Florian Neuner

Grazer Stadtschreiber erkundet die Peripherie

Steiermark
27.01.2022 09:02

Den US-amerikanischen Rostgürtel und das deutsche Ruhrgebiet hat Florian Neuner schon literarisch erforscht. Seit September ist der in Berlin lebende Autor nun als Stadtschreiber in Graz zu Gast und setzt seine Recherchen in den Peripherien des Stadtraums hier fort. Mit der „Krone“ sprach er über seine Arbeit.

„Es gibt im Stadtraum so vieles zu lesen“, sagt Florian Neuner mit Blick vom Grazer Schloßberg auf die Murmetropole: Plakate, Schilder, Häuser, Menschen - sie alle haben ihre Geschichte zu erzählen.

Spuren von Industrie und Arbeiterschaft
Seit September ist Neuner als Stadtschreiber im Cerrinischlössl unter dem Uhrturm zu Gast, doch seine Arbeit spielt sich eher an der Peripherie ab: „Mich interessieren nicht so sehr die repräsentativen Bauten im Zentrum, sondern die Gegenden der Stadt, in die sich etwa die Industrie und die Arbeiterschaft eingeschrieben haben“, sagt er.

Tag für Tag fährt er mit dem Rad oder dem Bus in eine andere Gegend der Stadt und flaniert durch die Straßen: „Ich mag an Graz die Überschaubarkeit“, sagt Neuner. Literarische Stadtforschung nennt er seine Arbeitsweise: „Ich gehe nicht mit gezücktem Mikrofon durch die Gegend und spiele mich selbst in den Vordergrund, sondern versuche diskret Eindrücke zu sammeln“, erklärt er.

Einige Eindrücke - etwa von der Triestersiedlung - hat er auch schon veröffentlicht. Der gebürtige Österreicher, der schon lange in Berlin lebt, schreibt in einer deutschen Tageszeitung alle zwei Wochen eine Kolumne mit dem Titel „Graz von oben“: „Ich empfinde es auch als einen Glücksfall, die Stadt in einer Zeit des politischen Wandels zu erleben, weil mich interessiert, wie sich dieser Wandel im Stadtraum spiegelt“, sagt er über die neue KPÖ-Bürgermeisterin und das neue linke Bündnis in Graz.

„Dinge, die für Einheimiche längst unsichtbar sind“
Dass er in der Stadt ein „Fremder“ ist, empfindet er als Vorteil: „Ich glaube, man sieht Dinge anders, wenn man von außen kommt und keinen routinierten Blick auf Architektur, Menschen und die Geschichte hat. Und man sieht auch Dinge, die für Einheimische schon längst unsichtbar sind“, sagt er. Es ist wohl kein Zufall, dass er zwar schon das Ruhrgebiet und den US-Rostgürtel erforscht hat, nicht aber seine Heimatstadt Berlin.

Künstlerische Kontakte nach Graz pflegt er aber dennoch schon länger: Im hiesigen Ritter Verlag hat er mehrere Bücher veröffentlicht. Aktuell ist dort auch „Rost“, seine „psychogeografische Expedition“ im ehemaligen Zentrum der Stahl- und Automobilerzeugung der USA, erschienen.

Jenseits der klassischen Erzählkunst
„Ich fühle mich auf jedem Fall einer Literatur jenseits der klassischen Erzählkunst verpflichtet“, schildert Neuner, der mit „Idiome“ auch ein eigenes Magazin für „Neue Prosa“ herausgibt. Am Ende seiner Zeit in Graz hofft er, genug Material für ein Buchprojekt gesammelt zu haben. Und wenn Omikron (hoffentlich bald) abgeklungen ist, plant er auch Lesungen und andere künstlerische Aktionen.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Steiermark



Kostenlose Spiele