Auf ihrem vierten Album „Venus“ zeigt sich der schwedische Popstar Zara Larsson allumfassend. Pop, R&B, Elektronik und Texte über die Liebe und das Leben koalieren mit der Hoffnung, wieder an die Erfolge der Prä-Pandemie anschließen zu können. Ein schwieriges Unterfangen. Am 8. März tritt sie im Wiener Gasometer auf.
Liebe, Leidenschaft und Hingabe - das sind die drei Kernbegriffe, die man gemeinhin mit der Venus assoziiert. Als Göttin der Liebe und der Schönheit steht die Venus aber auch für Weiblichkeit und - im moderneren Sinne - für Selbstermächtigung. In all diesen Sphären fühlt sich die schwedische Pop-Sängerin Zara Larsson thematisch zu Hause. Auf ihrem Cover-Artwork zeigt sie sich Photoshop-weichgezeichnet im Evakostüm. Die Blöße bloß mit einer Muschel verdeckt, das goldblonde Haar bis zu den Oberschenkeln reichend und den Blick träumerisch-lasziv gen Himmel gerichtet. Gerade bei weiblichen Popstars ist ein Album-Cover ein wichtiges, oft wegweisendes Statement. Auf ihrem Debüt „1“ war die damals noch 16-Jährige die Unschuld vom Lande. Das Welterfolgswerk „So Good“ (2017) zeigte sie mit Strickpulli gemütlich am Bett chillen, als „Poster Girl“ (2021) beamte sie sich melancholisch am Bett lehnend in ihr Kinderzimmer zurück.
Richtungsweisende Verpackung
Das bewusste Kokettieren mit der Nacktheit ist bei weitem kein Novum in der Musikwelt. Der Grat zwischen feministischer Selbstermächtigung mit Körperliebe und dem weithin erprobten „Sex Sells“-Prinzip im Unterhaltungsgeschäft ist ein schmaler. Die Gretchenfrage, wohin man ein solches Artwork zu verorten hat, wartet auch nach längst notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen noch immer auf eine profunde Antwort. Fix ist, dass selbst im Streamingzeitalter ein Artwork eines Albums noch immer richtungsweisend ist. Es lädt ein, gibt im besten Fall vorab ein passendes Stimmungsbild zu Konzept und Musik ab und dient als erster Appetizer für alles Kommende. Möglicherweise ist die optische Flucht nach vorne auch einer Notwendigkeit geschuldet, die sich aus der jüngeren Vergangenheit ergab. Nachdem es bei Larsson jahrelang steil bergauf ging, floppte „Poster Girl“ in mehrfacher Hinsicht. Schlechte Chartplatzierungen, uninspirierte Songs, eine Plastikproduktion und das völlige Fehlen der sonst gewohnten „Edgyness“ schockte. Dazu war auch noch Pandemie.
In den letzten Jahren nahm sich die Schwedin Zeit, um in sich zu gehen, sich und ihre Musik zu evaluieren und doch noch einmal zu versuchen, die unverbrauchte Frische und spürbare Spielfreudigkeit von „So Good“ heraufzubeschwören. Larssson trennte sich von ihrer alten Plattenfirma und gründete ihr eigenes Label. Sie durchforstete ihr virtuelles Adressbuch und klingelte wieder bei Super-DJ David Guetta durch, mit dem sie beim Song „This One’s For You“ schon 2016 welterfolgreich für die damalige EURO komponierte. Sie holte sich ein paar externe Songwriter ins Boot, der der leicht aus der Spur geratenen skandinavischen Pop-Prinzessin wieder dabei helfen sollten, ihre eigene DNA zu finden. Zwischen all den Headliner-Touren, Stadionkonzerten im Vorprogramm von Ed Sheeran und USA-Markteroberungsversuchen, ging der selbstbewussten Sängerin irgendwo die Luft aus und es fehlte plötzlich am Kern des Erfolgs: gute, eingängige, breitenwirksame Songs.
Pop im Vordergrund
„Venus“ soll nun gleichermaßen Rückbesinnung wie Zukunftsausrichtung darstellen. Die Stärken der Erfolgstage wieder aufzugreifen und sie mit einem zeitgemäßen Konzept zu verknüpfen. „Auf dieses Album bin ich ziemlich stolz“, hat sie dem renommierten Magazin „Billboard“ in einem Interview gesagt, „für mich ist es unheimlich schwierig, klanglich in einem Genre zu verharren. Auch wenn das Album im Großen und Ganzen natürlich Pop ist, habe ich mehr R&B-Zitate eingebaut und auch den klassischen Pop in den Vordergrund gerückt. Manche Songs haben flotte Drum-Beats, andere wiederum sind von wundervollen Streichern durchsetzt.“ Die bereits bekannte Single „Can’t Tame Her“ eröffnet das zwölf Songs starke Werk mit dem so populären wie auch auserzählten 80er-Vibe, bevor „More Than Was“ sich von anfänglicher Melodie mit einem mitreißenden Beat Richtung Dancefloor-Banger abbiegt.
Die Tanzflächen-Tauglichkeit war Larsson von besonderer Wichtigkeit. Balladeske Momente halten sich am Album zumeist zurück und werden erst im Schlussdrittel stärker in den Vordergrund geholt. Die bereits angesprochenen R&B-Zitate dienen der Schwedin als Hommage an ihr großes Idol Beyoncé, von der sie sich alles mit weit geöffneten Argusaugen abgeschaut haut, ohne zur Kopistin zu werden. Mit alles sind nicht nur Sound, Musik und Auftreten auf der Bühne gemeint, sondern auch der offen zur Schau gestellte Feminismus, der bei Larsson des Öfteren zu öffentlichem Geplänkel mit rückständigen Musikern oder bornierten Festivalbetreibern führte. Sozialkritische Themen lässt sie auf dem Album aber außen vor. Es geht ihr vielmehr um Selbstfindung, darum zu lieben, wen man lieben will. In der Liebe einzutauchen, dabei Fehler machen zu dürfen und in diesen düsteren Zeiten einfach Spaß am Leben zu haben. Das klingt manchmal wie The Weeknd (wie beim angesprochenen Opener), nach Ibiza-Ballermann (die Guetta-Nummer „On My Love“) oder einer Mischung aus ABBA und Rihanna („End Of Time“).
Die Suche nach dem Status
„Venus“ ist einerseits die Suche nach der inneren Stärke und einer selbstsicheren Weiblichkeit, andererseits der Versuch, mit möglichst breitentauglichen und kantenlosen Pop-Songs wieder den Status zurückzuerlangen, den Larsson außerhalb Skandinaviens nicht so lange hatte, wie sie es sich gewünscht hätte. Das Überraschungsmoment und die Frische von „So Good“ lassen sich nicht mehr so leicht wiederholen, aber „Venus“ ist ein zum Teil gelungener Versuch, im breit gewordenen Teich der Mainstream-Pop-Bienen wieder zum Königinnen-Status zu kommen. Mit 26 ist Zara Larsson, die schon als Zehnjährige via TV-Talenteshow zum Promi mutierte, noch immer im besten Sturm-und-Drang-Alter, um dem elektronischen Popgeschäft eine neue Note zu verleihen. Jetzt muss sie nur noch stärker auf ihre Instinkte vertrauen und beharrlich bleiben, dann gelingt vielleicht noch ein richtiger Pop-Kracher. „Venus“ versucht, genau das zu sein, scheitert aber noch daran.
Live im Gasometer
Unglaublich, aber wahr. Zara Larsson kommt im Zuge ihre „Venus“-Tour am 8. März in den Wiener Gasometer und damit das erste Mal überhaupt in die Bundeshauptstadt. Bislang war sie 2019 nur zweimal als Support von Ed Sheeran in Klagenfurt bei uns zu sehen. Unter www.ticketmaster.at gibt es noch Karten für die Schwedin Wien. Neben den neuen Songs darf man sich auf ein buntes Potpourri ihrer Charthits der letzten Jahre freuen.
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