Interview

Kann ich mich in Graz immer sicher fühlen?

Steiermark
16.04.2022 18:00

Brigadier Thomas Heiland (49) ist seit März neuer Grazer Stadtpolizeikommandant und Chef über 700 Polizisten. Ein Gespräch über Sicherheit, steigende Gewalt, Jugend-Gangs und einen Beruf, der für ihn ein Privileg ist.

Chef über 700 Polizisten zu sein, war das Ihr Traum?
Ich würde das nicht einen Traum nennen, sondern eher etwas, das man sich ab einer bestimmten Stufe seiner Laufbahn und mit steigender Lebenserfahrung immer besser vorstellen kann. Umso schöner, wenn diese Vorstellung Realität wird.

Warum sind Sie vor 30 Jahren zur Polizei gegangen?
Weil ich einen abwechslungsreichen Beruf wollte. Einen, der nicht nur geistig, sondern auch körperlich fordert und die Möglichkeit gibt, einen Beitrag zur Gerechtigkeit zu leisten.

Was geht Ihnen morgens durch den Kopf, wenn Sie Ihre Uniform anziehen?
Bei Weitem nicht immer etwas Bedeutungsvolles. Oft aber, was für ein Privileg es ist, einen Beruf ausüben zu dürfen, bei dem man jeden Tag gerne arbeiten geht.

Was war der dramatischste Einsatz Ihrer Karriere?
Da gab es einige. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir aber die Rettung einer Ertrinkenden aus der Mur an einem Novembertag vor vielen Jahren. Es war kalt, finster, ich hatte Glück, dass ich die Frau bei starker Strömung erreichen konnte. Sie ist Gott sei Dank wieder ganz gesund geworden.

Was sind Ihre Erwartungen an einen Polizisten?
Ich erwarte mir Herz, Hirn, Augenmaß und ein einwandfreies Auftreten.

Wie haben sich die Anforderungen an die Polizei in den letzten Jahren verändert?
Die moderne Polizeiarbeit muss heute zusätzlich zu Recht und Taktik auch soziologische und psychologische Aspekte miteinbeziehen und alle diese Disziplinen vernetzen. Das macht den Beruf aber auch so einzigartig und interessant.

Halten Sie Graz generell für eine sichere Stadt? Subjektiv gibt es schon düstere Ecken.
Objektiv betrachtet herrscht in Graz eine sehr stabile Sicherheitslage. Subjektiv kann die Wahrnehmung der Menschen, gerade in dunklen Parks, sozialen Problemzonen oder angesichts vereinzelter, aufsehenerregender Straftaten durchaus anders sein. Man kann natürlich niemals ausschließen, dass jemandem einmal etwas passiert. Doch die Wahrscheinlichkeit ist für den Einzelnen wirklich gering. Außerdem haben wir eine hohe Dichte an Streifenwagen in der Stadt. Und wenn es wirklich einmal ein Problem geben sollte, sind wir sehr schnell zur Stelle.

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In Graz herrscht objektiv betrachtet eine sehr stabile Sicherheitslage. Man kann natürlich nie zur Gänze ausschließen, dass einmal etwas passiert.

Stadtpolizeikommandant Thomas Heiland

Hat sich das Konzept der Schutzzonen bewährt, und sind in Graz neue Schutzzonen geplant?
Die Schutzzonen haben sich bewährt und wurden so lange beibehalten, bis ihr Zweck erfüllt war. Aktuell sehe ich keinen Bedarf. Wenn es die Lage, die wir permanent aktiv beobachten, aber erfordern sollte, sind sie sicherlich wieder eine sehr gute Option.

Es gab vor einigen Wochen mehrere Messerattacken auf offener Straße: Ist die Hemmschwelle bei den Gewalttaten gesunken?
Die Hemmschwelle ist allgemein sicherlich gesunken. Das bedeutet aber nicht, dass die Zahl der Gewalttaten explodiert. Was wir aber sehen, ist, dass es in bestimmten Fällen verstärkt zu exzessiver, brutaler und sinnloser Gewalt kommt - ein Thema, bei dem auch Psychologen oft ratlos sind.

Hat sich die Kriminalität durch Corona verändert?
Bestimmte Kriminalitätsformen haben sich in das Internet verlagert, wie Betrug und auch Suchtgift, wo vor allem das Darknet ein riesengroßes Thema ist.

Bereiten Ihnen die immer häufiger auftretenden Jugend-Gangs Sorgen?
Sorgen würde ich es nicht nennen. Aber wir sollten wachsam bleiben und genau hinsehen. Unsere Kriminalpolizei ist hier auch schon aktiv. Wir arbeiten an einem Konzept, das sowohl kriminalpolizeiliche Ansätze als auch die Prävention miteinander verbindet.

Der Sommer und die Partyzone im Stadtpark sind sicher bald wieder ein Thema. Drohen Konflikte wie im Vorjahr?
Der öffentliche Raum wird sicherlich wieder als „Event-Zone“ genutzt. Hier möchte ich bereits jetzt an all jene, die sich gerne im Freien treffen, appellieren, sich rücksichtsvoll zu verhalten. Die Anwohner haben ein Recht auf Ruhe. Falls erforderlich, werden wir sicher verstärkt präsent sein und für diese Ruhe sorgen. Ich hoffe aber, dass hier - gerade in herausfordernden Zeiten wie diesen - die Vernunft und das Miteinander siegen.

Welche Themen stehen in nächster Zeit sonst noch an?
Das werden der Ausbau der IT-Ermittlungen und die verstärkte Bekämpfung von Sozialleistungsbetrug sein. Auch Schwerpunktaktionen im Bereich Suchtgiftbekämpfung im öffentlichen Raum und in Problemzonen werden vorbereitet.

Vielen Dank!

Fakten

Zur Person 
Am 1. Oktober 1992 trat Brigadier Thomas Heiland in den Polizeidienst ein.
Er war u. a. Kommandant der Einsatzeinheiten, leitender Beamter bei der Grazer Kriminalpolizei, Leiter des Einsatzreferats und Vize-Stadtpolizeikommandant.
Der 49-Jährige ist verheiratet und hat eine Tochter.
In seiner Freizeit macht der 1,95-Meter-Mann gerne Sport, liest und wandert.

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