Start der Reifeprüfung

Warum der gute Ruf der Matura leidet

Steiermark
03.05.2023 06:00

Mehr als 5000 steirische Schüler treten dieser Tage zur Zentralmatura an, heuer wieder - fast - wie vor Corona. Eine umstrittene Erleichterung ist aber geblieben und lässt am Wert der Reifeprüfung zweifeln.

Viele steirische Maturantinnen und Maturanten sind am Mittwoch wohl mit einem flauen Gefühl im Magen in den Tag gestartet: Sie müssen sich der schriftlichen Reifeprüfung in Mathematik stellen. Nach turbulenten Corona-Jahren mit Heimunterricht und Erleichterungen bei der Matura ist heuer nach einem normalen Schuljahr alles fast wieder beim Alten.

Eine nicht unwesentliche neue Regel aus dem Krisenmodus ist aber geblieben: Die Jahresnote wird in die Beurteilung der Maturaprüfungen miteinbezogen. Während bei der schriftlichen Reifeprüfung aber ein Schwellenwert von mindestens 30 Prozent erreicht werden muss, um positiv zu sein, gibt es diesen bei den ab Juni folgenden mündlichen Prüfungen nicht.

Schüler könnten unvorbereitet antreten
Schüler müssen lediglich an der Prüfung „mitwirken“. Das heißt auf den Punkt gebracht: Wenn ein Schüler im Jahreszeugnis mindestens ein Befriedigend hat, kann er die mündliche Matura in diesem Fach versemmeln, denn „mitwirken“ ist nicht näher definiert. Man könne unvorbereitet zur Prüfung kommen, und es reiche, wenn man die Frage vorliest, sagen Kritiker, die dadurch den Wert der Matura herabgesetzt sehen.

(Bild: Krone Kreativ)
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Mit der Formulierung „Mitwirkung an der Prüfung“ bin ich nicht glücklich. Es wäre klüger gewesen zu sagen, man muss zumindest positiv sein

Josef Wieser, Direktor BG/BRG Leibnitz und Sprecher steirischer AHS-Direktoren

„Mit der Formulierung ,Mitwirkung an der Prüfung’ bin ich nicht glücklich. Es wäre klüger gewesen zu sagen, man muss zumindest positiv sein“, sagt Josef Wieser, Sprecher der steirischen AHS-Direktoren. Auch die Schüler selbst sehen die Erleichterung kritisch: „Wenn man eine gute Note im Zeugnis hat, zeigt das ja schon ein gewisses Engagement. Aber dass man bei der mündlichen Matura dann quasi nichts mehr machen muss, stuft die Wertigkeit schon herab“, so AHS-Landesschulsprecherin Michelle Isop.

Dringend notwendig dürfte diese Erleichterung jedenfalls nicht sein, wie ein Blick auf die Erfolgsquote der Matura in Pandemiejahren zeigt (siehe Grafik oben). So sehr haben die Noten noch nie geglänzt ... 

Andreas Salcher ist Unternehmensberater und Autor sowie Experte für Bildungsthemen. (Bild: Jöchl Martin)
Andreas Salcher ist Unternehmensberater und Autor sowie Experte für Bildungsthemen.

Interview

Für Bildungsexperte Andreas Salcher ist schon die Umsetzung der Zentralmatura missglückt. Mehr Erleichterungen sieht er kritisch.

Die Matura findet heuer fast „wie früher“ statt. Was halten Sie von der Beibehaltung einer Erleichterung?

Ein wesentliches Element einer echten Zentralmatura ist, dass eben nicht derselbe Lehrer, der die Schüler auf die Matura vorbereitet, deren Leistungen beurteilt, sondern eine objektive Kommission. Die österreichische Zentralmatura war von Anfang ein Zwitterwesen. Zwar gab es zentrale Aufgaben für die schriftlichen Klausuren, diese wurden aber vom Klassenlehrer bewertet und dieser prüfte dann ebenfalls bei der mündlichen Matura. Die dann noch erfolgte Einbeziehung der Jahresnote widerspricht massiv dem Konzept jeder Zentralmatura. Man musste kein Prophet sein, um zu erahnen, dass bestimmte „Erleichterungen“ nach der Pandemie bleiben werden.

Der Matura haftet ohnehin schon der Ruf an, immer weniger Wert zu sein. Ist das Niveau durch Corona weiter gesunken?

Um den Wert der Matura unabhängig von der Pandemie beurteilen zu können, sollte man sich die beiden historischen Funktionen bewusst machen: Erstens, die Berechtigung zu studieren und zweitens, der privilegierte Zugang zu qualifizierten Jobs. Beide Voraussetzungen haben sich grundlegend verändert. Mittlerweile gibt es für fast alle begehrten Studien Aufnahmetests. Jener für das Medizinstudium ist wesentlich schwieriger als die Matura.

Wie sieht es beim direkten Berufseinstieg aus?

Unternehmen und öffentliche Institutionen vertrauen ebenfalls nicht mehr der Aussagekraft eines Maturazeugnisses, sondern führen eigene selektive Aufnahmeverfahren durch. Beide Entwicklungen werden sich verschärfen, das heißt, selbst wenn die Matura heute wahrscheinlich einfacher als vor 50 Jahren ist, bedeutet diese nicht wie früher eine automatische Zulassung zu jedem Wunschstudium oder den Einstieg in eine aussichtsreiche Berufskarriere, sondern eher die Eintrittskarte zu weiteren Auswahlverfahren.

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