Buch von Cordula Simon

Verstrahltes Ödland als letzter Hort der Freiheit

Steiermark
27.02.2022 13:30

Von einer nicht allzu fernen Zukunft, in der Menschen über implantierte Assistenzsysteme gesteuert werden, erzählt die steirische Autorin Cordula Simon in ihrem neuen Buch „Die Wölfe von Pripyat“. Durch den Krieg in der Ukraine gewinnt der dystopische Roman über eine Gruppe Jugendlicher, die der Überwachung entkommen will, auf erschütternde Weise an Aktualität.

„Nichts konnte besser sein als ein Ort, in den niemand eindringen würde, war er doch schon zerstört und zerschlagen, verseucht, verstrahlt und vor allem: frei.“ So beschreibt Cordula Simon in ihrem neuen Roman den ukrainischen Ort Pripyat, der durch das Reaktorunglück in Tschernobyl zur Geisterstadt wurde. Es ist die zentrale Ironie ihres Romans, dass just dieser Ort, der auf Jahrtausende verstrahlt ist, zum Zufluchtsort jener Gruppe an Menschen wird, die dem Überwachungsstaat, in dem sie leben, entkommen wollen.

Politische Lage wirft neues Licht auf den Roman
In den vergangenen Tagen freilich wurde diese Ironie völlig von der Realität überholt. Das Kraftwerk in Tschernobyl war eines der ersten Ziele der Truppen Putins beim Einmarsch in der Ukraine. Die Aussage war klar: Nicht einmal dieses Ödland sollte ein möglicher Hort der Freiheit sein.

Die Entwicklungen der letzten Tage werfen ein neues Licht auf „Die Wölfe von Pripyat“, doch es ist durchaus kein Zufall, dass Simon Teile ihres Romans in dieser Region spielen lässt. Seit vielen Jahren lebt sie teilweise in Odessa und wurde so auch zur Zeugin der politischen Zerwürfnisse in der Region.

Selbstoptimierung und Kontrolle
Doch in dem Roman steckt viel mehr als nur der zeitpolitische Konnex. Simon erzählt von einer Welt, in der eine ominöse „Union“ die Macht übernommen hat und Menschen sich durch einen implantierten „Log“ nicht nur selbst optimieren und regulieren können, sondern auch von oben kontrolliert und gesteuert werden. Eine Gruppe Jugendlicher jedoch macht sich auf den Weg, um dieser allgegenwärtigen Kontrolle zu entkommen und nimmt dabei die revolutionäre Fährte der legendären „Wölfe von Pripyat“ auf.

Verpackt in eine rasante Geschichte voll schwarzem Humor und bitterbösen Überspitzungen liefert Simon mit „Die Wölfe von Pripyat“ eine wortgewaltige Abrechnung mit unserer Gegenwart, die ihre Freiheit irgendwo zwischen freiwilliger Überwachung in Sozialen Medien und fehlgeleiteter Identitätspolitik völlig zu verlieren droht.

Am Montag präsentiert sie den Roman bei einer Lesung im Grazer Literaturhaus, ab 19 Uhr.

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