Coole Religionslehrer

„Altbacken und verstaubt? Wir sicher nicht!“

Burgenland
18.09.2022 10:01

Im Burgenland wird händeringend nach Religionslehrern gesucht. Und tatsächlich entscheiden sich immer mehr junge Erwachsene und dynamische Quereinsteiger für diesen Beruf.

Hipster-Bart, Männerdutt mit Undercut, dazu ein lässiges Karohemd und Lederboots: Wer Robert Ruzsa (36) zum ersten Mal gegenübersteht, würde nie vermuten, dass er katholische Religion unterrichtet. Allein mit seiner Optik trotzt der Oberwarter dem Klischee, dass Religionslehrer durch die Bank „graue Eminenzen“ sind. „Das Staunen der Schüler ist groß, wenn ich zum ersten Mal das Klassenzimmer betrete. Die meisten sitzen mit offenen Mündern da und kriegen kein Wort heraus. Man sieht ihnen an, dass mein Auftreten sie überrascht. Doch meine Präsenz macht sie auch neugierig. Sie wollen wissen: Wer ist dieser Typ da vorn, der uns von Jesus erzählen will?“, schildert Ruzsa und lacht.

Abwechslungsreiche Stunden
In diesem Schuljahr lehrt er gleich an zwei Schulen: an der Mittelschule Pinkafeld und am BG/BRG/BORG Oberpullendorf. Dort ist er bereits das dritte Jahr im Einsatz. „Ich unterrichte neun Klassen von der ersten bis zur achten Schulstufe“, sagt er. Um den Unterricht ansprechend zu gestalten, spielt er mit den jüngeren gern das Bibelstellen-Quiz. Die Älteren lässt er, wie einst beim Zweiten Vatikanischen Konzil, Kirchenreformen erarbeiten.

„Die meisten Jugendlichen wünschen sich zeitgemäße Adaptierungen: Die sakrale Musik in der Heiligen Messe soll durch Pop-Rock ersetzt werden. Frauen sollen Priesterinnen werden können. Der Zölibat soll aufgehoben werden und homosexuelle Paare endlich auch kirchlich heiraten dürfen.“ Doch auch die großen Fragen des Lebens, etwa nach dem Sinn der eigenen Existenz, werden lebensnah diskutiert - was dazu beitrage, dass sich die Burschen und Mädchen auch Gedanken über den Umgang mit der Schöpfung machten.

Vom Telefonist und Küchengehilfen zum Lehrer
Aber wie kam‘s dazu, dass Ruzsa Religionslehrer wurde? Schließlich studierte er nach dem Zivildienst dies und das und verdiente als Callcenter-Telefonist, Küchengehilfe und Kinderbetreuer in einem Hotel seine Brötchen. „Ich wollte schon als Kind Lehrer werden. Ein Reli-Lehrer in der HAK imponierte mir besonders. Er hatte kein Problem damit, wenn wir Jugendlichen aufmüpfig behaupteten, an nichts zu glauben. Wir mussten nur begründen können, warum das so ist. Damit lockte er uns aus der Reserve. Diesen Weitblick und diese Meinungsfreiheit forciere ich nun auch bei meinen Schülern.“

Raus aus dem Schubladendenken
Auch „Novizin“ Selina Kroyer (20) legt großen Wert auf Offenheit. Die Trausdorferin unterrichtet seit kurzem vier Religionsklassen an der Volksschule in Eisenstadt und absolviert eine Zusatzausbildung, damit sie auch höhere Klassen in Religion unterrichten darf: „Viele Leute, die ich beim Ausgehen kennenlerne, können nicht glauben, dass ich Reli-Lehrerin bin.“

Zitat Icon

Die meisten denken in Schubladen und können sich nicht vorstellen, dass Spiritualität auch zum modernen Lifestyle passt

sagt die 20-jährige Religionslehrerin Selina Kroyer

Um ihren Schülern Religion näher zu bringen, stellt sie Alltagsbezüge her: „In der Stunde vorhin habe ich Gott mit einem Schirm verglichen, der wie ein Regen- oder Sonnenschirm Schutz bietet. Damit können die Kids sofort etwas anfangen.“ Inzwischen wüssten sie auch, dass Gott kein alter bärtiger Mann sei, der auf einer Wolke sitze, sondern in uns allen wohne und zuhöre - wie ein Freund oder Ersatzvater, an den man sich jederzeit wenden könne: „Die Verbundenheit, die durch dieses ganz persönliche stille Zwiegespräch entsteht, gibt schon den Kleinsten Halt im Leben. So sehen sie, dass man auf viele verschiedene Weisen beten kann. Egal ob man die Hände faltet, meditiert oder singt: entscheidend ist, dass man ganz im Moment ist.“

AUCH SIE HABEN SICH ENTSCHIEDEN, RELIGIONSLEHRERINNEN ZU WERDEN:

Christina Laferl (28): „Die Kinder lernen in einer geschützten Atmosphäre, sich selbst wahrzunehmen“
Die Niederösterreicherin, sie stammt aus der Gemeinde „Hohe Wand“, ist klassenführende Lehrerin einer ersten Klasse Volksschule und besucht aktuell an der Privaten Pädagogischen Hochschule Burgenland den „Hochschullehrgang zur Erlangung der außerordentlichen Befähigung zur Erteilung des katholischen Religionsunterrichts“. Mit diesem Schuljahr lehrt sie auch Religion: „Ich biete den Kindern die Möglichkeit, sich in einer geschützten Atmosphäre selbst wahrzunehmen und sich in ihrer Persönlichkeit kennenzulernen. Sie können sich zu verschiedenen Themen Gedanken machen und diesen Gedanken freien Lauf lassen. Dadurch wird Persönlichkeitsbildung möglich, die auch auf das Leben vorbereitet. Beim Eintauchen in die Bibel dürfen auch Bedenken ausgesprochen werden.“

Elisabeth Marchhart (18): „Ich will den Schülern zeigen, dass Leben und Glaube zusammengehören“
Die Neudörflerin studiert ab Oktober Deutsch, Geografie und Religion: „Auch meine Mama ist Religionslehrerin und Pastoralassistentin. Papa und sie haben meinem Bruder und mir den Glauben aktiv vorgelebt. Daher fühle ich mich mit Religion immer schon sehr verbunden. Dieses Gefühl will ich jungen Menschen weitergeben, weil ich finde, dass Glaube eine Bereicherung ist.“ Seit vier Jahren leitet Marchhart die Jungschargruppe in ihrer Pfarre, außerdem ist sie Jugendvertreterin im Pfarrgemeinderat. Demnächst startet sie mit Freundinnen einen Kinder- und Jugendchor, übernimmt die Leitung der Ministrantenbetreuung und hilft bei der Firmvorbereitung mit. Auch als Religionslehrerin will sie für die Kinder und Jugendlichen nahbar bleiben: „Viele sehen mich als Vorbild und als Freundin, weil ich nicht viel älter bin als sie. So kann ich mich gut in ihre Lage hineinversetzen und habe einen sehr guten Zugang zu ihnen.“

„WIR SUCHEN HÄNDERINGEND NACH RELIGIONSLEHRERN!“
Andrea Berger-Gruber ist Schulamtsleiterin und Direktorin am Diözesanen Gymnasium Wolfgarten in Eisenstadt. Harald Mandl leitet das Institut für Religionspädagogik und Diversität an der „Privaten Pädagogischen Hochschule Burgenland“. Im „Krone“-Interview sprechen sie über Studierende, die bereits lehren dürfen - und über Religionsstunden am Puls der Zeit.

Wie viele Lehrer unterrichten derzeit Religion an burgenländischen Schulen?
Berger-Gruber: Insgesamt sind es 204 Lehrer. Neun sind in den Ruhestand getreten, zwei weitere folgen demnächst. Dem gegenüber stehen sechs Religionslehrer - vier Frauen, zwei Männer - die ihr erstes Unterrichtsjahr absolvieren. Ihr Durchschnittsalter: 25 Jahre. Aufgrund des Religionslehrermangels dürfen auch Studierende im Ausmaß von acht Stunden unterrichten. Diese Möglichkeit nehmen aktuell 15 Studenten wahr. Der Großteil ist gut ins Kollegium integriert und engagiert sich sehr.

Gibt es auch Quereinsteiger?
Mandl: Ja, die Zahl der Quereinsteiger nimmt zu! Viele überlegen den Beruf Religionslehrer zu ergreifen. Allerdings gibt es die Ausbildung nur mehr in Kombination mit der Vollausbildung zum Volksschullehrer. Das schreckt viele ab. Dafür kann man an der Privaten Pädagogischen Hochschule Burgenland in Kooperation mit der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Augustinum und der Karl-Franzens-Universität in Graz Religion für die Volksschule zu 100 Prozent in Eisenstadt studieren. Niemand muss für Religion in die Steiermark pendeln.

Wie wird Religion heute unterrichtet?
Berger-Gruber: Am Puls der Zeit. Außerdem stehen die Schülerpersönlichkeiten im Zentrum.
Mandl: Die Kinder werden daher beim Entwickeln und Beantworten ihrer Identität und Weltanschauungen begleitet.

Wie viele Kinder haben sich zuletzt vom Religionsunterricht abgemeldet?
Berger-Gruber: 5,6 Prozent. Im Jahr davor waren es 5,1 Prozent. Die Einführung des Ethikunterrichts könnte ein Grund dafür sein.

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