Live in Wien und Linz

Calexico setzen auf positive Energien ohne Grenzen

Wien
13.04.2022 18:00

Seit einem Vierteljahrhundert sind Calexico die etwas andere Alternative-Country-Band. Joey Burns, John Convertino und Co. haben mit dem zehnten Studioalbum „El Mirador“ eine Ode an das Leben und die Liebe abgeliefert, die einmal mehr zwischen Mariachi-Sounds, feinem Jazz und Indie-Rock pendelt. Im Interview verrät uns Burns, warum es gerade jetzt so essenziell ist, den Spaß am Leben nicht zu kurz kommen zu lassen.

Als sich die beiden Freunde und Musikerkollegen Joey Burns und John Convertino vor einem Vierteljahrhundert von Bandboss Howe Gelb und seinem Projekt Giant Sand lossagten, war anfangs noch eine Irrfahrt ins Ungewisse. Calexico waren geboren und verweigern sich seither erfolgreich jeder Nischenzuschreibung. Mariachi-Sounds mischen sich mit Latin-Jazz, ein Indie-Rock-Gestus paart sich mit Alternative-Country, ausgeruhte Folk-Preziosen fürchten sich nicht vor partiellen Pop-Momenten. Diese Band, die schon in ihrem Namen Verbindendes und Einendes transportiert, war immer ein Musterbeispiel für Eskapismus für die schweren Lebensphasen. Nun haben die Amerikaner (vorerst) zwar die Ära Trump überstanden, doch die Welt gerät ansonsten weiterhin munter aus den Fugen. Da wird es höchste Zeit für ein Album wie „El Mirador“, das einmal mehr aus den festgezurrten Fesseln der gegenwärtigen Gesellschaft befreit.

Musik als Bindeglied
„Der Titel steht als Ausdruck für eine positive Sichtweise aufs Leben“, verrät uns Burns entspannt mit von seinen Kindern eingestelltem, galaktischem Hintergrund im Zoom-Gespräch, „wir erfreuen uns an der Welt und am Leben. Ich habe mir dafür ein paar wichtige Fragen gestellt. Was sehe ich wirklich, wenn ich die Augen öffne und die Welt betrachte? Was sehe ich, wenn ich tief in mich hineinschaue und auf mich höre? Wir stecken doch alle im selben Schlamassel und Musik kann eine Brücke sein. Musik ist ein Vehikel, das dich von A nach B bringt. Sie nimmt dich metaphorisch an der Hand, um Trost, Freude oder Hoffnung zu spenden. Egal, ob es um die Politik, das Klima, die Pandemie, Rassismus oder den Krieg geht - ihr seid da draußen nicht alleine. Musik macht das Leben lebenswerter und wir sollten alle füreinander da sein.“

Burns zog mit seiner Familie vor der Pandemie von Tucson in Arizona noch Boise in Idaho. Für das Einspielen und Aufnehmen von „El Mirador“ ging es im Sommer 2021, als die Pandemie kurz Pause machte, ins Heimstudio von Bandmitglied und Keyboarder Sergio Mendoza - eben zurück nach Tucson. „Er hat in seinem Hinterhof ein Studio gebaut, einfach herrlich. Wir haben dort gearbeitet, gewohnt, gekocht und gegessen. Das hatte einen wundervollen DIY-Spirit wie in unseren frühen Tagen.“ Auch die Natur trug das Ihre dazu bei, dass dieser Sommer noch länger in der Erinnerung der Bandmitglieder bleiben wird. „Im Juli war die regnerischste Monsun-Saison seit Ewigkeiten. Die Pflanzen sprossen in die Höhe, die Insekten surrten und brummten. Das war eine ungemein inspirierende Transformation. Außerdem haben die Tacos seit mit einer Umsiedelung nie besser geschmeckt.“

Für die eigenen Rechte einstehen
Relativ früh wurde allen Beteiligten klar, dass man mit einem fröhlichen und lebensbejahenden Album ein Zeichen setzen möchte. Tatsächlich hat Burns seine große Liebe für den Jazz bewusst zurückgeschraubt, um in prekären Zeiten ein positives Statement zu setzen. Die zwischen Spanisch und Englisch mäandernden Songs wie „Harness The Wind“, „Rancho Azul“ oder „Cumbia Peninsula“ sind im weitesten Sinne Oden an das Leben und die Liebe. „Rhythmen, Tempi und Grooves können uns aus einer Starre befreien“, so Burns, „die Musik ist der grundlegendste Weg um miteinander zu kommunizieren und sich zu bewegen. Es geht auf ,El Mirador‘ darum, für seine eigenen Rechte einzustehen und sich nicht unterkriegen zu lassen. Darum, sich gegenseitig aufzubauen und die Welt allgemein aus einem optimistischeren Blickwinkel heraus zu betrachten.“

Das unzweideutige „Liberada“ etwa ist ein gutes Beispiel für die beschwingte Kampfeslust Calexicos. Gitarren paaren sich mit kubanischen Percussions und der Stimme der spanischen Sängerin Amparo Sanchez. „Nachdem wir den Song einspielten gab es eine riesengroße Party. Es waren Freunde und Familien da, Menschen unterschiedlicher Generationen haben sich zusammengefunden und gemeinsam gefeiert. Sehr viele Leute davon haben wenig Geld oder Besitztümer, aber dennoch ein reiches und oft befriedigenderes Leben als jene, die monetär viel besitzen.“ „Liberada“ steht für das sich Auflehnen und Kämpfen. „Nicht nur, aber auch in der Ukraine. Aber auch in Mali, im Jemen, Syrien oder Äthiopien - dort überall werden Stimmen unterdrückt. Dagegen gilt es einzutreten. Das Pendel wird wieder in die richtige Richtung ausschlagen, dann wird auch mehr Frieden möglich sein.“

Bäume statt Kakteen
Calexico sind keine geifernden Konterrevolutionäre, sondern sehen sich vielmehr als Botschafter für den Diskurs und Gemeinschaftlichkeit. Lieder wie der „El Burro Song“ strahlen einfach nur pure Lebensfreude aus und berufen sich, wie könnte es auch anders sein, auf ein spontanes und unvergessliches Straßenfest aus Burns‘ Vergangenheit in Tucson. Obwohl das alles nach schwerem Heimweh klingt, hat der 56-Jährige keine Probleme mit seiner neuen Umgebung. „Ich liebe es zu reisen und bin es gewohnt, an unterschiedlichsten Ecken in der Welt zu sein. Durch die Pandemie war es anfangs nicht so leicht, in Boise Leute kennenzulernen, aber mittlerweile bin ich wunderbar integriert. Die Kids gehen hier schon zur Schule und meine Nachbarschaft ist wunderbar. Ich habe die Stadt der Kakteen gegen die Stadt der Bäume eingetauscht. Dass es hier öfters grau ist und immer wieder regnet finde ich gut.“

Mit der Mariachi/Americana/Country-Mischkulanz schaffen Calexico auf „El Mirador“ gewiss keine große Überraschung, es ist aber dennoch beeindruckend zu hören, in welch hohen Qualitätssphären das Stammduo samt Band seit jeher musiziert. Ermüdungserscheinungen oder kreative Blockaden fallen überhaupt nicht auf, eher muss Burns Ideen und Songskizzen aufbewahren, um das Projekt nicht zu sehr aufzublasen. „Offenheit und Aufrichtigkeit sind die wichtigsten Prämissen für Musik. Mit den Jahren kommen Reife und Selbstbewusstsein dazu. Ich habe für die Sessions zu ,El Mirador‘ einen Song geschrieben, der mich stark an eine meiner absoluten Lieblingsbands, The English Beat, erinnert hat. Ich kann ihn drehen und wenden wie ich will, er passte einfach nicht rauf. Also bleibt er jetzt einmal in der Schublade und passt vielleicht das nächste Mal wo rein.“

Live in Wien und Linz
Noch in diesem Monat kommen Calexico auf große Tour und kreuzen dabei auch wieder durch Österreich. Ein Sehnsuchtsort, wie Burns betont, und man nimmt es ihm ehrlicher ab als so manch anderem. Immerhin spielten Calexico vor exakt zehn Jahren mit dem Radio Symphonie Orchester Wien zusammen. „Österreich ist ein kleines Land, aber es gibt so tolle Venues und wundervolle Menschen“, schwärmt Burns, „viele Amerikaner denken bei Europa an Berlin, London oder Paris, aber für mich sind die Österreich-Shows immer das Herz einer Tour. In Linz starten wir übrigens den gesamten Tour-Zyklus.“ Schon am 23. April ist man dort im Posthof zu Gast, am 30. April folgt noch eine Show im Wiener MuseumsQuartier. Karten und alle weiteren Infos gibt es unter www.oeticket.com. Trotz Corona-Befürchtungen kommt man übrigens mit voller Belegschaft - einer siebenköpfigen Band.

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