Die Verhandlung im Wiener Straflandesgericht hatte mit der Einvernahme eines 20-jährigen Burschen begonnen, der im April 2010 an einer Feier der Akademischen Ferialverbindung Reich teilgenommen hatte. Der Zeuge erklärte unter Wahrheitspflicht, Felix B. habe dort eine fünfminütige, "glorifizierende" Rede auf Adolf Hitler gehalten, "die für mich gefühlsmäßig als Huldigung rübergekommen ist". Anschließend hätten alle Anwesenden - etwa 20 bis 25 Männer - unter dreimaligem "Sieg Heil"-Ruf den Hitlergruß getätigt.
Um zu überprüfen, was der Zeuge als "glorifizierend" betrachte, verlas der Rechtsvertreter von Felix B., Herbert Orlich, im Anschluss minutenlang Ausführungen über Hitler. Danach wollte Orlich vom 20-Jährigen wissen, auf welche Weise die Männer bei der Feier die Arme zum Hitlergruß gehoben hätten. Der Zeuge, der deswegen nach dem Verbotsgesetz bereits rechtskräftig zu 18 Monaten bedingter Haft verurteilt worden war, weigerte sich, den Gruß nachzumachen. Und so ließ sich der Verteidiger selbst dazu hinreißen und streckte am Ende tatsächlich den rechten Arm in die Höhe.
"Sind Sie an der Wahrheitsfindung orientiert?"
Im Anschluss wurde die Leiterin des Extremismus-Referats im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Sybille Geissler, in den Zeugenstand gerufen. Als die Beamtin nicht bekannt geben wollte, wie viele Beamte ihre Abteilung umfasst, und sich dabei auf die Amtsverschwiegenheit berief, verlangte Orlich, die Zeugin zu entlassen und sie von der Verschwiegenheitspflicht entbinden zu lassen. Als das Gericht dem nicht nachkam, fragte Orlich in forschem Tonfall die Vorsitzende: "Sind Sie an der Wahrheitsfindung orientiert?"
"Das wird langsam ein Kasperltheater"
"So was habe ich in 30 Jahren Richter nicht erlebt, was Sie hier aufführen. Das wird langsam ein Kasperltheater", bemerkte der beisitzende Richter Norbert Gerstberger. Orlich war kaum zu beruhigen und gab zu verstehen, man möge ihn ruhig bei der Rechtsanwaltskammer anzeigen: "Ich warte nur darauf, dass ich der Rechtsanwaltskammer belegen kann, was hier passiert."
BVT-Spitzenbeamtin mit Erinnerungslücken
Nach Auskunft Geisslers sind im Zuge der Ermittlungen um die "alpen-donau.info"-Homepage 14 Verdächtige ausgeforscht und bei verschiedenen Staatsanwaltschaften angezeigt werden. Auf zahlreiche Fragen von Küssel-Verteidiger Michael Dohr konnte Geissler jedoch keine erschöpfenden Antworten geben. Sie könne sich "daran nicht mehr erinnern", hieß es immer wieder. Oftmals verwies die ranghohe Verfassungsschützerin "auf den Beamten H.", der beim BVT federführend in Sachen "alpen-donau.info" ermittelt hatte. Dieser Beamte soll beim nächsten Verhandlungstermin vernommen werden.
Der Rechtsvertreter Küssels hatte von Geissler zunächst wissen wollen, weshalb sein Mandant in der Anklageschrift als einer der Betreiber der "alpen-donau.info" bezeichnet werde, obwohl es in diese Richtung keinen Beweis gebe. Küssel sei "Verantwortlicher, landläufig sprechen wir vielleicht auch von einem Betreiber" gewesen, meinte Geissler. Sie verwies "auf Sachbeweise, die wir haben". Auf eindringliches Befragen Dohrs konnte sie allerdings keine nennen: "Details weiß der Beamte H."
Als Dohr auf ein sogenanntes Grundsatzdokument zu sprechen kam, das Küssel als "Vereinbarung mit dem tschechischen Nationalen Widerstand" verfasst hatte, musste Geissler einräumen, nicht zu wissen, wer dieses Dokument ins Netz gestellt habe. Es sei "nachvollziehbar", dass Küssel es erstellt und weitergeleitet habe. "Wer das technisch gemacht hat", sei unklar.
"Wir haben das so beurteilt, also wird es so sein"
Küssel stellt nicht in Abrede, den Text verfasst zu haben. Er behauptet aber, nichts damit zu tun gehabt zu haben, dass er auf "alpen-donau.info" publiziert wurde. Inhaltlich ging es in dem als "Staatsvertrag" bezeichneten Dokument unter anderem um die Benes-Dekrete. Laut Anklage, die auf den Erkenntnissen des BVT beruht, soll die Grundsatzvereinbarung "vom völkischen Staatsgedanken im nationalsozialistischen Sinn geleitet" sein.
Dohr hielt dem entgegen, in dem Manifest würden primär die Entschädigungsfrage für vertriebene Sudetendeutsche und eine Zusammenarbeit diverser Gruppen des "nationalen und sozialen Widerstands" erörtert: "Wo ist das relevant im Sinne des Verbotsgesetzes?" "Wir haben das so beurteilt, also wird es so sein", antwortete Geissler.
IT-Experte soll Verhandlung als Sachverständiger begleiten
Die Verhandlung wurde vor allem deshalb vertagt, weil das Schwurgericht einen Computer-Experten beiziehen wird. Der an der Technischen Universität Wien tätige Ziviltechniker, der unter anderem auf IT-Sicherheit, Datenauswertung sowie -rekonstruktion und Verschlüsselung spezialisiert ist, soll als Sachverständiger die weitere Verhandlung begleiten.
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