arbeitslosenreform
Einigkeit herrschte bei den bestehenden Potenzialen im Inland. Rund eine Million Personen wären laut Marterbauer in Österreich für bessere Jobs verfügbar, viele Ältere würden gerne länger arbeiten. Es gehe auch um die Qualität. „Es gibt viel zu viel miese Jobs in diesem Land. 290.000 Vollzeitbeschäftigte verdienen unter 1900 Euro pro Monat. Da ist die Politik gefordert.“

Debattiert wurde auch über das „degressive Arbeitslosenmodell“, das Kocher gefallen würde. 70 Prozent hätten davon profitiert – zu Beginn mehr Arbeitslosengeld, dann sukzessive sinkend. Es gehe darum, Menschen rascher wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Es scheiterte letztlich, wie Kocher bei Rainer Nowak verriet, an der Zusatzforderung, wonach auch die Zusatzverdienstgrenze bei Arbeitslosen gesenkt werden müsse. Die Grünen gingen da nicht mit. „Das war für mich unverständlich.“ Köppl-Turyna liefert ein Argument für Kochers Modell: Ein höherer Zuverdienst bei Arbeitslosen würde die Arbeitslosigkeit noch verlängern. Es fehle dann der Anreiz.

Marterbauer hingegen warnte: Das degressive Modell würde die Ausweitung der manifesten Armut bedeuten.

Auch über das Pensionsantrittsalter wurde diskutiert. Viel zu niedrig, so Köppl-Turyna. In Österreich würden 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Pensionen ausgegeben, in Dänemark nur acht. Ein Problem, das seit Jahrzenten besteht. Minister Kocher war generell bemüht, das Positive herauszustreichen. „Der Wirtschaftsstandort Österreich ist gut. Aber die Zukunft schaut nicht mehr so rosig aus. Wir haben einige Probleme, die wir beobachten und angehen müssen. Aber wir sollten nichts krankjammern.“

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