16.04.2022 06:00 |

Blick in Justizanstalt

Seelsorge: Ein Funken Hoffnung hinter Gittern

Während wir mit unseren Liebsten das Osterfest begehen, sitzen knapp 1000 Menschen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt ihre Haft ab. Christian Kuhn vermittelt auch ihnen als Seelsorger seit vier Jahrzehnten die Gnade Gottes.

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Es war nicht der Ruf Gottes, der Christian Kuhn in die düsteren Gänge der Justizanstalt führte. Der Glaube war schon lange davor in ihm verankert. Als junger Mann studierte der heute 69-Jährige Theologie, wurde eher durch Zufall als katholischer Seelsorger in das „Graue Haus“ in die Josefstadt berufen. „Ich bin nicht mit 17 aufgewacht und dachte mir, ich will im Gefängnis arbeiten“, erzählt er bei einem Besuch der „Krone“ mit einem Lachen.

Selbst Islamisten suchen das Gespräch
Mittlerweile sind er und der Job hinter Gittern aber eins geworden. Geht man mit dem Seelsorger (er ist kein geweihter Priester, darf keine Sakramente spenden) an den Zellen entlang, hört man häufig freundliche Grüße. Die Insassen kennen Kuhn – und schätzen ihn. Egal, ob es tief gefallene Manager oder Politiker sind, die in U-Haft sitzen. Oder der fanatische Islamist, der ebenso das Gespräch sucht.

Um Religion geht es dem Mann Gottes auch nicht. Er will kein Missionar sein, er will den Häftlingen ein Ohr leihen, sie durch die schwere Zeit begleiten. „Wenn ein Seelsorger offen und freundlich ist, kommt ein jeder, egal, ob gläubig oder ungläubig“, meint Kuhn.

Schoko, Zigaretten - und eine wundervolle Kapelle
Wenn Kuhn nicht gerade Gespräche führt und hin und wieder Schokolade oder Zigaretten verschenkt, lädt er in die freundliche und helle Kapelle im Herzen der Justizanstalt. Auch Glaubenskurse bot er an, bis ihnen Corona (hoffentlich nur vorübergehend) einen Strich durch die Rechnung machte. Angst hat Kuhn nie gehabt. Dafür umso mehr berührende Momente. Vor allem Entlassene, die weiter Kontakt halten, rühren ihn.

Warum überhaupt so ein ungewöhnlicher Job mit Ausgestoßenen der Gesellschaft? „Die Mauer ist nicht die Grenze zwischen Gut und Böse“, so Kuhn. Und wenn jemand doch Zweifel an der Sinnhaftigkeit seiner Arbeit hat, verweist er mit einem Lächeln auf die Bibel: „Jesus kam zu den Sündern, das heißt: auch zu mir. Daher darf ich als Sünder in seinem Namen auch ,Sünder‘ besuchen.“

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