Nicht nur seit Fukushima ist der Import von Atomstrom in Österreich ein sensibles Thema - aber vor allem seit dem japanischen AKW-Unfall. Das beweist auch das Ergebnis einer neuen Umfrage von Greenpeace und Global 2000, wonach den Österreichern eine atomstromfreie Energiewirtschaft derart wichtig ist, dass sie sogar bereit wären, dafür höhere Strompreise zu zahlen.
Das Klima ist so aufgeheizt, dass sich kurz vor dem Gipfeltreffen der Regierung am Freitag die wenigsten Energiefachleute namentlich zitieren lassen wollen. Gleichwohl geben sie klar zu verstehen, dass die ihren Ansichten entsprechende Realität in Sachen Atomstrom vielen nicht bewusst sei - und vielleicht auch nicht die nötigen Anstrengungen für ein atomstromfreies Österreich.
Jetzt auf der Stelle möglich sei nur eine Halbierung des heute bei fünf bis sechs Prozent liegenden Atomanteils, meint E-Control-Chef Graf. An jedem einzelnen Tag im Jahr "atomfrei" sein könne man hingegen nicht vor dem Jahr 2020 - aktuell fällt bei den Regierungsparteien allerdings immer wieder das Jahr 2015.
Der Strommarkt ist ständig in Bewegung
Warum ist das so schwierig, ein relativ kleines Land atomstromfrei zu bekommen? Nun ja, für eine flächendeckende Stromversorgung reicht es nicht, einfach quer übers Land verteilt Kraftwerke hinzustellen. Es gibt Spitzen- und Niedrigverbrauchszeiten, auch saisonal sind die Unterschiede extrem hoch, weswegen europaweit ständig Strom im- und exportiert wird. Im gesamten Vorjahr hat Österreich bei rund 64 Terawattstunden Inlandsverbrauch etwa 17,4 TWh Strom exportiert und 19,7 TWh importiert, allerdings mit erheblichen jahreszeitlichen und auch Tagesschwankungen.
Da von den gesamten Einfuhren laut europäischem Strom-Mix ENTSO-E rund 26 bis 27 Prozent Atomstrom sind, könne man die geschätzt vier TWh Nuklearanteil nicht, wie von manchen behauptet, einfach mit einer Mehrproduktion von 3,5 TWh bis 2015 auf null drücken, meint Ernst Brandstetter, Sprecher von "Oesterreichs Energie", der Interessenvertretung der heimischen E-Wirtschaft.
Energie-Control-Vorstand Graf geht sogar davon aus, das selbst durch den kompletten Atomausstieg unseres Nachbarlandes Deutschland, der für 2022 geplant ist, der Atom-Anteil im ENTSO-E dann auf lediglich 22 Prozent sinken wird. Bezogen auf die gegenwärtig 17,5 Prozent Strom unbekannter Herkunft in Österreich könnte dies laut Graf auch dann noch immer 3,5 bis vier Prozent Nuklearanteil in den österreichischen Netzen bedeuten.
"Dazwischen drängt immer noch Atomstrom herein"
Und selbst wenn die Ökostromgesetz-Möglichkeiten maximal ausgeschöpft werden, könne der "Atomanteil" für die heimischen Endkunden nur rein rechnerisch auf null gesenkt werden, nicht aber faktisch. Denn es gebe weiterhin die saisonalen und Tagesschwankungen, so Graf. Uach wenn Österreich in einem gesamten Jahr einen Exportüberschuss bei Strom erzielt, "drängt dazwischen doch immer wieder Atomstrom herein". Dies zeige der tatsächliche Stromfluss in den Netzen zu den verschiedenen Tages- und Jahreszeiten sehr deutlich.
Im Vorjahr führte Österreich nur in fünf Monaten mehr Elektrizität aus als ein, in sieben Monaten (Oktober bis April) überwogen dagegen die Importe - wie jeden Winter. Abhängig sind solche saisonalen Unterschiede stark von der Wasserkraft; vor allem Laufkraftwerke kommen dann nur sehr eingeschränkt zum Einsatz. Doch auch die Speicherkraftwerke liefern im Winter weniger Strom.
Österreich müsste wieder Nettoexporteur werden
Aus E-Control-Sicht kann der Atomstromanteil nur dann nachhaltig gesenkt werden, wenn Österreich zu seiner früheren Rolle als Nettoexporteur zurückkehrt, wie dies bis vor einem Jahrzehnt der Fall war. Dies erfordere deutliche Zuwächse bei der Stromerzeugung, mit erneuerbarer, aber auch konventioneller Energie.
Die Auswirkungen auf die Konsumenten sind aber unklar. Zum Beispiel erklärt Graf, dass wenn die Strompreise im Vergleich zu den Kosten für Erdgas wieder steigen, die thermischen Anlagen in Österreich wieder besser genutzt werden könnten. Aber auch durch mehr Energieeffizienz, wie sie die neue EU-Richtlinie vorsehe, sowie durch Smart Metering (Intelligente Stromzähler) könne der Verbrauch gesenkt werden. Genauere Stromherkunftskennzeichnung könne auch auf den Stromhandel Druck ausüben. Die Netzbetreiber dagegen könnten gar keinen Einfluss auf die Stromherkunft nehmen.
Energiewirtschaft fordert "nationalen Schulterschluss"
Am Freitag beim Energiegipfel der Regierung wird "Oesterreichs Energie", die Interessenvertretung der heimischen E-Wirtschaft, ein Fünf-Punkte-Programm vorlegen, kündigte deren Sprecher an. Darin wird ein "nationaler Schulterschluss" zwischen Strombranche und Politik verlangt, um eine "Energie-Roadmap" für die Zukunft umsetzen zu können - inklusive mehr Energieeffizienz und Verbrauchssenkungen.
Weiters wird die Umsetzung der Energiestrategie und ihrer Potenziale verlangt - das zielt etwa auf verstärkten Stromeinsatz bei Verkehr und Heizung ab -, eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und eine Kostentransparenz: Den Kunden müsse auf der Rechnung gezeigt werden, was er wofür zu zahlen habe, so das Argument. Und außerdem wünscht sich "Oesterreichs Energie" von der Politik mehr Aufklärung und Information der Bevölkerung.
Umweltschützer: "Inhaltsleere Nebelgranaten"
Greenpeace und GLOBAL 2000 reagierten am Mittwoch mit scharfer Kritik auf die Aussagen: "Die Elektrizitätswirtschaft behauptet, dass es - solange irgendwo in Europa ein Kernkraftwerk läuft - auch Atomstrom in Österreich geben würde. Entscheidend ist aber vielmehr, ob direkt oder indirekt Strom von AKW-Betreibern gekauft wird. Und das kann sowohl rechtlich als auch durch eine entsprechende Unternehmenspolitik geregelt werden."
Die Umweltschützer orten außerdem Ausbaupläne der Stromwirtschaft (Stichwort: Gaskraftwerke) durch die Hintertür. "Das Ziel der Stromkonzerne ist offensichtlich, ein Atomstromimport-Verbot zu verhindern, gleichzeitig aber auf dem Rücken der Anti-Atom-Welle ein Ausbauprogramm von kalorischen Kraftwerken zu rechtfertigen", meint Greenpeace-Chef Alexander Egit. Zwei Tage vor dem Anti-Atomstrom-Gipfel solle die österreichische Elektrizitätswirtschaft jetzt ihren Teil der Verantwortung übernehmen, statt inhaltsleere Nebelgranaten zu werfen. Der Gipfel werde aus Sicht der Umweltschützer nur dann ein Erfolg, wenn eine lückenlose Regelung gegen den Import von Atomstrom erreicht wird.
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