Glettler im Interview

„Wie feiern Sie heuer Weihnachten, Herr Bischof?“

Tirol
24.12.2022 18:00

Viele Themen bewegen die Kirche und die Gesellschaft, manches wühlt auf. Der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler ruft im großen „Krone“-Interview zu Sanftmut auf.

„Krone“: Wie bereiten Sie sich auf Weihnachten vor?
Bischof Glettler: Durch Interviews mit der „Krone“ (lacht). Im Ernst, durch Gespräche klärt sich auch für mich, ob die Botschaft frisch genug serviert wird. Leere Hülsen enttäuschen.

Was ist die frische Botschaft?
Gott hat die Einfachheit und Armut gewählt, um zu uns zu kommen - eine erfrischende Alternative zu dem, was in unseren Augen immer „perfekt“ sein muss. Ein starkes weihnachtliches Leitwort ist für mich heuer „Sanftmut“. Ja, wir brauchen genau diesen Mut, um in der allgemeinen Gereiztheit wieder menschlicher zu werden, geduldiger.

Was kann man einsamen Menschen zu Weihnachten mitgeben?
Einsamkeit können wir nur aufbrechen, indem wir ein paar Schritte zueinander wagen. Dann wird auch Gottes Ermutigung verständlich: „Fürchte dich nicht! Ich bin mit Dir.“ Und man sollte sich nicht durch Selbstmitleid in eine noch größere Einsamkeit manövrieren.

Wie feiern Sie heuer Weihnachten?
Am Nachmittag bin ich im Hospizhaus - immer berührend, so viel Schönheit und Zerbrechlichkeit des Lebens an einem Ort. Und abends besuche ich die Mentlvilla, das Haus der Caritas für Drogenkranke. Die Christmette feiere ich dann immer auswärts.

Zu Weihnachten entstehen oft Konflikte, wie kann man dem vorbeugen?
Mein Tipp: Den Abend etwas lockerer nehmen, nicht mit zu hohen Erwartungen überfrachten. Wichtig ist die Versöhnung, sonst wird das schönste Fest zum Krampf. Wenn nötig, einander um Vergebung bitten. Das Fest der Geburt Jesu verlangt keine familiäre Show. Etwas Stille tut allen gut.

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Wichtig ist, dass wir respektvoll mit Geflüchteten umgehen.

Bischof Hermann Glettler

Zu Weihnachten ist auch „Herberge“ ein Thema. Kann die Kirche Unterkünfte für Flüchtlinge bereitstellen?
Ja, wir setzen in den Pfarren und Ordenseinrichtungen alles in Bewegung, um Unterkünfte bereitzustellen. Aber es ist natürlich immer noch zu wenig. Die ganze Zivilgesellschaft ist gefragt. Wichtig ist, dass wir respektvoll mit Geflüchteten umgehen.

Die Kirche verliert laufend Mitglieder. Ist die Zeit für einen Wandel in der Kirche gekommen?
Wir sind mitten in Veränderungsprozessen. Für manche geht es zu langsam, für andere zu schnell. Weder eine Verklärung der Tradition noch ein unkontrolliertes Vorpreschen ist sinnvoll. Papst Franziskus hat uns alle zu einem „Synodalen Prozess“ eingeladen - ein aufmerksames Unterwegssein mit den Menschen. So kann sich Kirche erneuern.

Glauben Sie persönlich, dass es in den nächsten 100 Jahren römisch-katholische Priesterinnen geben wird?
Sie geben einen langen Zeitraum vor. Wichtig ist, dass wir jetzt tun, was möglich ist. Dazu gehört, noch mehr Frauen in kirchliche Führungspositionen zu bringen. Kirche lebt vom Engagement aller Gläubigen.

Die zuständige Tiroler Landesrätin Eva Pawlata von der SPÖ hat sich beim Thema Schwangerschaftsabbruch gegen kirchliche Beratung ausgesprochen – Sie fassten das als Affront auf. Warum?
Weil wir in ganz Österreich seitens der Kirche Familien- und Sozialberatungsstellen betreiben - an einigen Orten mit der Caritas auch spezielle Beratung für Schwangere, immer persönlich, professionell und ergebnisoffen. Das Angebot für einen Schwangerschaftsabbruch gehört in den Bereich der niedergelassenen Ärzte, aber nicht an eine öffentliche Krankenanstalt. Ein Abbruch ist keine Gesundheitsleistung.

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Oft braucht es auch nur ein Wort der Zuversicht und das Aufzeigen von konkreten Unterstützungsangeboten.

Bischof Hermann Glettler

Wenn Sie von einem „Lebensrecht des ungeborenen Menschen“ sprechen, ist die Beratung ergebnisoffen?
Gute Beratung versucht die Möglichkeiten der betroffenen Frau und ihres Umfelds in den Blick zu nehmen. Oft braucht es auch nur ein Wort der Zuversicht und das Aufzeigen von konkreten Unterstützungsangeboten. Ebenso wichtig ist die Frage, ob eine Frau in der Situation wirklich frei ist. Es gab im Sommer eine Studie aus Deutschland, bei der herauskam, dass ein Drittel der Frauen auf Druck von außen einer Abtreibung zugestimmt hat.

Wie ist das mit Fällen, wo Frauen ein Kind auf Druck von Dritten bekommen?
Die Formulierung finde ich eigenartig. Schwangerschaft ist doch grundsätzlich etwas Positives! Ich kenne so viele Paare, die sehnlichst auf ein Kind warten. In keinem Fall sollte ein Mangel an materieller Absicherung der Grund sein, dass man ein Kind nicht bekommen will. Das wäre ein Armutszeugnis für unsere Wohlstandsgesellschaft. Wichtig zu sagen ist mir auch, dass die Kirche in keinem Fall Frauen verurteilen möchte, die einen Abbruch hinter sich haben. Begleitung und Seelsorge stehen für uns an erster Stelle.

Themenwechsel. Haben Sie dieses Jahr auch wieder die Justizanstalt besucht?
Ja, selbstverständlich. Beim weihnachtlichen Gottesdienst gibt es immer starke Emotionen. Die Seelsorger in der Justizanstalt gaben mir auch das Feedback, dass nicht wenige Inhaftierte versuchen, einen neuen Weg für ihr Leben einzuschlagen. Viele verharren leider auch in einer aggressiven Haltung. Ich habe in der Predigt die Aufstehkraft der weihnachtlichen Botschaft betont. Gott schenkt dazu seine Herzensenergie.

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Vergebung ist möglich, wenn jemand die eigene Lieblosigkeit einsieht.

Bischof Hermann Glettler

Wie kann man mit Schuld umgehen?
Vergebung ist möglich, wenn jemand die eigene Lieblosigkeit einsieht. Leider wird Schuld oft verdrängt. Ganz grundsätzlich stellt sich immer die Frage, welchem Geist wir unser Herz öffnen. Geben wir dem Negativen in uns Raum, dem Geist der Verurteilung und des Hasses - oder der Aufmerksamkeit? Unser Herz ist in dieser Frage ganz besonders gefragt!

Sie sind künstlerisch tätig. Was gibt Ihnen die Kunst persönlich?
In der Kunst wird ähnlich wie in der Spiritualität das ganze Leben verhandelt. Gute Kunst lenkt den Blick auch auf die Verwundungen unserer Zeit. Wichtiger als meine eigene künstlerische Tätigkeit, für die ohnehin wenig Zeit bleibt, ist mir der Kontakt zu den Kulturschaffenden unserer Zeit. Wie in vielen anderen Fällen geht es um Begegnung und Vertrauen.

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