Obdachlos in Graz

„Ob Sonne oder Regen – ich habe keine Wahl“

Steiermark
29.07.2022 06:00

Beton und kaum Schatten: Hitze in Städten ist besonders für Menschen ohne Dach über dem Kopf fatal. Wir sprachen mit einem Betroffenen.

„Ich wandere von einem Ort zum anderen“, erzählt uns Trifan Julian Emil von einem seiner Tage im Sommer, „damit ich es in meinem Kopf aushalte“. Der Rumäne verlässt um 7 Uhr früh das VinziNest, wo er meist ein Bett für die Nacht findet. Tagsüber hat die Grazer Notschlafstelle erst wieder ab 15 Uhr geöffnet, manchmal erledigt er bis dahin kleine Hilfsjobs, die ein paar Euro abwerfen. Wie es so weit kam? „Meine Mutter starb an Krebs, ich wurde depressiv, und meine Beziehung ging in die Brüche. Mit meinem Vater und Bruder gab es Probleme - ich musste gehen“, erzählt der Mann in Kürze seinen tragischen Absturz.

Ob die immer länger andauernde Hitze oder die heftigen Stürme zu dieser Jahreszeit für ihn besonders belastend sind? „Egal ob Sonne oder Regen, ich muss mich ständig anpassen. Ich habe gar keine andere Wahl.“ Zwei Herzanfälle hat der 46-Jährige schon hinter sich, „auch die Lunge macht mir Probleme„“ Die Hitze kommt erschwerend hinzu. Ob Trifan Angst hat zu sterben? Er schüttelt den Kopf.

Hitze und volle Betten künftig stärker Thema

Schwerere gesundheitliche Folgen durch Hitze davonzutragen ist für wohnungs- oder obdachlose Personen nochmals risikoreicher, weiß Amrita Böker von den VinziWerken. Künftig wünscht sich die Leiterin, dass diese Menschen tagsüber einen Platz finden, der Schutz bietet: „Tageszentren wären eine Lösung.“ Die Stadt Graz sei bereits gemeinsam mit dem Sozialamt auf der Suche nach einer zentral gelegenen Immobilie, so Bürgermeisterin Elke Kahr. Das vorhandene in der Messnergasse ist derzeit nur bis Ende April offen. Auch im Sommer dürfte der Bedarf bald außer Frage stehen, befürchtet Böker: „Das Thema wird uns angesichts des Klimawandels sicher auch zukünftig begleiten.“

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Steigende Temperaturen und Unwetter sind Herausforderungen für uns. Gerade für ältere Personen und solche mit Erkrankungen wird das zur Belastung.

Stefan Bottler-Hofer leitet Arche38 und Haus Franziskus

Diese Einschätzung teilt auch Stefan Bottler-Hofer, Leiter mehrerer steirischer Caritas-Notschlafstellen - auch wenn Kälte die lebensbedrohlichere Situation sei. Was aus seiner Sicht mittlerweile dringend notwendig ist: „Eine Klimatisierung in den Nächtigungsbereichen.“ 37 Grad am Eggenberger Gürtel belaste Bewohner von Mehrbettzimmern massiv. Die seien derzeit auch fast voll, das einstige „Sommerloch“ ist schon seit Jahren Geschichte: „So wie sonst sind wir zu 90 Prozent ausgelastet.“ Er vermutet Migrationswellen sowie die psychische Belastung der Corona-Pandemie dahinter. Auch Teuerungen werden sich künftig niederschlagen.

Und Trifan? Sein körperlicher Zustand macht ihm zwar zu schaffen, beschäftigt ihn aber nur zweitrangig. Für das Begräbnis seines Vaters wird er seinen allerletzten Cent brauchen - trotz eines Betts im VinziNest findet er daher keinen Schlaf.

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