Überall Personalmangel

„Firmen müssen sich bei Mitarbeitern bewerben“

Steiermark
18.07.2022 13:35

Wer berufstätig ist, kann sich immer öfter den Arbeitgeber aussuchen - und nicht umgekehrt. Von einer Zeitenwende am Arbeitsmarkt ist die Rede, alle Firmen suchen händeringend nach Mitarbeitern. Was dahinter steckt und was uns noch erwartet.

Auf den Leuchtschriften der Grazer Linienbusse wird seit Kurzem um neue Fahrer geworben. Restaurants schränken ihre Öffnungszeiten ein. Pfleger, Ärztinnen, Lehrer, Handwerker, Kindergartenpädagoginnen - überall herrscht ein Mangel, die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Das wirft Fragen auf. Die „Krone“ versucht, gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice (AMS), einige wichtige zu beantworten.

Überall fehlt Personal. Wo sind all die Mitarbeiter, die nun gesucht werden?
Kurz gesagt: Sie arbeiten! Vor fünf Jahren, im Mai 2017, gab es 509.000 unselbstständig Beschäftigte in der Steiermark, heuer waren es schon 547.500 - ein Rekordwert, und das bei gleichzeitig sehr niedriger Arbeitslosigkeit nahe der Vollbeschäftigung. Die boomende Wirtschaft brauche einfach immer mehr Mitarbeiter, erklärte der AMS-Österreich-Vorstand Johannes Kopf vor Kurzem in einem Radiointerview.

Fakten

  • 4,3 Prozent: So niedrig war die Arbeitslosenquote Ende Juni in der Steiermark. In einigen Regionen, zum Beispiel rund um Weiz, ist die Vollbeschäftigung längst erreicht.
  • 20.721 offene Stellen waren Ende Juni beim steirischen AMS gemeldet - alleine im Juni kamen 7392 dazu. Das ist ein Rekordniveau! Daten des Wirtschaftsbundes zeigen übrigens regelmäßig noch viel höhere Werte bei offenen Stellen.

Trifft das auf sämtliche Branchen zu?
Mit einigen wenigen Ausnahmen ja, wie die steirischen Vergleichsdaten von 2017 und 2022 zeigen. Sogar im Bereich „Beherbergung und Gastronomie“ arbeiten derzeit mit 25.200 Personen um sieben Prozent mehr als vor fünf Jahren! In der Industrie („Herstellung von Waren“) beträgt das Plus 11,6%. Einen 20-prozentigen Anstieg gibt es im Gesundheits- und Sozialwesen, gar 35% sind es im IT-lastigen Bereich „Information und Kommunikation“!

Wo ist derzeit der Personalbedarf in der Steiermark am höchsten?
Die Zahlen der beim AMS gemeldeten offenen Stellen spiegeln nicht die gesamte Realität wider, weil nicht alle Firmen dort ihre Wünsche deponieren - ein guter Indikator sind sie trotzdem. Alleine 7000 offene Stellen sind es im Personalleasingbereich, mehr als 3000 im Bereich „Handel und Kfz-Reparatur“, zudem sind über 2000 Hotel- und Gastrostellen unbesetzt.

AMS-Landesgeschäftsführer Karl-Heinz Snobe sprach zuletzt von einer Zeitenwende am Arbeitsmarkt. Ist das Tempo der aktuellen Entwicklung überraschend?
„Mit der Dimension und der Geschwindigkeit des wirtschaftlichen Aufschwungs, der vor einem guten Jahr einsetzte, konnte man nicht wirklich rechnen“, so Snobe zur „Krone“. Aber bereits von 2016 bis 2019 sei die Arbeitslosigkeit in der Steiermark um 10.000 Personen gesunken (siehe Grafik). „Wir haben damals immer wieder auf die demografische Entwicklung und ihre Gefahren hingewiesen und erklärt, dass das Vermittlungspotenzial in unserem Bundesland stark zurückgehen wird.“ Corona hat das mehr als ein Jahr lang überdeckt, nun schlägt die Entwicklung voll durch.

Wird sich diese Entwicklung weiter beschleunigen?
Das glaubt Snobe nicht, „aber der Arbeitskräftemangel wird uns lange erhalten bleiben, weil der demografische Wandel erst voll einsetzen wird“. Die „Babyboomer“-Generation geht jetzt in Pension, und es kommen viel weniger Junge auf den Arbeitsmarkt nach.

Was bedeutet das für die Unternehmen?
„Betriebe müssen sich zunehmend darauf einstellen, dass nicht mehr sie unter Dutzenden oder Hunderten Bewerbern auswählen können, sondern im Gegensatz dazu sie sich bei potenziellen Mitarbeitern bewerben müssen“, prognostiziert Snobe. Da spielt das Gehalt ebenso eine Rolle wie die Arbeitszeit (auch immer mehr Männer drängen in Teilzeit), die berühmte Work-Life-Balance und generell das Thema Wertschätzung.

Und wie kann es gelingen, dass mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen?
Großes Potenzial sieht Snobe in einer längeren Beschäftigung älterer Personen und in einer erhöhten Erwerbsbeteiligung von Frauen (ausreichend Kinderbetreuungsangebote vorausgesetzt). Ebenso entscheidend: die Qualifizierung arbeitsuchender Personen für nachgefragte Berufe und Branchen, eine bessere Berufsorientierung von Jugendlichen sowie eine qualifizierte Zuwanderung - „verbunden mit einer entsprechenden Willkommenskultur“.

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