Personalmangel

Das große Jammern der Vorarlberger Touristiker

Vorarlberg
27.09.2021 06:49

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern ist die Sommersaison in Vorarlberg - da hilft kein Schönreden - richtig mies verlaufen. Einen Vollbetrieb hätten allerdings viele Betriebe ob des massiven Personalmangels womöglich gar nicht stemmen können. Der Forderungskatalog an die Politik ist jedenfalls überaus lang.

Die Corona-Pandemie hat die Tourismusbranche gleich doppelt getroffen - und das noch dazu mit großer Wucht: Zum einen ist den Betrieben aufgrund der Reisebeschränkungen und anderer Restriktionen ein Gutteil des Geschäfts weggebrochen, zum andern haben viele Mitarbeiter - vor allem jene, die gekündigt worden sind und nicht die Sicherheit der Kurzarbeit hatten - aus der Not eine Tugend gemacht, sich umschulen lassen und sind in eine andere Branche gewechselt. „Nun fehlen uns insgesamt circa 60.000 Mitarbeiter in ganz Österreich“, fasst Markus Kegele, Obmann der Wirtschaftskammer-Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft, das Dilemma in Zahlen. Zugleich betont er allerdings auch, dass über das Jahr gerechnet das Personalproblem nicht größer sei als etwa im Handel oder dem produzierenden Gewerbe, nur seien ob der spezifischen Rahmenbedingungen die Auswirkungen drastischer: „Der Tourismus hat eine Besonderheit, die ihn von allen anderen Branchen unterscheidet: Er hat Saisonen. Und die sind noch dazu unterschiedlich stark.“ Soll meinen: Das größte Problem ist, dass die Spitzen nicht abgedeckt werden können.

Harter Wettbewerb
So benötigen etwa allein die Vorarlberger Betriebe im Winter knapp 3000 Mitarbeiter mehr als im Sommer. Der heimische Arbeitsmarkt gibt diese „flexibel verfügbare Masse“ aber nicht einmal ansatzweise her: „Diese Mitarbeiter müssen jedes Jahr auf den internationalen Arbeitsmärkten gesucht und rekrutiert werden. Dabei stehen wir im Wettbewerb mit allen anderen Winterdestinationen des Alpenraums. Unsere Branche ist in den vergangenen Jahrzehnten weltweit gewachsen, dieses Wachstum hat die Ausbildungskapazitäten allerdings deutlich überstiegen“, sagt Kegele.

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Einfach neue Mitarbeiter aus dem Arbeitslosentopf zu rekrutieren, klingt nur auf dem Papier gut. Wer bisher nicht mit Begeisterung und aus Überzeugung im Tourismus gelandet ist, wird das auch künftig nicht tun.

Markus Kegele

Die immer größer werdende Schere zwischen wachsender Nachfrage und schrumpfendem Angebot hätte den Wettbewerb extrem verschärft, besonders das „weniger restriktive“ Deutschland locke aktuell mit Arbeitsangeboten in allen möglichen Bereichen. Kegele sieht die Politik in der Pflicht und fordert Waffengleichheit: „Wir brauchen langfristig neue praktikable Saisonbeschäftigungsmodelle, die auch Mitarbeiter aus Drittstaaten wieder verstärkt mit einbeziehen und die den Betrieben Rechtssicherheit und Planbarkeit geben.“ Sein konkreter Vorschlag: Mitarbeiter, die über mehrere Saisonen immer wieder kommen, sollten aus den starren Saisonkontingenten herausgenommen werden. Des Weiteren seien neue Quereinsteigermodelle nötig, beispielsweise für Semifachkräfte. „Einfach neue Mitarbeiter aus dem Arbeitslosentopf zu rekrutieren, klingt nur auf dem Papier gut. Wer bisher nicht mit Begeisterung und aus Überzeugung im Tourismus gelandet ist, wird das auch künftig nicht tun.“

Kreativität sei gefragt
Darüber hinaus sollte, so Kegele, auch über kreativere Entlohnungssysteme und Arbeitszeitmodelle nachgedacht werden. „Eine der Möglichkeiten wäre zum Beispiel, dass beliebtere Stunden anders bezahlt werden als weniger beliebte. Oder dass Wochenend- und Feiertagsstunden endlich steuerfrei werden. Mitarbeitende, die in dieser Zeit arbeiten, sollten belohnt und nicht bestraft werden.“ Generell sei die Spanne zwischen dem Nettoverdienst und dem, was der Arbeitgeber zahlt, viel zu hoch.

Angesichts dieses langen Forderungskatalogs an die Politik - und letztlich auch an die Allgemeinheit -, stellt sich die Frage, was denn die Tourismusbranche selbst zu einer Verbesserung der Lage beitragen kann und muss. Den - durch diverse Umfragen gut belegten - Einwand, wonach die schlechten Arbeitsbedingungen in der Branche Hauptursache für die Personalmisere seien, will Kegele aber nicht gelten lassen: „Der Großteil der Betriebe zahlt Löhne weit über dem Kollektivvertrag. Für alle anderen gilt das Mindestgehalt. Hinzu kommen standardmäßig Boni, Überstundenpauschale, Kost und Logis - also Vollpension und Übernachtung - sowie Vorteile bei Freizeitaktivitäten. Außerdem wird sehr vielen Mitarbeitern eine Wohnqualität auf dem Niveau der Gäste geboten.“

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