Wintervögel

Gästeschwund am Vogelhäuschen

Vorarlberg
31.01.2022 09:55

Im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts der Organisation „BirdLife Österreich“ wird jeden Winter die Anzahl der Vögel in heimischen Gärten erhoben. Das Ergebnis zeigt einen Negativtrend - selbst häufige Arten werden weniger.

Der Winter ist eine eher ruhige Zeit, zumindest in der Natur. Pflanzen sind kahl und warten auf die wärmende Frühjahrssonne, viele Tiere haben sich zurückgezogen, das Vogelgezwitscher ist verstummt. Dennoch herrscht in Gärten oder auf Balkonen mit Futterhäuschen mitunter geschäftiges Treiben. Jene Vögel, die nicht in wärmere Gefilde gezogen sind, sondern hier der Kälte trotzen, bedienen sich gerne am angerichteten Buffet.

Häufigster Vogel an heimischen Futterstationen ist heuer der Haussperling, er macht rund ein Viertel aller Wintervögel aus. Auf Platz zwei der häufigsten Gäste am Futterhäuschen fliegt die Kohlmeise, gefolgt von der Amsel auf Rang drei. Das ergab die jüngste Zählung im Rahmen der Aktion „Stunde der Wintervögel“ der Vogelschutzorganisation „BirdLife Österreich“.

Fakten

Als gleichwarme Tiere - wie der Mensch - müssen Vögel ihre Körpertemperatur, die zwischen 38 und 42 Grad liegt, aufrecht erhalten. Sie haben die Fähigkeit ihr Gefieder so stark aufzuplustern, dass sie wie eine Federkugel wirken. Diese Form ergibt im Verhältnis zum Körpervolumen die geringste Oberfläche, über die am wenigsten Wärme verloren geht. Ein spezielles Wärmeaustauschsystem verhindert zudem, dass Vögel über ihre meist nackten Beine Wärme verlieren. Zum Aufrechterhalten der Körperwärme ist aber in ersten Linie Energiezufuhr über die Nahrung notwendig. Viele Vögel, die eigentlich Insektenfresser sind (Meisen, Kleiber etc.) nehmen im Winter gezielt Samen, Nüsse und Körner in den Speiseplan auf, da diese eine fett- und energiereiche Nahrungsquelle darstellen. Tipps für die Fütterung: Körnerfutter sollte in Silofutterhäuschen oder Futtersäulen angeboten werden, bei denen die Vögel nicht direkt im Futter sitzen können. Wichtig ist auch, dass das Futter nicht nass werden kann, denn verschimmelte Reste sind giftig für die Vögel. Eine sinnvolle Ergänzung zu Körner und Samen ist eine Gittersäule für die Versorgung mit Nüssen sowie Meisenknödel- bzw. Fettblockhalter. Mehr Infos gibt es auf der Website von BirdLife Österreich: www.birdlife.at

Auch wenn die meisten Arten die kalte Jahreszeit ohne menschliche Hilfe überdauern können, ist das zusätzliche Nahrungsangebot natürlich willkommen. „Ein naturnaher, vogelfreundlicher Garten hilft den Tieren das ganze Jahr über. Wenn gefüttert wird, sollte aber auf entsprechende Hygiene geachtet werden“, betont Johanna Kronberger von „BirdLife Vorarlberg“. An Plätzen, an denen viele Vögel aufeinandertreffen, kann es nämlich leichter zu Krankheitsübertragungen kommen.

Gerade Trichomonaden, die Verursacher des Grünfinkensterbens, können sich an offenen Futterhäuschen oder Vogeltränken rasch verbreiten. Eine solche Seuche kann sich verheerend auf die heimische Vogelwelt auswirken. So hat sich etwa der österreichische Bestand des Grünlings seit Ausbruch der Trichomoniasis halbiert. „Um der Ausbreitung von Krankheitserregern vorzubeugen, empfiehlt es sich, geschlossene Silofutterhäuschen oder Futtersäulen zu verwenden, sowie Futterplätze und Vogeltränken regelmäßig zu reinigen“, erklärt Kronberger.

Zahl der Vögel nahm massiv ab
Krankheiten sind allerdings nur eine von mehreren Ursachen für den Rückgang bestimmter Vogelarten. Das Ergebnis der Wintervogelzählung zeigt, dass österreichweit die Anzahl der Vögel pro Garten (31 Individuen) unter dem langjährigen Durchschnitt liegt (38 Vögel pro Garten).

Seit 13 Jahren führt „BirdLife“ mithilfe von Beobachtungen der Bevölkerung jeweils im Jänner die „Stunde der Wintervögel“ durch. So kommt an den Zähltagen ein möglichst genaues Bild der Vogelwelt in den heimischen Dörfern und Städten zustande. Schleichende Veränderungen können so über die Jahre festgestellt werden.

Die vorliegenden Daten zeigen, dass die Anzahl der gezählten Tiere kontinuierlich abnimmt - ein Negativtrend, der über die Landesgrenzen hinaus geht. In der Europäischen Union sind laut einer Studie von 2021 in den vergangenen 40 Jahren rund 600 Millionen Brutvögel verschwunden. Das betrifft nicht nur Großvögel, sondern auch vermeintlich häufige Arten wie Finken, Sperlinge oder Lerchen. „Viele Vögel, die wir jetzt im Winter beobachten können, sind nordische Brutvögel. Sie machen bei uns nur Station, wenn das Nahrungsangebot passt.

Beim Haussperling ist das anders, er bleibt das ganze Jahr über in unseren Gefilden. Darum sind Rückgänge bei dieser Art besonders aussagekräftig“, erklärt Kronberger. Obwohl der Haussperling als Paradebeispiel für einen anpassungsfähigen und beinahe allgegenwärtigen Kulturfolger gilt, erfährt er europaweit große Verluste - seit 1980 ist der Bestand um 274 Millionen Individuen geschrumpft.

Insektensterben und Bodenversiegelung
Ursache dafür ist wahrscheinlich ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, meint die Biologin: „Wie bei anderen Vogelarten, dürfte auch in diesem Fall das Insektensterben eine große Rolle spielen. Dazu kommt ein fortschreitender Lebensraumverlust sowie die zunehmende Bodenversiegelung.“ Dies betrifft vor allem Tiere, die auf Feldern und Wiesen brüten. Hier spielt auch der Wandel von der bäuerlichen zur industriellen Landwirtschaft eine Rolle. Durch die intensive Nutzung verschwinden wichtige Naturflächen wie Wegränder, Brachen, Hecken und Baumreihen.

Laut „BirdLife Österreich“ gibt es auch einen Zusammenhang zwischen Winterhärte und der Anzahl der gemeldeten Vögel. Je kälter und schneereicher der Winter, desto mehr Tiere suchen die Futterstellen auf. Je milder die kalte Jahreszeit ausfällt, desto geringer ist der Zuzug von Vögeln aus dem Norden oder Nordosten Europas. Mehr als eine halbe Millionen Tiere (580.885) wurden im Zuge der „Stunde der Wintervögel“ gezählt. „Wobei über die Jahre hinweg laufend weniger Vögel pro Garten beobachtet wurden“, weiß Kronberger.

So waren im Jahr 2011 durchschnittlich noch 50 Tiere pro Garten, vergangenes Jahr hingegen lag der Durchschnitt bei 29,32. Im Ländle wurden heuer durchschnittlich 26 Tiere pro Garten beobachtet, das liegt deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt (31). Stärkere Rückgänge sind hierzulande vor allem bei Feldsperling, Rotkehlchen, Stieglitz und Grünfink (Grünling) zu verzeichnen.

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