„Das gibt‘s ja nicht!“

Leiche unter Sofa: Urteil nach tödlichem Sex-Date

Gericht
06.03.2023 14:46

„Oida, das gibt‘s ja nicht. Noch ein Toter“, entrüstete sich Christian S. am ersten Prozesstag vor dem Richter in Wien. Jener Tote wurde nach 25 Tagen unter seinem Schlafsofa gefunden. Die Geschworenen entscheiden einstimmig, dass der Angeklagte an dem Tod des Mannes aber keine Schuld hat ...

Vergleichsweise ruhig und gelassen sitzt Christian S. auf der Anklagebank im Wiener Landesgericht. Ein ungewöhnliches Bild, wenn man sich an den 52-Jährigen am ersten Verhandlungstag erinnert. Da war er keinesfalls wortkarg, schilderte die Geschehnisse detailliert und fast schon gefühlskalt. 

Bereits der zweite Tote in der Wohnung von Christian S.
„Nicht schon wieder einer, der da jetzt einschläft“, kommentierte er seine Gedanken am Anfang des Prozesses zu jenem 47-jährigen Mann, der tot in seiner Wohnung gefunden wurde. Und zwar erst 25 Tage später unter einem ausziehbaren Schlafsofa in der Wohnung von Christian S. Bereits vorher verstarb ein Mann bei ihm zu Hause an einer Überdosis. Dieses Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft mangels Beweisen aber eingestellt. Für den Tod des 47-Jährigen muss er sich jetzt aber verantworten.

Überdosis gespritzt, vergewaltigt und auch noch bestohlen
Am 30. September 2021 hatte man sich zum Chemsex verabredet - Geschlechtsverkehr unter völliger Drogenberauschung. Ein gefährliches Unterfangen stellt auch die Staatsanwältin im Prozess fest. „Ich habe nie nach Chemsex gesucht. Ich bin da hineingefallen“, beteuert der 52-Jährige. Dieses „Date“ überlebte das Opfer nicht. Laut Anklage soll Christian S. ihm eine Überdosis Liquid-Ecstasy gespitzt haben, „die Vergewaltigungsdroge schlechthin“.

Während das Opfer teilnahmslos und bewusstlos auf dem Bett lag, verging sich der Angeklagte an ihm. Hielt das sogar noch auf einem Video fest, welches am Urteilstag den Geschworenen unter Ausschluss der Öffentlichkeit gezeigt wurde. Die Schwester des Verstorbenen bricht daraufhin weinend zusammen, in den Gesichtern der Laienrichter zeigt sich Entsetzen.

Nicht genug, soll Christian S. den Mann in seiner Wohnung zurückgelassen haben, fuhr mit dem Taxi zum Opfer nach Hause. Dort packte er den Fernseher ein, machte sich auf den Weg zurück zum Bewusstlosen und verging sich abermals an ihm. „In meiner Karriere als Taxifahrer transportierte ich erst zweimal einen Fernseher“, kann sich der Lenker erinnern. Außerdem hätte der Angeklagte auf keinen Fall den Eindruck gemacht, als sei er vollkommen beeinträchtigt. So, wie Christian S. es angibt.

Ein erheblich krankhafter Charakter plus Persönlichkeitsstörung
Das folgert auch Gerichtspsychiater Dr. Peter Hofmann: „Jemand, der hochgradig berauscht ist, der kann sich nicht so geordnet verhalten. Obwohl der Drogenkonsum sicherlich eine Rolle gespielt hat, gehe ich davon aus, dass er immer zurechnungsfähig war.“ Der Gutachter diagnostiziert ihm außerdem einen erheblich krankhaften Charakter und eine Persönlichkeitsstörung.

Obwohl es sowohl eine erbliche Komponente bei solchen Erkrankungen gebe, können auch Indizien in der Vergangenheit von Christian S. festgestellt werden. „Er kommt aus wirklich sehr ungünstigen sozialen Verhältnissen“, so Hofmann. Bereits als Kind sei er verhaltensauffällig gewesen, hätte mit Mühe und Not die Sonderschule abgeschlossen. In den Neunzigern dann sein erster Auftritt bei Gericht: Er wurde wegen zig Tierquälereien von Kätzchen und Wellensittichen verurteilt.

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Sie können davon ausgehen, dass der Angeklagte in einer ganz anderen Welt unterwegs ist. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass das noch einmal passiert. Es ist mit Tötungsdelikten zu rechnen.

Gerichtspsychiater Dr. Peter Hofmann

Für eine Einweisung reichte das Delikt damals noch nicht aus. Umso mehr empfiehlt der Gerichtspsychiater die Unterbringung im jetzigen Prozess: „Sie können davon ausgehen, dass der Angeklagte in einer ganz anderen Welt unterwegs ist. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass das noch einmal passiert. Es ist mit Tötungsdelikten zu rechnen“, gibt Hofmann seine Expertise ab.

Leiche in zehn Müllsäcken und zwei Bettlaken eingewickelt
Und genau ein solches Tötungsdelikt ortet die Staatsanwaltschaft im Fall des 47-jährigen Opfers und klagt Vergewaltigung mit Todesfolge an. In zehn Müllsäcken und zwei Bettlaken eingewickelt fand die Polizei den Toten in der Wohnung von Christian S. - nach 25 Tagen stellte er sich selbst. Den Zustand der Leiche beschreibt der Gerichtsmediziner im Gerichtsaal bildhaft, was für verzogene Gesichter in den Geschworenen- und Zuschauerreihen sorgt.

Und genau dieser Zustand machte auch die Obduktion des Toten denkbar schwer: „Es ist schwer, auf die Konzentration der Substanzen zu schließen, die der Tote eingenommen oder verabreicht bekommen hat.“ Fest steht, dass Liquid-Ecstasy und Mephedron - sogenanntes Badesalz - nachgewiesen werden konnten. Und, dass im linken Arm des Opfers eine Spritze steckte. Die er sich unmöglich selber hätte injizieren können, sein rechter Arm war verkürzt, versteift und ihm fehlte der Daumen. 

Kein objektivierter Beweis, dass mein Mandant das Suchtgift injiziert hat“
Der medizinische Sachverständige gibt aber auch an, dass die beiden Drogen nicht gespritzt wurden, sondern geschluckt. Die Verteidigerin Anna Mair (Kanzlei Astrid Wagner) ist sich deswegen sicher: „Es gibt keinen objektivierten Beweis dafür, dass mein Mandant dem Opfer Suchtgift injiziert hat.“ Damit falle der Tötungsvorsatz. Sie plädiert auf einen Freispruch.

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Er hat am ersten Tag gesagt: „Oida, das gibt‘s ja nicht! Noch ein Toter!“. Und Ihre Aufgabe ist es, dass er das nie wieder sagen kann.

Die Staatsanwältin richtet das Wort an die Geschworenen.

„Seine Show endet hier. Das war sein letzter Auftritt“
„Es gibt keinen Zweifel, dass er das Opfer vergewaltigt hat und für seinen Tod verantwortlich ist“, führt die Staatsanwältin vollkommen gegensätzlich in ihrem Schlussplädoyer aus. „Man hatte vor allem am ersten Verhandlungstag den Eindruck, er möchte eine Show abziehen, mit Ihnen als Publikum. Christian S. war bemüht, in diesem Gerichtssaal die Rolle seines Lebens zu spielen. Aber seine Show endet hier. Das war sein letzter Auftritt.“

Kleinlaut und fast schon bescheiden bittet Christian S. in seinen letzten Worten im Prozess: „Ich möchte Sie bitten, mich nicht zu verurteilen. Ich ziehe hier keine Show ab. Ich bin ein guter Mensch. Sollten Sie mich für unschuldig erklären, schwöre ich, dass ich keinen Drogensex mache.“

Zwar erfolgt der Freispruch nicht von allen Anklagepunkten, aber von den wesentlichen. Die Geschworenen sind sich einstimmig sicher, dass der Mann keinen Tötungsvorsatz hatte, ihm die Drogen nicht verabreicht hat. Er wird zu nicht rechtskräftigen sieben Jahren Haft wegen sexuellen Missbrauchs Wehrloser und Raubes verurteilt - einem zweiten Opfer stahl er Gold und Schmuck bei einem Sex-Date. Außerdem erfolgt die Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum. 

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