Seit 100 Jahren

Genbank bewahrt die ältesten Kulturpflanzen Tirols

Tirol
29.04.2022 19:00

Was haben die Stadt St. Petersburg und Tirol gemeinsam? Sie verfügen über die weltweit ältesten Genbanken für Pflanzen. Die Tiroler Sammlung feiert heuer 100-Jahr-Jubiläum. Getreide, Äpfel oder Kartoffeln: Die alten Landsorten haben Lösungen für die Probleme der Zukunft. 

Die Fisser Gerste (Tiroler Imperial), der Tiroler Sommerroggen, die Rotholzer Sommerkochbohne – alte Landsorten, die einst die Ernährung der heimischen Bevölkerung sicherstellten. Robuste Pflanzen, die seit ein paar Jahren wieder hoch im Kurs stehen. Aus ihnen wird Bier gebraut, Brot gebacken, hippes Veggie-Food gekocht.

Der Grundstein wurde vor 100 Jahren gelegt
Die Renaissance der alten Sorten ist jedoch nur möglich, weil vor 100 Jahren der Grundstein für eine außergewöhnliche Sammlung gelegt wurde: die Tiroler Genbank. 1922 dokumentiert der Agrarwissenschaftler Erwin Mayr für seine Doktorarbeit die ersten alpinen Getreidelandsorten. So fing alles an. Als NSDAP-Mitglied erhielt der gebürtige Salzburger Mayr ab 1938 die Möglichkeit, Pflanzenzuchtfelder im Gau Tirol und Vorarlberg anzulegen. Die Nationalsozialisten wollten bei der „Volksernährung“ unabhängig von anderen Ländern sein. Auch nach dem Krieg sammelte Mayr im Auftrag des Landes weiter und bewahrte so die genetischen Daten von Pflanzen, die ab den 1950er Jahren in rasanter Geschwindigkeit von neuen Züchtungen für die Massenproduktion verdrängt wurden.

Ideale Anpassung an den alpinen Lebensraum
100 Jahre Tiroler Genbank, eine Schatztruhe, in der heute mehr als 1000 Saatgutproben von 35 verschiedenen alten Pflanzenarten bewahrt werden. „Neben Getreide auch Mais, Äpfel, Bohnen oder Kraut“, zählt Agrar-Landesrat Josef Geisler (ÖVP) einige Beispiele auf. Der historische Wert ist verbrieft: so wurde der Tiroler Kolbendinkel 1909 auf der Wiener Getreidebörse gehandelt. Der aktuelle Wert liege vor allem in der exzellenten Anpassungsfähigkeit im alpinen Lebensraum. Stichwort: Klimawandel.

„Es sind robuste Sorten, die gute Resistenzen gegen Krankheiten und Schädlinge aufweisen“, sagt Geisler. Christian Partl, der die Genbank seit 2004 leitet, kennt aber auch die Schwächen der Oldies, die sie in Vergessenheit geraten ließen: „Alte Getreidesorten werfen einen Hektar-Ertrag von 800 bis 1000 Kilogramm ab. Heutige Sorten liefern hingegen bis zu zwölf Tonnen.“

Heikle Lagerung bei minus 16 Grad Celsius
Die Lagerung ist ein heikles Unterfangen. „Keimfähiges Getreide wird luftdicht bei minus 16 Grad aufbewahrt, rund ein Kilo mit 20.000 Samen pro Sorte“, beschreibt Partl das System. Es gibt mehrere Lagerstätten in und außerhalb von Tirol. Alle paar Jahre werden die alten Sorten auf Versuchsfeldern angepflanzt. Eine Frischzellenkur für das Genmaterial, damit es auch die nächsten hundert Jahre übersteht.

Wanderausstellung startet im Volkskunstmuseum
Im Volkskunstmuseum in Innsbruck wurde am Donnerstag eine kleine Ausstellung zum 100-Jahr-Jubiläum eröffnet. Sie wird in der Folge durch Tirol touren. Museumsdirektor Peter Assmann sieht Parallelen zwischen den „Diversitätssammlungen“ von Genbank und Museum. Im Kreuzgang des Museums wurden alte Sorten angepflanzt. Dort kann man dem „grünen Gold“ beim Wachsen zuschauen.

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