In der Stellungnahme, die unter anderem auf dem Gutachten dreier ausländischer Philosophieprofessoren basiert, heißt es wörtlich: "Bei der Dissertation von Herrn Dr. Hahn handelt es sich nicht um ein Plagiat. Entsprechend liegt auch kein wissenschaftliches Fehlverhalten vor."
Das Zitieren von Texten anderer Autoren in Hahns Dissertation "Die Perspektiven der Philosophie heute - Dargestellt am Phänomen Stadt" aus dem Jahr 1987 würde zwar nach heutigen allgemein anerkannten Standards "nicht den Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis" entsprechen, nach 25 Jahren sei aber nicht mehr zu verifizieren, ob die Arbeit damals an der Uni Wien geltenden Standards entsprochen habe.
Uni: "Verfahren wird eingestellt"
Passend zur Expertise auch die Statements der Zuständigen an der Wiener Universität: Man sei zu dem "klaren Schluss" gekommen, dass Hahn seinen akademischen Titel nicht durch Täuschung erschlichen habe - das Plagiatsprüfungsverfahren werde nun eingestellt, so die zuständige Studienpräses Brigitte Kopp. Der Rektor der Universität Wien, Heinz Engl, betonte, auch er könne "voll zu dieser Entscheidung stehen". Über die Qualität der Arbeit sage das Gutachten freilich nichts aus. "Heute würde eine solche Dissertation nicht mehr angenommen", sagte Engl. "Die Standards waren damals offenbar lockerer als jetzt."
Für Engl ist die Debatte beendet, es "bleibt uns gar nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren". Immerhin handle es sich bei der OeAWI um die beste unabhängige Stelle für Qualitätssicherung - das zähle mehr als Einzelmeinungen.
Hahn zufrieden: "Vorwürfe haltlos"
Hahn selbst zeigte sich zufrieden mit dem präsentierten Ergebnis. Es sei "die von mir immer betonte Grund- und Haltlosigkeit der Plagiatsvorwürfe" bestätigt worden, sagte er am Freitag. Der Kommissar, der sich derzeit im Zuge einer Dienstreise auf der französischen Karibikinsel Martinique befindet, ist überzeugt, dass "mit der eindeutigen Feststellung, dass es sich bei meiner Arbeit um kein Plagiat handelt und dass kein wissenschaftliches Fehlverhalten meinerseits vorliegt, dieses Kapitel nun endgültig abgeschlossen ist".
Auch die "von mir und anerkannten Wissenschaftlern eingeforderte Berücksichtigung des zeitlichen Kontexts der Entstehung meiner Arbeit, also vor 25 Jahren, wurde von der Agentur anerkannt", meinte der Kommissar.
Pilz: "Persilschein" für Hahn
Der grüne Abgeordnete Peter Pilz hingegen kommentierte das jüngste Urteil über die Hahn-Dissertation abgeklärt. Das Verfahren der Universität Wien sei "rein formell zur Kenntnis zu nehmen", sagte er am Freitag. Die Uni habe aber "dem Herrn Doktor Hahn einen Persilschein ausgestellt", so die inhaltliche Beurteilung des Grünen.
Das Argument, dass die damaligen Standards heute nicht mehr verifizierbar seien, ist für Pilz "völliger Blödsinn" bzw. "Durchschwindeln": "Sämtliche Regeln von vor 25 Jahren liegen bei der Uni auf und sind ohne Weiteres nachzuvollziehen. Die damaligen Standards waren formal schärfer." Die Universität Wien aber habe eine "ernsthafte Prüfung verweigert" und "sich damit unnötig blamiert", so Pilz, der auch fürchtet, dass die Uni damit die Standards für künftige Dissertationen tieferlege.
ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch sieht indes eine Niederlage "für den grünen Pseudo-Aufdecker Pilz", dessen Glaubwürdigkeit nun "endgültig dahin" sei und dessen "Attacken" gegen Hahn als "substanzlos" dastünden. Pilz solle nun "ernsthaft in sich gehen", so der Rat aus der ÖVP-Zentrale.
Gutachten nach Guttenberg-Affäre
Die Uni Wien hatte das Gutachten in Auftrag gegeben, nachdem Hahn im Zuge der Plagiatsaffäre um den deutschen Ex-Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg erneut beschuldigt worden war, in seiner Doktorarbeit plagiiert zu haben. Auch der als "Plagiatsjäger" bekannte Salzburger Medienwissenschaftler Stefan Weber hatte Hahn vorgeworfen, gut 17 Prozent seiner Doktorarbeit abgeschrieben und nicht korrekt zitiert zu haben (siehe Infobox).
Weber stellt die Stellungnahme der OeAWI infrage: "Ich halte sie für wissenschaftlich skandalös", so Weber. Es liege lediglich ein "15 magere Zeilen" langes Schreiben der OeAWI vor, aber nicht die drei von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten. "Das ist eine Form der Wissenschaftskommunikation, die intransparent ist."
Weber: "Nicht nachvollziehbar"
Viel mehr, als dass Hahn seinen Doktortitel behalten darf, wurme ihn, dass es noch immer "keine gutachterliche Transparenz gibt, aus der auch eine wissenschaftliche Diskussion entstehen kann". Die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit werde durch eine solche Entscheidung jedenfalls nicht steigen. Außerdem hätte er sich erwartet, dass sein eigenes Gutachten, bei dem er im Auftrag von Pilz die gesamte Arbeit analysiert habe, stärker berücksichtigt werde. "Man ist hier nicht daran interessiert, den Fakten auf den Grund zu gehen." Allerdings, so Weber, könnte sich künftig die deutsche Plagiate-Plattform "Vroniplag" des Falls Hahn annehmen.
Für Weber ist auch die Aussage der Agentur nicht nachvollziehbar, dass nicht überprüfbar gewesen sei, ob Hahns Zitierweise den vor 25 Jahre geltenden Standards entsprochen habe. Er wisse zudem "aus bester Quelle aus der Uni Wien", dass eines der Gutachten kritisch ausgefallen sei. "Was damit passiert ist, weiß ich nicht", so Weber, der allerdings vermutet, dass so lange nach einem Gutachter gesucht wurde, bis ein positives Urteil herausgekommen sei.
"Beleidigung vieler Generationen von Doktoranden"
Gehard Fröhlich, Professor am Institut für Philosophie und Wissenschaftstheorie der Uni Linz und gemeinsam mit Weber Mitbegründer der "Initiative Transparente Wissenschaft", will das Urteil der OeAWI ebenfalls erst dann akzeptieren, wenn die Gutachten, auf denen es basiert, öffentlich zugänglich sind. "Wissenschaft muss von anderen kritisch überprüfbar sein, sonst ist sie keine Wissenschaft." Und auch für Fröhlich ist nicht nachvollziehbar, dass zu Hahns Zeiten möglicherweise weniger strenge Regeln für das wissenschaftliche Arbeiten gegolten haben sollen. "Eigentlich ist das eine Beleidigung vieler Generationen von Doktoranden."
Bis er die Gutachten gelesen habe, geht er weiterhin davon aus, dass der Großteil der Dissertation des EU-Kommissars nur aus Textübernahmen besteht. Fröhlich verwies etwa auf einen Spruch des Verwaltungsgerichtshofs in einem Fall, bei dem ebenfalls Zitate an einigen Stellen mit Anführungszeichen gekennzeichnet waren und an anderen nicht. Da man nicht mischen darf, wurde der akademische Titel aberkannt. Es gehe ihm allerdings weniger um den Fall Hahn an sich, betonte er. Sein Ziel sei, dass wissenschaftliche Arbeit in Österreich bei Prävention und Aufklärung von Fehlverhalten endlich transparenter werden und an das internationale Niveau anschließen müsse.
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