Album & Interview

Wolfgang Van Halen: Aus dem übermächtigen Schatten

Musik
15.06.2021 08:00

Die Staffelübergabe des großen Rockgitarristen Eddie Van Halen an Sohnemann Wolfgang erfolgte schon vor vielen Jahren. Doch nach dem viel zu frühen Tod seines übermächtigen scheinenden Vaters hat der Sohnemann mit „Mammoth WVH“ nun endlich sein Debütalbum fertiggestellt, auf dem er seinem geliebten Vater huldigt, sich aber gleichzeitig von ihm emanzipiert. Mehr dazu erzählte er uns im ausführlichen Gespräch.

(Bild: kmm)

Wolfgang Van Halen ist zurückhaltend und schüchtern. Er selbst bezeichnet sich gerne als introvertiert und bekräftigt das in vielen kurzen, nicht unbedingt ausgefeilten Antworten. Als Außenstehender kann man sich wahrscheinlich schwer vorstellen, wie hart es sein muss, aus dem Schatten eines prominenten Vaters wie Eddie Van Halen zu treten. Die letzten Herbst viel zu früh verstorbene Gitarrenlegende hat die gesamte Rockszene in einem unfassbaren Ausmaß geprägt und den talentierten Sohnemann schon früh in seine Band eingebaut. Dort verlor er bei Auftritten in Riesenarenen zuerst das härteste Lampenfieber und lernte zahlreiche Top-Musiker wie Mark Tremonti von Alter Bridge oder Clint Lowery kennen, die ihn musikalisch auf seinem eigenen Weg prägten.

Die Verbindung zwischen Wolfgang und Vater Eddie war zeit ihres Lebens innig und liebevoll. So verwundert es nicht, dass sich der Sohnemann mit seinem Debütalbum tief vor seinem Erzeuger verbeugt. Der Name Mammoth beruft sich direkt auf Eddie, der Van Halen unter diesem Banner gründete. Rein musikalisch könnte die Kluft zwischen den beiden aber nicht größer sein. Wolfgang hat sich nämlich nicht nur von AC/DC und Co., sondern auch von den Rockern seiner Generation inspirieren lassen. Etwa von Alter Bridge und ganz besonders von den Foo Fighters. Wer sich den großen Eddie Van Halen in einer neuen Inkarnation erwartet, wird enttäuscht sein. Wer bei hemdsärmeligem US-Rock der späten 90er- und 2000er-Jahre samt emotionaler Familiengeschichte sein Glück sucht, könnte bei Mammoth WVH sein Heil finden. Die Emanzipation von einer weltbekannten Legende ist kein leichtes Unterfangen. Wolfgang Van Halen wird kämpfen müssen, aber er wird auch immens viel daraus lernen.

„Krone“: Wolfgang, wie ging es dir während der Pandemie in den letzten Monaten?
Wolfgang Van Halen: Ich habe mich einfach geschützt und darauf geachtet, gesund zu bleiben. Ich bin sehr introvertiert, also hat sich in meinem täglichen Leben wenig geändert. (lacht)

An deinem Solodebüt „Mammoth WVH“ hast du doch einige Jahre lang geschraubt. Wann hast du die ersten Schritte zu diesem Album gesetzt?
Die ersten Ideen für ein paar Songs gab es schon 2013. Wir haben erst 2015 angefangen aufzunehmen und es war nicht so, dass wir dann drei Jahre lang nonstop im Studio gewesen wären. Ich habe sehr lange an meinen Texten gefeilt und die Musik verändert. Im Juli 2018 war das Album im Großen und Ganzen beendet, aber noch nicht fertig.

Fühlt sich das nicht etwas sonderbar an, wenn manche Songideen zur Veröffentlichung bereits acht Jahre am Buckel haben?
Es ist eher das Gewicht, das ich über all die Jahre tragen musste, dass mir manchmal die Leichtigkeit erschwert. Niemand hat die Songs gehört, insofern hat sich da für mich kein Druck aufgebaut. Die Songs, die wir im Vorfeld schon veröffentlicht haben, haben sich dann wieder neu für mich angefühlt, weil die Menschen sie in einem anderen Licht betrachteten. So war der Zugang für mich dann doch wieder frisch.

Der Bandname und auch das Album sind natürlich ein Tribut an deinen letzten Herbst verstorbenen Vater Eddie Van Halen, dessen allererste Band Mammoth hieß. Wie stark war sein Einfluss auf dein Debüt?
Seine Einflüsse sind mir generell angeboren, schon allein durch die familiäre Bindung. Ansonsten ist das Album aber ganz mein Baby und ich habe mich nicht hingesetzt und versucht, einen bestimmten Van-Halen-Sound zu reproduzieren. Ich habe nicht dieselbe Technik und nicht dieselben Werkzeuge benützt. Ich wollte unbedingt meinen Weg finden, so wie es früher auch mein Vater tat.

Zum Thema introvertiert - jedes einzelne Instrument und auch die Vocals auf dem Album sind von dir. War das immer der Plan, absolut alles selbst in die Hand zu nehmen?
Das hat nichts mit Vertrauen zu tun, sondern mit der Tatsache, dass ich alle Instrumente spielen kann. (lacht) Es war immer ein Traum von mir ein Album so zu machen und das habe ich jetzt umgesetzt. Ich habe das schon in einem Interview mit einem Bassisten-Magazin vor vielen Jahren gesagt: Ich wollte ein Album ganz alleine machen, wie es Dave Grohl 1995 beim ersten Foo-Fighters-Werk praktizierte.

Gab es einen besonderen Moment, in dem du wusstest, du hättest deinen Weg im Großen und Ganzen gefunden?
Der Song „Mammoth“, der bewusst in der Mitte des Albums steht, war dafür federführend. Er war das erste Demo das ich schrieb und ich war unglaublich aufgeregt. Das war dann auch der Kern des Sounds für das restliche Album, weshalb der Track jetzt auch an siebenter von 14 Stellen steht.

Was waren die wichtigsten Lehren, die du in den letzten Jahren im Zuge deiner musikalischen Selbstständigkeit gezogen hast?
Ich weiß nicht, ob es bestimmte Lehren gab, aber ich weiß durch den Prozess ganz genau, was ich will. Die große Unbekannte für mich war der Gesang. Jetzt, wo ich das Album fertig habe und neben den Instrumenten auch die Stimme gefunden habe, in der ich mich ausdrücken möchte, fühle ich mich viel selbstbewusster. Mein Produzent Elvis Baskette hat mir viel dabei geholfen, die zu mir passende Stimme zu finden.

Wie passt eigentlich die Selbstzuschreibung des Introvertierten zu den Konzerten vor Zehntausenden von Fans, die du jahrelang in der Band deines Vaters, mit Van Halen, absolviert hast?
Man muss damit ohnehin klarkommen, ob man will oder nicht. Vor so vielen Leuten zu spielen ist nicht leicht für mich, aber die Liebe zur Musik und zum Performen überwiegt alles. Ich kann es kaum erwarten, meine eigenen Songs endlich live zu spielen.

Live kannst du nicht alles alleine herunterspielen. Wie wird deine Band künftig aussehen?
Es wird eine fünfköpfige Band sein. Ich bin natürlich dabei, Ronnie Ficarro spielt Bass, Frank Sidoris, der auch mit Slash spielt, ist an der Gitarre, Garrett Whitlock von Tremonti ist am Schlagzeug. Das ist eine tolle Partie. Menschlich und musikalisch.

Wie geht es dir mit dem Album jetzt, wo es deinem Vater gewidmet ist. Fühlt es sich schmerzhaft oder mehr wie eine Befreiung an?
Das Album war alles, was mich angetrieben hat. Sein Stolz auf mich und wie glücklich er war, als er sah, wie ich an den Songs arbeitete, haben mich selbst sehr glücklich gemacht. Das hat mich auch an den schlimmsten Tagen aus dem Bett geholt und die Musik ist das, was mich heute noch mit ihm verbindet. Je näher ich der Musik bin, umso näher bin ich ihm. Ich werde also musizieren so lange ich lebe.

Die Erwartungshaltung der Menschen lässt sich nicht ignorieren. Ist der Name Van Halen mehr Fluch als Segen?
Es ist ein doppelschneidiges Schwert und manchmal habe ich das Gefühl, dass die Unsicherheiten und das Negative dabei überwiegen. Das Gute daran ist, dass die Leute sicher aufmerksamer sein werden, weil der Name natürlich Türen öffnet. Aber er ist nicht automatisch der Garant dafür, dass diese Türen auch offen bleiben. Ich vergleiche das ein bisschen mit Billie Eilish. Ihre Familie und vor allem ihr produzierender Bruder Finneas haben ihr beim Türenöffnen sicher geholfen, aber der Grund warum sie noch da und so bekannt ist, ist der, dass sie einfach großartige Musik macht. Am Ende kommt es darauf an. Sollte ich also scheitern und mich in einem Jahr keiner mehr kennen, dann war ich schlichtweg nicht gut genug. (lacht)

Weezer haben ihr neues Album „Van Weezer“ deinem Vater gewidmet. Wie stehst du solchen Huldigungen gegenüber?
Das ist wirklich großartig und ich sehe das gerne. Es bewegt mich zu sehen, wie viele Menschen von meinem Vater inspiriert sind und die schönen, tröstlichen Botschaften ihm gegenüber sehe ich täglich auf den Social-Media-Plattformen. Es ist überwältigend.

War es am Ende schwierig, dich von der Trauer und den Emotionen deinem Vater gegenüber zu lösen, als das Album in seinen allerletzten Zügen lag und letztes Jahr noch feingeschliffen wurde?
Das war nicht so schwierig. Songwriting ist ein sehr emotionaler Prozess und wenn es um die Musik geht, dann trage ich mein Herz nach außen. Ich gehe in meiner Musik völlig auf und ihr kriegt komplett mich. Es wäre anders gar nicht möglich gewesen. Musik von mir kann nur persönlich sein.

Was kannst du durch die Musik ausdrücken, was dir auf anderen Wegen vielleicht schwerfallen würde?
Ich habe herausgefunden, dass Musik zu schreiben sehr therapeutisch ist. Sie zu veröffentlichen fühlt sich jetzt nicht anders an, weil es mich sehr berührt, wie viele Leute positiv darauf reagieren. Das hätte ich mir nie erwartet.

Was waren die wichtigsten Einflüsse, die dieses Album entstehen ließen?
Das erste Album der Foo Fighters war die Blaupause für mich. Auch Nine Inch Nails, Jimmy Eat World, Tool, AC/DC, Queens Of The Stone Age oder Alice In Chains sind große Einflüsse. Wenn du die alle verbindest, kriegst du wohl mein Album. (lacht)

Welche Zutaten muss ein Song haben, damit er für dich gut klingt und damit er dich zufriedenstellt?
Das ist eine harte Frage. Es gibt immer diesen Moment, wo du nicht weißt, ob ein Song fertig ist, aber du musst dich dafür entscheiden. Man muss seinem Gefühl folgen, aber ich glaube nicht, dass es da etwas Greifbares gibt, das einen zu einem fertigen Song führt.

Was waren die größten Herausforderungen beim Produzieren dieses Albums?
Das Songwriting im musikalischen Kontext funktionierte sehr schnell und einfach. Die größte Herausforderung waren die Texte und das Finden meiner Stimme. Ich habe es aber durchgestanden und viel dabei gelernt. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich jetzt weiß, was man alles in so einen Prozess reinstecken muss und weiß, dass ich so ein Album das nächste Mal auch in der halben Zeit schreiben kann. (lacht)

Hast du eigentlich viele Ideen umgeworfen und überarbeitet, weil die Grundideen schon zu alt waren?
Ich habe schon daran herumgebastelt. Ein paar Strophen verändert oder adaptiert und neue Ideen einfließen lassen, aber der Grundstamm der Songs stand relativ schnell und wurde auch nicht groß verändert.

Der Bonustrack „Distance“ ist die eindeutigste Hommage an deinen Vater und wurde auch visuell sehr bewegend umgesetzt. Hast du mal daran gedacht, ihn doch nicht zu verwenden, weil er zu persönlich für die Öffentlichkeit sein könnte?
Die Gedanken waren da, weil ich die Nummer eigentlich sowieso nicht für das Album verwenden wollte. Nachdem das mit meinem Vater passiert ist, hat sich der Release aber richtig angefühlt. Ich wollte ihm damit Tribut zollen und für mich war es der perfekte Moment. Musik ist absolut therapeutisch für mich, das ist alles andere als ein Klischee.

Hast du beim Songschreiben auch andere Unsicherheiten und innere Dämonen bekämpfen können?
Ich bin vollgefüllt mit diesen Dämonen. (lacht) Es ist ein ewiger Kampf und das Songschreiben kann auf jeden Fall helfen. Man geht durch die guten und schlechten Zeiten und analysiert sich und sein Leben mit Musik sehr gut.

Du hast nicht nur mit deinem Vater gespielt, sondern auch mit so unterschiedlichen Leuten wie Mark Tremonti oder Clint Lowery. Das sind alles ganz verschiedene Baustellen und Subgenres. Wie wichtig war dieser bunte Zugang zu Rockmusik für deine eigene musikalische Erziehung?
Ich wollte vor allem meine verschiedenen Geschmäcker abdecken und Erfahrungen in verschiedenen Bereichen sammeln. Im Prinzip sind all diese Künstler auf einer Seite der Münze zu finden, aber doch in verschiedenen Ecken daheim. Das hat mir dabei geholfen, meinen eigenen Sound zu diversifizieren. Zudem sind die Jungs alle großartig.

Gibt es einen Unterschied zwischen dem Projekt Mammoth WVH und Wolfgang Van Halen?
Nein. Wenn Wolfgang Van Halen eine Band wäre, dann wäre es das. (lacht) Beim Kreativprozess werde ich vielleicht auch weiterhin allein arbeiten. Zumindest am nächsten Album, aber ich bin offen dafür, dass sich die Liveband auch mal ins Songwriting einschalten wird. Ich denke, das ist ein natürlicher nächster Schritt.

Normalerweise sind Kinder speziell in ihren Teenagerjahren sehr rebellisch gegen ihre Eltern. Du bist musikalisch aber offenbar nie weit von dem Vermächtnis deines Vaters abgerückt?
Ich höre mir alle Arten von Musik an und ich finde es sinnlos, sich selbst in eine enge Box zu stecken. Dir eröffnen sich ganz neue Welten, wenn du offen und neugierig bist. Das führt dich auch menschlich auf die nächste Ebene.

Wird deine Musik zukünftig auch eher auf einer persönlichen Ebene stattfinden, oder wirst du auch ins Politische oder Gesellschaftskritische gehen?
Die Songs sind immer im Persönlichen verwurzelt. Ich stelle mich aber bewusst nicht ins Zentrum, sondern schreibe aus einer Perspektive, in der sich jeder andere finden kann. Ich will auch nicht Meinungen bilden oder den Menschen etwas vorkauen.

Ist es manchmal schwierig, dich zu öffnen und deinem Schmerz in den Texten freien Raum zu geben?
Das ist der therapeutische Aspekt des Songwritings. Aber da muss man durch, weil man sich damit ja auch von den Ängsten befreit. Es wird live sicher auch schwierig sein, wenn ich meine Seele ausgrabe, aber ich freue mich irrsinnig darauf, diese Nummern endlich live zu spielen.

Die ganz großen Tage der Rockmusik sind zumindest vorläufig gezählt. Bist du der beste junge Beweis für eine neue Gegenbewegung?
Ich liebe diese Musik und tue natürlich mein Bestes, den Rock wieder populärer zu machen. Ich habe einfach Spaß daran und es fühlt sich gut und natürlich an.

Wenn du es dir aussuchen könntest, mit welchen Bands würdest du am liebsten touren?
Oh mein Gott, wenn wir von der absoluten Spitze und einem Wunschkonzert reden, dann wären das die Foo Fighters oder AC/DC.

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