Angriffe auf Justiz

„Staatsanwälte wollen wieder in Ruhe arbeiten“

Steiermark
20.12.2022 06:30

Seit Dezember fungiert sie als stellvertretende Leiterin der Staatsanwaltschaft Graz: Die Grazer Staatsanwälte-Präsidentin Cornelia Koller im „Krone“-Gespräch über die Angriffe der ÖVP auf die Justiz und welche Maßnahmen nötig sind, damit ihre Kollegen aus dem Schussfeld geraten.

„Krone“: Frau Koller, Sie sind seit dem 1. Dezember stellvertretende Leiterin der Staatsanwaltschaft Graz (StA). Wie hat sich Ihr Aufgabenfeld seither verändert?
Ich finde die Arbeit als Staatsanwältin sehr, sehr spannend und habe sie bisher schon sehr gerne gemacht. Die neue Tätigkeit geht mehr in Richtung Mitarbeiterführung und Management. Mitarbeiterführung ist ein ganz wichtiges Thema in allen beruflichen Bereichen - mein Ziel ist es, mich in diesem Bereich gut einzubringen.

Wie viele Fälle hat die Staatsanwaltschaft Graz heuer behandelt?
Österreichweit sind es im Schnitt 465.000 Fälle, die die Staatsanwaltschaften pro Jahr abwickeln.

Steigt diese Zahl?
Die Schwierigkeit ist nicht die, dass die Fälle immer mehr werden, sondern dass sie immer intensiver werden. Beispiele sind Betrügereien. Hier hatte man den Fall früher in einem kleinen, örtlichen Gebiet. Mittlerweile verlagert sich fast alles ins Internet - Stichwort Cybercrime. Die Täter sitzen nicht mehr in der Steiermark, nicht einmal mehr in Europa, sondern in Afrika oder Asien. Und das macht die Ermittlungen viel komplexer. Dazu kommt, dass die Datenmengen immer größer werden. Das heißt, es gibt viel mehr Beweismittel.

Braucht es also mehr Staatsanwälte?
Ja. Auch wenn sich die Personalsituation in den letzten Jahren gebessert hat, brauchen wir mehr Ressourcen. Das betrifft zum einen den Bereich Cybercrime, zum anderen möchten wir die Verfahrensdauer bei großen Wirtschaftsfällen reduzieren.

Staatsanwälte sind immer wieder Angriffen seitens der Politik ausgesetzt. Wie gehen Sie damit um?
Wir versuchen das, so weit wie möglich, nicht an uns herankommen zu lassen, weil wir wissen, dass wir anders sind. Wir sind als Richter ausgebildet und haben gelernt, objektiv zu entscheiden und sämtliche Einflüsse draußen zu lassen. Deshalb tun uns die Vorwürfe der Politik auch so weh.

Was muss sich ändern, dass die Justiz wieder befreiter arbeiten kann?
Ganz wichtig ist eine klare Trennung zwischen Justiz und Politik. Genau darum geht es auch in der Diskussion um die Neugestaltung unserer Weisungsspitze.

Zitat Icon

Die Justizministerin ist unsere Weisungsspitze. Rein theoretisch hätte sie in jedem Fall die Möglichkeit, die Weisung zu geben: anklagen oder einstellen. Allein diese Möglichkeit schadet unserem Ansehen.

Cornelia Koller

Wie sieht diese aus?
Die Justizministerin ist unsere Weisungsspitze. Rein theoretisch hätte sie in jedem Fall die Möglichkeit, die Weisung zu geben: anklagen oder einstellen. Allein diese Möglichkeit schadet unserem Ansehen, weil wir immer in das politische Schussfeld geraten.

Was wäre Ihr Vorschlag?
Die Weisungsspitze soll zu einer eigenen, unabhängigen Behörde wandern. Wir haben dafür die Generalprokuratur vorgeschlagen.

Die Politik büßt Woche für Woche an Vertrauen in der Bevölkerung ein. Inwiefern hat das Ihrer Meinung nach mit den zahlreichen Untersuchungsausschüssen und Korruptionsermittlungen zu tun?
In letzter Zeit hat sich gezeigt, dass sich Untersuchungsausschüsse und Strafverfahren immer wieder in die Quere kommen. Wir müssen schauen, dass jede dieser Institutionen ihre Aufgabe erfüllen kann, auch durch gute Kommunikation, ohne sich gegenseitig zu blockieren.

Gehören Drohungen zum Berufsalltag?
Es kommt nicht alles aus der Politik. Es gibt auch Kolleginnen und Kollegen, die anonymen Drohungen ausgesetzt sind. Vor allem jene, die im Bereich Verfassungsschutz und Terrorismus arbeiten.

Was wünschen Sie sich für die österreichische Justiz im Jahr 2023?
Natürlich wünsche ich mir mehr budgetäre Ressourcen. Aber ich wünsche mir auch, dass wir wieder in Ruhe arbeiten können, und dass alle Staatsinstitutionen den nötigen Respekt im Umgang miteinander haben.

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