Parlamentsbeschluss

D: Ex-Stasi-Mitarbeiter werden zwangsversetzt

Ausland
30.09.2011 16:27
Ungeachtet der Bedenken der deutschen Regierung hat der Bundestag die Zwangsversetzung von ehemaligen Mitarbeitern der DDR-Staatssicherheit aus der Stasi-Unterlagen-Behörde beschlossen. Die Novelle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes wurde am Freitag mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition angenommen. Mit der Gesetzesnovelle werden zudem die Stasi-Überprüfungen im Öffentlichen Dienst verlängert und ausgeweitet.

Die Neuregelung sieht vor, dass die 45 früheren Stasi-Leute, die noch in der Behörde des Bundesbeauftragten Roland Jahn tätig sind, gegen ihren Willen in andere Dienststellen des Bundes versetzt werden. Künftig werden demnach auch keine ehemaligen hauptamtlichen oder inoffiziellen Stasi-Mitarbeiter beim Bundesbeauftragten mehr eingestellt. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte sich kürzlich skeptisch zu Bestrebungen aus den Koalitionsfraktionen für eine Zwangsversetzung von Ex-Stasi-Mitarbeitern geäußert. Er hatte ausdrücklich darauf verwiesen, dass in dieser Frage der Bund die Personalhoheit habe.

Stasi-Überprüfungen im Öffentlichen Dienst sollen nun bis 2019 möglich sein, ursprünglich wären sie zum Ende dieses Jahres ausgelaufen. Wieder ausgeweitet wird der vor einigen Jahren eingeschränkte Kreis der Personen, die überprüft werden können. Künftig sollen alle Mitarbeiter ab der Gehaltsstufe A9 ohne Anlass überprüft werden können, bei darunter liegenden Gehaltsgruppen muss ein konkreter Verdacht vorliegen. Zudem wird die Akteneinsicht vereinfacht, und zwar für die Angehörigen von Verstorbenen sowie für wissenschaftliche Zwecke. Die Linke stimmte im Bundestag gegen die Neuregelung; SPD und Grüne enthielten sich der Stimme.

Bundestags-Vizepräsident bezweifelt Rechtmäßigkeit
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) zweifelte vor der Abstimmung die Rechtmäßigkeit der Vorlage an. Es sei "verfassungsrechtlich problematisch", per Gesetz die Zwangsversetzung von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern aus der Stasi-Unterlagenbehörde anzuordnen, sagte Thierse, selbst früherer DDR-Bürger, am Freitag im Deutschlandfunk. Dies schaffe ein "generelles Klima des Verdachts". Der SPD-Politiker schlug vor, die ehemaligen Stasi-Mitarbeiter auf arbeitsrechtlichem Weg durch Einzelvereinbarungen verwaltungsintern zu versetzen. Immerhin seien sie 20 Jahre in der Behörde tätig gewesen und hätten sich dort "Vertrauensschutz erworben". Auch hätten sie offensichtlich unbeanstandet gearbeitet.

Für 19 der 45 ehemaligen Stasi-Mitarbeiter in der Stasi-Unterlagen-Behörde stehen einem Zeitungsbericht zufolge mittlerweile freie Stellen in anderen Bundesbehörden zur Verfügung. Mit weiteren freien Stellen sei zu rechnen, hieß es in der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" vom Freitag unter Berufung auf führende Koalitionskreise.

Opfer sprechen von "Sieg der Vernunft"
Von einem "Sieg der Vernunft" sprach die Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS). Sie begrüßte das Beschäftigungsverbot für frühere Stasi-Mitarbeiter in der Behörde als "wegweisende" Entscheidung. "Wir haben für diese Gesetzesänderung gekämpft und wir haben gewonnen", erklärte der VOS-Vorsitzende Johannes Rink. Der CSU-Innenexperte Stephan Meyer wertete die Neuregelung als "ausgewogenen Kompromiss".

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