Die Zeit der Rekordzinsen im Euroraum könnte schon bald vorbei sein. Denn der anhaltende Rückgang der Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft dürfte die Währungshüter der EZB immer stärker unter Zugzwang setzen, in den kommenden Monaten die geldpolitischen Schalter in Richtung Zinssenkung umzulegen–deutlich schneller als eigentlich gedacht.
Der Einlagensatz liegt derzeit bei 4,00 Prozent und der Leitzins bei 4,5 Prozent. Volkswirte erwarten zwar, dass die EZB auf ihrer Zinssitzung am Donnerstag in Frankfurt die Füße erneut still halten und an den Schlüsselzinsen nicht rütteln wird, doch Experten rechnen mit einer lebhaften Diskussion darüber, wann nun der richtige Zeitpunkt für die Zinswende gekommen sein wird.
Debatte wird „heftiger denn je“
„Angesichts des weiteren Rückgangs der Inflation und der nach wie vor schwachen Konjunktur in der Eurozone wird die Debatte über Zinssenkungen auf der EZB-Sitzung am 7. März heftiger denn je geführt werden“, meint etwa ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Alle Augen würden zudem auf etwaige Änderungen in der Kommunikation der Währungshüter gerichtet sein sowie auf Hinweise zu ihren nächsten Schritten.
Die Verbraucherpreise in der Eurozone waren im Februar binnen Jahresfrist nur noch um 2,6 Prozent gestiegen. Im Jänner hatte die Inflation noch bei 2,8 Prozent gelegen, im Dezember bei 2,9 Prozent. Damit rückt das EZB-Ziel einer Teuerungsrate von 2,0 Prozent immer mehr in Reichweite.
Preisdruck überraschend geringer
Auf der Sitzung nächste Woche werden den Währungshütern auch neue Inflations- und Konjunkturprognosen der EZB-Volkswirte vorliegen. Diese vierteljährlich veröffentlichten Vorhersagen gelten als wichtiger Entscheidungsfaktor für die Währungshüter. „Da der Preisdruck im ersten Quartal geringer ausfallen dürfte als in den Projektionen der EZB unterstellt, dürfte die Inflationsschätzung für das Gesamtjahr 2024 leicht nach unten revidiert werden“, schätzt DZ-Bank-Analyst Christian Reicherter.
Die Dezember-Projektionen hatten noch 2,7 Prozent Teuerung für 2024 veranschlagt. Die Volkswirte der US-Bank Morgen Stanley erwarten eine neue Prognose von 2,3 Prozent.
Hohe Löhne bereiten Währungshütern Sorge
Aus Sicht von EZB-Präsidentin Christine Lagarde wird sich die Inflation im Euroraum weiter abschwächen. Die Auswirkungen der vergangenen Schocks, die die Teuerung hochgetrieben hätten, würden verblassen. Und die straffen Finanzierungsbedingungen trügen dazu bei, die Inflation nach unten zu drücken, sagte sie unlängst im EU-Parlament.
Sorge bereitet den Euro-Wächtern aber nach wie vor der hohe Lohndruck. „Trotz der schwächeren Konjunktur und des allmählich schwächeren Arbeitsmarktes bleiben die Löhne das größte Risiko beim Inflationsausblick“, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Wichtige Wegmarke liegt im Mai vor
In den vergangenen Wochen hatten manche Währungshüter darauf hingewiesen, dass Lohndaten aus neuen Tarifabschlüssen in den Euro-Ländern erst im Mai vorliegen werden. Diese Daten gelten als wichtige Wegmarke für die EZB, um abschätzen zu können, wie sich die Inflation im laufenden Jahr weiter entwickeln wird.
„Wir erwarten, dass sich Frau Lagarde an das gut geprobte Skript halten wird, dass die EZB vorsichtig und umsichtig sein muss und die kritisch wichtigen Daten zum Lohnwachstum im ersten Quartal abwarten wird, bevor sie mit Zinssenkungen beginnen kann“, meint Andrzej Szczepaniak, Europa-Volkswirt des japanischen Bankhauses Nomura.
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