Mord und Suizid

Tirol: Hat jugendliches Alter zur Tat beigetragen?

Tirol
04.06.2022 12:00

Fürchterliche Szenen vor wenigen Tagen in Tirol: Ein 18-Jähriger springt in den Tod, seine Freundin (17) liegt erstochen im Auto. Das jugendliche Alter der beiden macht die Tat besonders tragisch.

So traurig es ist – wenn eine Frau in Österreich ermordet wird, erfolgt dies meist nach demselben Schema: Der Täter ist so gut wie immer der Partner oder Ex-Partner. Die Frau wollte sich so gut wie immer trennen oder hat sich bereits getrennt. Doch lässt Gerichtspsychiater Reinhard Haller zum Mord der 17-Jährigen mit anschließendem Selbstmord des mutmaßlichen 18-jährigen Täters aufhorchen: „Das ist kein klassischer Femizid.“ In diesem Alter seien die Emotionen besonders stark, zum Beispiel, wenn man das erste Mal richtig verliebt sei. Das trage dazu bei, dass es zu solchen Tragödien kommen kann.

„Die Impulsivität ist bei Jugendlichen erhöht“
Die „Krone“ will es genau wissen und fragt bei Kathrin Sevecke, Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie Hall und Innsbruck sowie forensische Sachverständige für Kinder und Jugendliche mit Lehrstuhl an der MUI Innsbruck, nach. Inwiefern unterscheidet sich das jugendliche vom erwachsenen Gehirn?

„Das Gehirn wird im jugendlichen Alter noch einmal komplett umgebaut. Die Gehirnreifung zieht sich bis ins Erwachsenenalter hinein. Auch die Persönlichkeit reift. Es gibt bestimmte Charakterzüge wie etwa Zwanghaftigkeit oder Ängstlichkeit - die sind eher stabil -, aber andere Persönlichkeitszüge verändern sich ein ganzes Leben lang.“ Sie kann auch bestätigen, dass die Impulsivität bei Jugendlichen erhöht ist - die Fähigkeit sich zu kontrollieren, muss erst gefestigt werden.

„Ist ein Unterschied, ob ich schreie oder morde“
„Es ist aber ein Unterschied, ob jemand wegen seiner Emotionen schreit oder jemanden umbringt. Es gibt Ausnahmen, wie den Wahn, wo jemand glaubt, dass es sich bei einer Person um einen Dämon handelt. Aber es gibt ein wachsendes Bewusstsein für Moral, das gegensteuert bzw. hemmt, andere zu verletzen oder zu töten. Mit 18 Jahren, selbst mit 14 Jahren ist man in der moralischen Entwicklung normalerweise soweit gereift, dass man weiß, dass man keinen umbringen darf. Kinder ab drei Jahren können bereits begreifen, dass sie niemanden schlagen dürfen. Bei dieser Tat wissen wir, dass sich die 17-Jährige trennen wollte. Der Mord kann keinesfalls durch eine erhöhte Impulsivität im Jugendalter gerechtfertigt werden.“

Suizidgedanken sind ernst zu nehmen
Und doch scheinen viele Jugendliche besonders starke Emotionen zu haben. So ist Suizid bei Jugendlichen die zweithäufigste Todesursache. Doch „die Regel“ ist so etwas nicht: „Der pubertierende Jugendliche fühlt sich einmal ungeliebt, hat aber keine drängenden Selbstmordgedanken, also hat nicht wirklich den konkreten Plan, sich umzubringen. Wenn Jugendliche Suizidgedanken äußern, ist das auf jeden Fall ernst zu nehmen. Falls das in der Umgebung entdeckt wird, sollte man sofort Hilfe und Unterstützung suchen“, schildert die Ärztin. Sevecke plädiert außerdem für deutlich mehr Schulpsychologie und Präventionsmaßnahmen.

Falls jemand in Ihrer Umgebung von Suizidgedanken betroffen ist, hier gibt es Hilfe:

  • 142 (Telefonseelsorge)
  • 147 (Rat auf Draht)
  • 050504 33836 (Kinder- und Jugendpsychiatrie Hall)
  • 0800 400 120 (Psychosozialer Krisendienst)
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