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KW 32 - die wichtigsten Neuerscheinungen der Woche

Musik
08.08.2020 06:00

Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!

(Bild: kmm)

100 Kilo Herz - Stadt Land Flucht
„Brass Punk“ als Genre - gibt’s das eigentlich? Auch egal, aber die Leipziger 100 Kilo Herz heben sich genau durch die Ska- und Brass-Elemente von Feine Sahne Fischfilet ab. Ansonsten sind die Ähnlichkeiten teilweise frappant, vor allem inhaltlich. 100 Kilo Herz tragen ihr schweres Organ eindeutig auf der Zunge und positionieren sich so linkspolitisch wie nur möglich. „Tresenfrist“, „Drei vor Fünf vor Zwölf“ oder „Wenn es brennt“ lassen keine Zweideutigkeiten aufkommen und versuchen erst gar nicht, inhaltlich kryptisch aus dem Äther zu kommen. Musikalisch wird das mit der enervierenden Stimme und den Rhythmuswiederholungen auf Langstrecke aber etwas mühsam, da wäre weniger mehr gewesen. Genrefans wissen aber ohnehin, was zu tun ist. 6/10 Kronen

Idris Ackamoor & The Pyramids - Shaman!
Idris Ackamoor ist ein Multitalent im wahrsten Sinne des Wortes. Er beherrscht nicht nur eine Wagenladung an Instrumenten, sondern versteht sein künstlerisches Handwerk abseits der Musik auch als Dichter. Auf seinem mit den Pyramids aufgenommenen neuen Album „Shaman!“ sucht er einmal mehr nach dem Ungesagten und Unbekannten und spielt dabei sich und sein Publikum in wohlige Jazz-Trance. Seelenkitzeln könnte man zu den fein ziselierten Kompositionen sagen, die sich gerne ins Spirituelle wagen und öfter mal an Weltmusik gemahnen, ohne aber zu sehr ins Allumfassende abzugleiten. In vier Akten erzählt uns Ackamoor von den wichtigen Dingen des Lebens - ein Festmahl für Liebhaber, aber etwas sperrig für Neueinsteiger. 7/10 Kronen

Aminé - Limbo
Mit seinem Debütalbum „Good For You“ überraschte der aus Portland stammende Rapper Aminé 2017 nicht nur durch handwerkliches Talent, sondern auch aufgrund des zur Schau gestellten Charismas und der durchaus erfolgreichen Single „Caroline“. Der Albumnachfolger „Limbo“ zeigt den 26-Jährigen nun deutlich gereift. Schon im Opener „Burden“ befasst er sich mit im Knast sitzenden Freunden, „Woodlawn“ ist eine Liebeserklärung an seine Hood, in „Kobe“ reflektiert er - angestachelt vom Hubschrauberabsturz mit Basketball-Superstar Kobe Bryant - seine eigene Sterblichkeit. Optimismus und Realismus halten sich hier die Waage, ebenso die nachdenklichen und befreiten Momente. Aminé hat definitiv sein nächstes Level erreicht und ist nicht bereit, hier stehenzubleiben. 7,5/10 Kronen

Another Sky - I Slept On The Floor
Nach einem Emily-Dickinson-Gedicht benannt, das Cover-Artwork mit den verschmolzenen Gesichtern schon mystisch gehalten und dazu sinistre Indie-Klänge, denen Optimismus gänzlich fern liegt. Die Londoner Another Sky greifen auf ihrem Debütalbum „I Slept On The Floor“ ziemlich tief in die Genre-Klischeekiste, aber machen das mit größtmöglicher Authentizität und Herzblut. Aus dem Gros des Mitbewerbs sticht vor allem die Stimme von Frontfrau Catrin Vincent hervor, die tatsächlich eine völlig neue Farbe in den Pop klingt. Die elektronischen Verzerrungen in den fragilen Songs erinnern zuweilen an die Experimentierfreudigkeit eines James Blake. Der Titeltrack oder „Riverbed“ sind derart sanft akzentuiert, dass sie schon beim Eintritt in die Gehörgänge zu zerbrechen drohen. Ein wundervolles Kleinod, für das man aber eine gewisse Liebe zur Niedergeschlagenheit mitbringen sollte. 7,5/10 Kronen

Avatar - Hunter Gatherer
So ganz erschließt sich mir der Hype um die Schweden von Avatar nicht. Womöglich liegt es aber an der Mischung aus optischer Horror-Comedy, dem mit Thrash-Versatzstücken zersetzten Modern Metal und der stets nachvollziehbaren Melodielastigkeit, die nun eben auch für Menschen hör- und fassbar ist, die sich vor Metal per se eher ungern vereinnahmen lassen. Irgendwo zwischen Retro-Goth, Mainstreamlastigkeit und der schnellen Befriedigung der Wacken-Stammgäste pendelt auch das in L.A. bei Slipknot-Produzent Jay Ruston live aufgenommene „Hunter Gatherer“, das natürlich qualitativ stark ertönt, aber nichts Originelles oder Innovatives aufzuweisen hat. Zudem geht der Band zwischnzeitlich immer wieder mal die Luft aus bzw. langweilen Songs wie „God Of Sick Dreams“ oder „Child“ vornehmlich. Für die örtliche Geisterbahn reicht’s mit Sicherheit. 6/10 Kronen

Black Crown Initiate - Violent Portraits Of Doomed Escape
Blöd, wenn sich die Schlagzeilen gerade rund um die Veröffentlichung eines neuen Albums verschieben. Bei Black Crown Initiate betraf es Sänger James Dorton, der sich während seiner mittlerweile überstandenen Krebserkrankung an dubiose Wunderheiler und irrgeleitete Organisationen wendete und für denen kräftig die Werbetrommel rührte. Da geht das nun erscheinende „Violent Portraits Of Doomed Escape“ zu Unrecht unter, denn in punkto verspielter Pro Metal mit Death-Metal-Schlagseite und schöner Gesangsleistung sind die Burschen auch auf dem dritten Full-Length-Album unschlagbar. Irgendwo zwischen Tesseract, Periphery und sogar Meshuggah knüppelt und frickelt man knapp eine Stunde im hochwertigen Könnersektor und langweilt dabei so gut wie nie. Ein wirklich starkes Teil, dessen Musik hoffentlich ähnlich hohe Wellen schlägt, wie der fragwürdige Wunderheiler-Ausflug des Frontmannes. 7,5/10 Kronen

Blvth - One World EP
Hinter den Kulissen ist der gebürtige Albaner Patrick Kowalewski eine der schillerndsten und wichtigsten Figuren im deutschen Populärmusikbereich. Er produzierte unter anderem Caspers Megaseller „Lang lebe der Tod“ und die Casper/Marteria-Kollaboration „1982“, außerdem hat er auch Kraftklub-Frontmann Kummer mit dessen Solodebüt auf die eins gebracht und international mit K.Flay gearbeitet. Mit „One World“ erscheint nun eine weitere EP von Blvth, so sein Künstlername, für die er Freunde und Wegbegleiter wie Bülow, Kareem Kalokoh oder Majan ins Boot holte. Fünf flotte Tracks zwischen Hip-Hop, Electro und Pop - ein buntes Potpourri, wie es eben derzeit die Charts dominiert. Ohne Bewertung

Joe Bonamassa - A New Day Now
Erst vor wenigen Tagen hat Gitarrenmeister Joe Bonamassa für Oktober sein neues Studioalbum „Royal Tea“ angekündigt und damit querbeet für Schnappatmung gesorgt, doch davor feiert er noch ein Jubiläum gebührend. Vor exakt 20 Jahren erschien sein Debütalbum „A New Day Yesterday“, dessen er sich nun noch einmal angenommen hat. Unter dem Namen „A New Day Now“ hat er das Album neu gemixt, neu gemastert und schlussendlich auch noch einmal neu eingesungen - nur die Instrumentalspuren hat er dann doch so gelassen, wie sie im Jahr 2000 waren. Songs wie „Cradle Rock“, „A New Day Yesterday“ oder „Colour And Shape“ haben nichts von ihrer Magie verloren, doch das ganze Paket ist natürlich nur für Hardcore-Fans und Allessammler. Ohne Bewertung

Bronson - Bronson
Das ist mal eine wirklich funktionierende Kombination zweier Branchengrößen. Die Grammy-nominierten Odesza haben sich mit dem australischen Produzenten Golden Features zusammengetan, um ihre Vision von elektronischer Musik unter dem Banner Bronson in die Welt zu schießen. Weg vom ballernden EDM-Sound sorgt die Kooperation für chilligere Klänge. Zeitgemäße europäische Clubmusik, bevorzugt aus dem deutschen und britischen Bereich, standen Pate für dieses mehr als gelungene Werk, das gleichermaßen zum Tanzen, Träumen oder einfach nur Genießen lädt. Besonders die filigranen Spannungsbögen, die Songs wie „Vaults“ oder „Call Out“ durchziehen, sorgen für ein besonders angenehmes Hörvergnügen. Ein Album zum Fallenlassen. 8/10 Kronen

Brüder4Brothers - Brotherhood
Bei dem Wulst an Veröffentlichungen passiert es immer wieder mal, dass einem etwas durchrutscht, das man gerne gehört hätte. Viel öfter passiert es aber leider, dass man etwas hört, dass einem lieber durchgerutscht wäre. Brüder4Brothers ist eine Mischung aus den US-amerikanischen Orange County Choppers und der Südtiroler Proletenpartie Frei.Wild, die oft und gerne mit schwerrechtem Gedankengut anecken. Das Ganze ist ein mit gepresster Aggro-Stimme und primitivster musikalischer Unterstützung vorgetragenes Panoptikum des musikalischen und inhaltlichen Grauens. Irgendwo zwischen den Böhsen Onkelz und eben Frei.Wild wird stumpf gelärmt, auf dicke Hose gemacht („Steel Horse“) und toxischer Maskulinität gehuldigt („Pussy Or A Man“). Der perfekte Soundtrack für unreflektierte Internet-Trolle, Maskenverweigerer und Kleingeister. Schon jetzt der Tiefpunkt des Monats. 0,5/10 Kronen

Luke Bryan - Born Here Live Here Die Here
Puh, als ob es an übertriebenem Pathos und überbordender Heimatliebe gerade eben noch nicht gereicht hätte, kommt mit mehrmonatiger Corona-Verspätung auch noch US-Country-Star Luke Bryan mit neuem Material um die Ecke. Nicht falsch verstehen - der Mann, der seit zehn Jahren mit jedem seiner Alben auf Platz eins der US-Charts landete ist musikalisch im Country-Genre über alle Zweifel erhaben, der Albumtitel „Born Here Live Here Die Here“ lässt aber schon einmal kurz ächzen. Der Gute-Laune-Lieferant mit dem unwiderstehlichen Colgate-Lächeln eckt freilich nirgends an und vermittelt die heile Welt von Stetson, grasenden Kühen und unendlichen Weiten so wie kein Zweiter. Doch Obacht: Mit Songs wie „What She Wants Tonight“ bewegt sich noch weit mehr Richtung Pop denn je zuvor. Ein bisschen heile Welt brauchen wir doch alle. 7/10 Kronen

BTS - Map Of The Soul: 7 - The Journey
Das Phänomen BTS kann man eigentlich längst nicht mehr in Worte fassen. Auch wenn Europa in punkto Bandhype noch hinterherhinkt, keine Band ist derzeit weltweit erfolgreicher und populärer als die Südkoreaner, die sogar die US-Charts eroberten - und das ohne sich zu verbiegen oder auf englische Texte zu setzen. Das Septett ehrt vor allem der Einsatz. Je mehr Erfolg, umso ambitionierter wird man für weitere Projekte, was man auf „Map Of The Soul: 7 - The Journey“ einmal mehr hören kann. Von Pop-Hits über Rap-Banger bis hin zu sanften Tanzballaden und schwedischen angehauchten EDM-Disco-Hits ist alles vorhanden. BTS haben keine wirkliche Identität und sich gerade deshalb eine erschaffen, die der Generation ihrer Hörer gleicht: alles darf, nichts muss. Man muss sich aber auch darin fallen lassen, um diesen Hype fassen zu können. 7/10 Kronen

Curses - Chapter II: Boom
Aus den Untiefen von West Virginia heraus haben sich die Curses in den letzten Jahren einen Namen im Metalcore gemacht. Richtig gehört - das lange für tot gehaltene Genre hat längst wieder sein Revival und zeitigt neben übriggebliebenen Größen von einst auch spannende Newcomer, die etwas vom neu verteilten Kuchen abkriegen möchten. Klar, mehr Reife und einen in gewisser Weise souveränen Zugang als beim Debüt vor drei Jahren haben die US-Amerikaner natürlich, aber obwohl man eruptive Explosionen, Clean-Gesang und progressive Stellen á la Periphery oder Tesseract fast gleichberechtigt vermischt, fehlt es einfach am letzten Quäntchen Nachvollziehbarkeit, um so richtig in das Album fallen zu können. So bleibt „Chapter II: Bloom“ doch nur eines von vielen Werken aus dem leidlich übersättigen Bereich. 5/10 Kronen

Death By Stereo - We’re All Dying Just In Time
Keine schlechte Woche für Hardcore/Metalcore, muss man schon sagen. Ähnlich wie an späterer Stelle Misery Signals geben auch Death By Stereo ein doch eher überraschendes Comeback. Das letzte Studioalbum datiert aus dem Jahr 2012, doch „We’re All Dying Just In Time“ lässt nichts von den alten Vorzügen vermissen. Gegen den Präsidenten wird ebenso gewettert wie gegen diverse Missstände im US-System, aber dafür ist der Hardcore auch da. Death By Stereo würzen ihre Version des Genres lieber mit Punk als mit Metal und klingen damit nicht nur ursprünglicher, sondern in gewisser Weise auch etwas zugänglicher. Sarkasmus und Zynismus sind ebenso wichtig wie partielle „Oooho“-Chöre, wie man sie aus dem Genre so liebt. Anspieltipps: „California Addiction“ und „In Sing For You (Part Deux)“ - welcome back! 7,5/10 Kronen

The Fall Of Troy - Mukiltearth
Die Post-Hardcore-Band The Fall Of Troy hatte es nie wirklich leicht. Vier Studioalben im musikalischen Fahrwasser von At The Drive-In brachten zwar etwas Ruhm, wiederkehrende Drogen- und Alkoholprobleme und zahlreiche Bandauflösungen abseits und sogar auf der Bühne zierten die Karriere der Washingtoner. Mit „Mukiltearth“ zeigt die einmal mehr reformierte Band ihr altes und neues Gesicht. Die erste Hälfte des Albums besteht aus den allerersten Songs, die im Jahr 2001 geschrieben wurden, auf der zweiten Hälfte geht man in die Gegenwart und zeigt sich geläutert und gereift. Ein besonders interessantes Projekt, bei dem man weniger Unterschiede erkennt als vielleicht gedacht. Ein Festmahl für Freunde der Frickelei. Ohne Bewertung

Great Gable - Tracing Faces
Coming-Of-Age-Alben sind per se immer etwas Gutes. Die dem Teenageralter entwachsenen Bands sind jung, frisch, motiviert, voller Ideen und meist noch unverbraucht. Zu einem großen Teil trifft das auch auf die Westaustralier von Great Gable zu, die sich skurillerweise nach einem „Berg“ in Großbritannien benannt haben. In ihrer Heimat haben sie sich mit Live-Aktivitäten schon abseits von Medien und Radio ein Publikum erschaffen, da das gerade nicht möglich ist, war es nun eben Zeit für das Debütalbum „Tracing Faces“. Ihr psychedelischer Pop lädt zu einer mysteriös-magischen Reise, die nur anfangs an Britpop der Marke Oasis oder Blur (nach der sie sogar einen Song benannten) erinnert. Danach kommen einen auch die Giant Rooks oder die Arctic Monkeys in den Sinn. Diese Unfassbarkeit macht das junge Gespann besonders spannend. Im Auge behalten! 7,5/10 Kronen

Helgen - Die Bredouille
Angenehm, wenn deutscher Pop nicht automatisch nach Max Giesinger und Co. klingt, sondern sich in seiner Machart lieber an Tocotronic orientiert. Die Nordlichter von Helgen servieren uns mit ihrem Zweitwerk „Die Bredouille“ tatsächlich ein feines Indie-Pop-Highlight, das höchste Aufmerksamkeit verdient. In mal mehr und mal weniger sanften Melodien verpackt das Trio aus Hamburg Alltagssorgen, Beziehungsprobleme und Umweltthemen, die uns auf diesen Planeten eben immer wieder in die Bredouille bringen. Songtitel wie „Der Grashalm im Orkan“ oder „Wie gut, dass du spinnst“ verdienen zudem einen Sonderapplaus. Ein wirklich feines Werk. 7,5/10 Kronen

In Hearts Wake - Kaliyuga
Schon auf den letzten Alben haben sich die Australier In Hearts Wake mit den weltlichen Elementen befasst und immer wieder Klimathemen angesprochen. „Kaliyuga“ treibt das umweltfördernde Konzept der Metalcore-Band nun an die Spitze. Frontmann Jake Taylor hat eigenhändig den Kohlenstoff-Fußabdruck der gesamten Produktion herausgerechnet und ließ das Material umweltbewusst verpacken. Angefeuert von den verheerenden Buschbränden in seiner Heimat, der Corona-Pandemie und der zunehmenden Luftverschmutzung geht man in 13 Songkapiteln der dystopischen Zukunftsaussichten der Menschheit auf den Grund. Das nicht immer mit der Brechstange, sondern auch oft hochmelodisch und entspannt. Ambitioniert! 7/10 Kronen

Jaga Jazzist - Pyramid
Den angestaubten Jazz in die Moderne zu bringen und einem jüngeren Publikum begreifbar zu machen, das ist ein Vorsatz, den das achtköpfige Kollektiv Jaga Jazzist aus Norwegen nun schon einige Jahre verfolgt. Auf dem neuen Album „Pyramid“ vermischt die Truppe einmal mehr traditionellen Jazz mit Saxofon-Fokus („Tomita“) und zeitgemäße Elektronik, die wie selbstverständlich in den Grundsound hineinverknüpft wird. Jedes der acht Mitglieder darf auf dem spannenden Instrumentalwerk für sich glänzen und bekommt in den vier überlangen Tracks die Möglichkeit, sich ordentlich auszuleben. Durch die schwungvolle Atmosphäre gelingt es Jaga Jazzist tatsächlich, Spannung und Gediegenheit zu verknüpfen, ohne je langweilig zu wirken. 7,5/10 Kronen

Jaye Jayle - Prisyn
Den amerikanischen Tasendsassa Evan Patterson auf ein Genre festzulegen ist schon per se schwierig, doch auf „Prisyn“, dem neuen Album seines Projekts Jaye Jayle fast unmöglich. Ist es dunkler Blues mit Cowboy-Attitüde? Ist es ein sakraler Gottesdienst, wie man ihn von Nick Cave kennt? Sind die New-Wave-Anleihen doch mehr als nur eine Ehrerbietung an die britischen 80er-Jahre? Man weiße es nicht so genau, doch gerade die Cave-Vergleiche stoßen durch Patterssons finstere und tiefe Stimme in Songs wie der Berlin-Hymne „The River Spree“ oder „Synthetic Prison“ besonders hervor. Die synthetische Kühle hat er sich von Nine Inch Nails abgeschaut. „Prisyn“ muss man sich hart erarbeiten, erschließt sich einem das Werk aber einmal, dann lässt einen die Sogwirkung nicht mehr los. 7,5/10 Kronen

Liedfett - Durchbruch 2020
Hamburg ist in dieser Woche stark vertreten. Nicht nur die Indie-Popper von Helgen warten mit neuem Material auf, auch die selbsternannten „Punk-Vagabunden“ von Liedfett wollen es mit „Durchbruch 2020“ wieder wissen. Das „Dasein als Planet Mensch“ wollen Daniel Michel und Co. aufwerfen und lassen es sich natürlich nehmen, wieder sozialkritische Texte mit Lebensbeobachtungen zu vermischen. „Komm mal wieder runter“, „Urteil“ oder „Das Loch“ bewegen sich meist im Hochgeschwindigkeitssegment und zeigt die Band ungebrochen motiviert. In „3G“ lässt man gar der verständlichen Liebe für Gigi D’Agostino freien Lauf und das abschließende „Sag mir“ überrascht mit einer romantischen Reggae-Grundstimmung. Eine runde Sache. 7/10 Kronen

Lord Of The Lost - Swan Songs III
Im Goth Rock- und Dark Metal-Bereich sind Lord Of The Lost schon seit Jahren eine Konstante. Frontmann Chris Harms liebt es zudem sehr episch und kommt dieser Tage bereits mit dem dritten Teil seiner „Swan Songs“-Reihe um die Ecke. Orchestral mit dem „Lord Of The Lost Ensemble“ wurden neun brandneue Songs und viele Klassiker aus der reichhaltigen Diskografie der Band. Vor allem Harms‘ weiche Stimme und die an US-Singer/Songwriter angelehnte Produktion weiß dabei durchaus zu überzeugen. Den Song „We Were Young“ hat die Band gar mit dem Ü70 Heaven Can Wait Chor aufgenommen, was sogar vom ZDF ausreichend gewürdigt wurde. Ohne Bewertung

Tkay Maidza - Last Year Was Weird (Vol. 2) EP
Das wir mittlerweile schon vier geschlagene Jahre auf einen Nachfolger zum gefeierten Albumdebüt „Tkay“ warten müssen ist hart, aber glücklicherweise zeigt sich die australische Rapperin Tkay Maidza alles andere als faul und wartet immer wieder mit neuen Singles oder EPs auf. „Last Year Was Weird (Vol. 2)“ passt als Titel wie die Faust aufs Auge und ist der Nachfolger des 2018er Erstwerks. Einmal zeigt die 23-Jährige eindrucksvoll, warum sie zu den derzeit spannendsten Künstlerinnen in der Popkultur zählt. Eröffnet sie auf „My Flowers“ noch sehr poppig, verwandelt sie sich auf „Shook“ in eine geübte Bouncerin, bis sie auf „Awake“ gemeinsam mit JPEGMAFIA in die Trap-Hölle lädt. Beeindruckend auch der Flow von „Grasshopper“ und die Hittauglichkeit von „You Sad“. Hier macht einfach alles Spaß. Ohne Bewertung

Malus Votum - Tradition
Dreizack, Teufelshörner, satanische Botschaften - schon das Cover-Artwork von „Tradition“ vermittelt allerhöchste Ursprünglichkeit im Black Metal. Malus Votum sind ein Duo aus New Hampshire, dass man in der US-Szene schon von anderen Projekten kennt, hier aber ihr wirkungsvollstes Konglomerat gegründet haben. Die vier überlangen Songs strotzen nur so vor demütiger Ehrerbietung an die Großen des Genres. Vor allem Darkthrone zu „Transilvanian Hunger“-Zeiten lassen sich auf dem bewusst schlecht produzierten Werk gut heraushören. Hier poltert und rumpelt es aus allen Ecken und Enden. Keine Tonspur zu viel, kein unnötiges Instrument, nichts. Einfach roher, böser, traditioneller Black Metal, der auch nichts anders vermitteln möchte. Ugh! 7,5/10 Kronen

Cory Marks - Who I Am
Die Karrierekurve von Cory Marks ist beeindruckend. Der Kanadier, der den wahrscheinlich härtesten US-Country der Gegenwart spielt, trat noch vor wenigen Jahren in schummrigen Bars auf und hat mittlerweile Zusammenarbeiten mit Mick Mars (Mötley Crüe) oder Ivan Moody (Five Finger Death Punch) in der Vita stehen. „Who I Am“ ist nun das heiß ersehnte Debütalbum des Senkrechtstarters und erfüllt die Erwartungen relativ mühelos. Neben der massig gestreamten Erfolgssingle „Outlaws & Outsiders“ überzeugt das brettharte „Devil’s Grin“ genauso wie eher traditionelle Songs der Marke „Drive“. Besonders gelungen ist auch die Ballade „Out In The Rain“ mit Halestorm-Frontfrau Lzzy Hale. Hier wächst definitiv ein Superstar heran. 7,5/10 Kronen

Megascavenger - Songs In The Key Of Madness
Etwas über Rogga Johansson zu schreiben ist gar nicht so einfach. Der Schwede ist wahrscheinlich der weltweit fleißigste Metal-Musiker und veröffentlicht mit seinen gefühlt 382 Bands etwa im Vierteljahrestakt neue Alben. Dass dann nicht sonderlich viel Zeit für Ausgereiftheit bleibt, versteht sich von selbst. Megascavenger hat er erst letztes Jahr wieder aus der Kurzversenkung geholt, wobei er nun mit „Songs In The Key Of Madness“ gleich nochmal nachlegt. Der Name ist natürlich Programm, hier wird ohne Unterlass und ohne Pause geholzt, dass es kein Morgen gibt. Das heilige Landsleute-Triumvirat Grave, Dismember oder alte Entombed hört man zu jeder Zeit heraus, nach nicht einmal 30 Minuten ist auch alles gesagt, was es zu sagen gibt. Bumm, zach! 7/10 Kronen

Meimuna - Bestiarie II EP
In ihrer Schweizer Heimat ist Cyrielle Formaz aka Meimuna längst keine Unbekannte mehr. Mit sanftem Folk, einer betörenden Stimme und bewusst akzentuierter Instrumentierung lädt sie zum Träumen und Schwelgen ein und bietet einen sanften Gegenpol zum Krach der Welt. Auf ihrer dritten EP „Bestiarie II“ kreist sie inhaltlich um das Thema Tiergestalten und reflektiert ihren Sound in französischer Sprache. Fein aufbauende Perkussion und ein Cello verstärken die Klangwelten der Künstlerin, die mit „Moby Dick“ eine Hommage an den berühmten Pottwal zeichnet oder in „Dans le Noir“ plötzlich die Perspektive wechselt und sich als gejagtes Tier inszeniert. Ein naturbezogenes Werk, das von betörender Schönheit ist. Ohne Bewertung

The Microphones - Microphones In 2020
Zwischen 1996 und 2003 begeisterte Phil Elverum mit seinen Microphones von Olympia, Washington aus die US-Indieszene. Ein paar Jahre nach der Grunge-Explosion und noch vor Machtübernahme des Hip-Hop war diese Zeit eine besonders fruchtbare für sanfte Soundelegien - man denke etwa auch an die Eels. Das Album „Mount Eerie“ führte 2003 dann zum Ende der Band und einer Umwandlung, die bis heute anhält. Es ist also mehr als eine mittlere Sensation, dass mit „Microphones In 2020“ plötzlich aus dem Nichts, nach 17 Jahren, ein neues Album auftaucht. Das besteht streng genommen nur aus einem einzigen, 44 Minuten langen Song. Nostalgie und Gegenwart werden wunderbar verknüpft und der Song verströmt zu jeder Zeit die fragile Intimität der frühen Tage. Welcome back, du hast wirklich gefehlt! 8/10 Kronen

Misery Signals - Ultraviolet
Na das hat ja ganz schön lange gedauert. Die US-Metalcore-Band Misery Signals, die nie so ganz in der ersten Genreliga angekommen war, hat sich in den letzten Jahren rar gemacht und 2016 erstmals ein neues Album angekündigt. Vier Jahre sind seither ins Land gezogen, dazwischen waren sie mit Unearth und Darkest Hour im Zuge der „Death To False Metalcore“-Tour sogar in Wien zu sehen - aber jetzt ist es doch so weit. „Ultraviolet“ ist das erste Album nach sieben Jahren und knüpft tatsächlich nahtlos an die eigene Vergangenheit an. Die Re-Integrierung des Original-Line-Ups tut Band und Musik mehr als gut, denn man konnte sich die Frische der frühen Tage scheinbar mühelos bewahren. Es dauert allerdings bis zur Albumhälfte, bis man das klassische Geballer mit mehr Finten und Melodien spannender gestaltet. Dennoch: Party like it’s 2003 - warum nicht? 7/10 Kronen

Jason Molina - Eight Gates
Als Neil Young seiner Generation galt der US-amerikanische Indie-Singer/Songwriter Jason Molina, der 2013 im Alter von 39 Jahren nach jahrelangem, herbem Alkoholkonsum viel zu früh an multiplen Organversagen starb. Auf dem posthumen Album „Eight Gates“ hört man nun neun skizzenhafte Songs, die er nach seinem temporären Umzug 2006 nach London schrieb, wo ihm angeblich allerlei Kurioses wie ein giftiger Spinnenbiss und die Sichtung grüner Papageien widerfuhr, wofür es rundum keine Bestätigungen gibt. Der krude Geist des feinsinnigen Musikers zieht sich durch die sanften, unfertigen und völlig naturbelassenen Songs, die eine ganz besonders Form von analoger Schönheit vermitteln. Der Vergleich mit ausgegrabenen Neil-Young-Alben hinkt tatsächlich nicht. 7,5/10 Kronen

Moonspell - The Butterfly Effect Re-Release
Als „The Butterfly Effect“, das vierte Album der Portugiesen Moonspell vor 21 Jahren auf die Menschheit losgelassen wurde, war der gleichnamige Film mit Ashton Kutcher noch nicht einmal eine Kopfgeburt. Für Fans der Metalband war das Werk zudem ein hartes Stück, denn mehr denn je lösten sich Fernando Ribeiro und Co. vom melodischen Dark Metal und tauchten tief in die New-Wave-Schiene der 80er-Jahre ein. Songs wie „Can’t Be“ oder „Lustmord“ zeigten aber keine stilistische Abkehr vom herkömmlichen, sondern eine durchaus geschickte, wenn auch anfangs gewöhnungsbedürftige Vermischung beider Welten. Mit neuem Artwork, zwei Remixes und kleinen Spielereien macht die Wiederauflage nur für echte Fans Sinn. Ein verkanntes Meisterwerk ist „The Butterfly Effect“ aber bis heute geblieben. Ohne Bewertung

Liela Moss - Who The Power
Mit dem Debüt „My Name Is Safe In Your Mouth“ hat sich die Britin Liela Moss vor zwei Jahren verdient einen Namen im Pop-Underground verschafft. Die 80er-Reminiszenzen vermischt mit moderner Elektronik und einer oftmals an Kate Bush gemahnenden Elfenstimme überzeugt nicht nur Liebhaber von Dream- und Art-Pop, sondern vermochte auch sanft am Mainstream-Markt zu streifen. Pop mit Darkwave-Einschlag gibt es auch auf „Who The Power“ zuhauf zu bestaunen. Das in Somerset mit Lebenspartner Toby Butler eingespielte Zweitwerk erklingt in seinen besten Momenten wie eine hellere Version von Angel Olsen und befasst sich mit relevanten Themen wie Konsumkritik, persönliche Freiheit und dem Klimawandel. Das alles mit Vintage-Equipment und sphärischen Klangwelten. Ein Kleinod des elektronischen Indie-Pop. 8/10 Kronen

Alison Mosshart - Sound Wheel
Kein Wunder, dass Jack White so einen Narren an Alison Mosshart gefressen hat und sie auf seinem Third-Man-Label feiert. Mit den Kills und The Dead Weather hat sie längst schon mehrere Marksteine im Musikbusiness gesetzt, auf die man heute nicht mehr verzichten möchte. Ähnlich wie Lana Del Rey und viele andere ist nun auch sie auf den Spoken-Word-Zug aufgesprungen. „Sound Wheel“ setzt sie auch ihr erstes Buch, ein paar Gedichte und Malereien bei. Ein universelles, persönliches Kulturprojekt sozusagen. „Sound Wheel“ dreht sich um die schönen Dinge des Lebens. Rock’n’Roll, schnelle Autos, die Sonne in L.A. Es geht um das Touren und welche Affären sich daraus ergeben können. Amerikanischer könnte man Spoken Word wohl nicht interpretieren. Eine knappe Stunde Erzählgeschichte für Hardcore-Fans. Ohne Bewertung

Nayana IZ - Smoke & Fly EP
Manche Menschen haben die Musik oder den Beat einfach im Blut. Als Nayana IZ mit den Eltern in einem indischen Restaurant essen war, stieg sie auf einen Tisch und begann zu singen - im zarten Alter von fünf wagte sie sich an ersten selbstgeschriebenen Songentwürfen und auf dem Weg zum Erwachsenwerden wurde sie Teil des Londoner Kollektivs Nine8. Rap und Hip-Hop sind bei der heute erst 19-Jährigen weit mehr als bloße Musik und ihr außerordentliches Talent beweist sie auf ihrer Debüt-EP „Smoke & Fly“ souverän. Mit sanft eingewobenen Versatzstücken der indischen Kultur rappt sie im Up-Tempo-Bereich und optimistisch gestimmt darauf los und würzt Songs wie „Growing Pains“ oder „Kingdom“ mit starken Songlines und einem prägnanten Flow. Liebe, Wut, Erlebnisse, Erfahrungen - alles fließt hier zusammen und überzeugt. Bitte mehr davon! Ohne Bewertung

Not A Toy - Not A Toy EP
An Selbstvertrauen mangelt es dem jungen Gespann Not A Toy keineswegs. Laut ausufernder Selbstbeschreibung sieht man sich nicht als Band, nicht als reine Musiker und schon gar nicht als genrekonform. Vielmehr sei man ein „Abbild der tätowierten Jugend von heute, die im Schlafzimmer Musik produziert“. Man klinge so, wie wenn „Kanye West und Pharrell Williams eine Rockgruppe produzieren würden, die von Lana Del Rey und Jesse Rutherford angeführt wird“. Klar, dass man sich bei all dem Eigenlob nur Verheben kann. Was die erst heuer gegründeten Not A Toy auf ihrem Einstand präsentieren, ist durchaus nett, aber die Vermischung aus Teenage Angst, Trap-Beats und Punkrock-Feeling geht auch spannender und kreativer. Nicht Fisch, nicht Fleisch - aber Potenzial ist vorhanden. Ohne Bewertung

Onslaught - Generation Antichrist
Quo Vadis, Thrash Metal? Slayer haben letztes Jahr offenbar endgültig die Segel gestrichen, Kreator schwingen sich zwar zunehmend in lichte kommerzielle Höhen, wandern aber immer mehr gen Power Metal und auch Testament scheinen auf der Stelle zu treten. Dass ausgerechnet die alten Briten von Onslaught heuer als Rettung einspringen, überrascht. Die immer noch einzige große Thrash-Truppe aus Großbritannien kam in den letzten Jahren etwas aus der Spur, aber sieben Jahre nach dem letzten Album fährt die „Generation Antichrist“ große Geschütze auf. Neu-Sänger David Garnett bringt Songs wie dem Titeltrack, „Addicted To The Smell Of Death“ oder „Strike Fast Strike Hard“ den nötigen Wumms, die Riffsalven von Nige Rockett sind ohnehin über Zweifel erhaben. Eine personelle und musikalische Frischzellenkur, die sich voll ausgezahlt hat. Chapeau! 8/10 Kronen

Conrad Schnitzler & Frank Bretschneider - Con-Struct
Die Bedeutung des 2011 in Berlin verstorbenen Conrad Schnitzler für die elektronische Musikszene kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der experimentelle Visionär hat sich mit der Weitergabe seines Songs „Silvester Anfang“, das Mayhem als Intro zur Kult-EP „Deathcrush“ benutzten, auch in der Black-Metal-Szene zur Legende gemacht. Im Zuge der „Con-Struct“-Reihe, wo Schnitzlers legendäre Klangspuren mit der Musik anderer Künstler vermengt werden, ist Frank Bretschneider essenzieller Part von Teil vier. Dieser hat Schnitzlers Spuren als Sample-Module verwendet. So entstehen dissonante und punktuelle Soundmuster, Zusammenhänge und wohlige Rhythmen bleiben die seltene Ausnahme. Mit der Kreativität muss man als Hörer erst einmal Schritt halten. Dem Meister selbst hätte das Zerhackte wohl gut gefallen. Ohne Bewertung

Stand Atlantic - Pink Elephant
Das Pop-Punk längst wieder ein feines Revival feiert ist kein Geheimnis. Etwa zwei Dekaden nach den Hochzeiten von Blink-182, Sum 41 und Co. schicken sich Bands wie All Time Low oder Neck Deep zur endgültigen Staffelübergabe an. Aus Australien kommen auch Stand Atlantic mit der charismatischen Frontfrau Bonnie Fraser, die ihren Soundtrack für den Skateplatz aber mit etwas mehr Progressivität füllen. Das bedeutet, dass man mit Tracks wie „Eviligo“ auch einmal Richtung Mainstream-Rock schielt oder auf „Drink To Drown“ balladesken Herzschmerz verbreiten. Überhaupt sind hier Pop und Rock stärker ausgeprägt als Punk, was „Pink Elephant“ eine interessante Farbe und eine gewisse Eigenständigkeit verleiht. Der Weg nach oben ist mit den vielen Hymnen jedenfalls vorgezeichnet. 7,5/10 Kronen

Brad Stank - Kinky Om
Als „Sextentialist Pop Libertine“ bezeichnet sich der in Liverpool wohnhafte Brad Stank gerne. Sein bereits im Juni auf CD veröffentlichtes und nun auch auf Vinyl erhältliches Album „Kinky Om“ ist tatsächlich so etwas wie Romance Pop, so es diese Bezeichnung geben würde. Bradley Mullins, so sein bürgerlicher Name, changiert freudig zwischen Soul, Lounge Musik, Blues, Dream Pop und R&B und versucht sich eines weißen Marvin Gaye gleich an der maximalen Sexualisierung seiner Klänge. Wie das Flackern eines lodernden Kaminfeuers ergießen sich die einzelnen Kompositionen über einen. Besonders gelungen sind Songs wie „Sat On The Moon“ oder „Ultrasensual Bliss“. Wenn knisternde Musik eine Stimmung wäre, sie würde wie „Kinky Om“ klingen. 7/10 Kronen

Temple Nightside - Pillars Of Damnation
Verlässlich wie ein Uhrwerk warten die Australier von Temple Nightside alle paar Jahre mit einem neuen Hassbrocken auf, der garantiert keine Gnade kennt. Das ändert sich auch auf dem Viertwerk „Pillars Of Damnation“ nicht, wo die Grundstrukturen von Black Metal durchzogen sind von bitterbösem Todesmetall, der in seiner abgestumpften Rigorosität an Incantation, Dead Congregation oder die Landeskollegen von Grave Upheaval erinnert. Kosmische Ansätze vermutet man gar zu verorten und in Songs wie dem famosen „Morose Triumphalis“ gelingt es dem Quartett sogar, so etwas wie eine Melodie in das Geschrote zu impfen. Modernität versucht man genausowenig zu heucheln wie simple Nachvollziehbarkeit, dafür sind sich die Outback-Outlaws zu schade - gut so! 7,5/10 Kronen

Steve von Till - No Wilderness Deep Enough
Der Amerikaner ist der Inbegriff der Vielseitigkeit. Bei den Sludge-Legenden Neurosis ist Steve von Till Gitarrist und Sänger, unter dem Banner Harvestman veröffentlicht er Psychedelisches, solo befindet er sich meist auf folkigen Pfaden. Jetzt hat der langbärtige Fürst der Finsternis gleich doppelt zugeschlagen. Seinem neuen Solowerk „No Wilderness Deep Enough“, das eine gewaltige Sound-/Wetterschere aufweist, stellt er auch gleich einen ersten Gedichtband bei. Musikalisch wagt sich von Till einmal mehr in unbekannte Gefilde und vermischt die düstere Erzählweise eines Nick Cave mit der elektronischen Ambient-Schicht von Brian Eno. Halluzinogen und paralysierend als Begriffe für die dargebotene Richtung zu verwenden, ist jedenfalls durchaus angebracht. Fragen über das Menschsein und den Wert des Menschen in dieser Welt verpackt er in Mellotron- und Piano-geschwängerte Soundpreziosen, die den letzte Funken Hoffnung nehmen. Monumental! 8/10 Kronen

Vassafor - To The Death
So ist das also. Ihr dachtet, das Brachiale von Temple Nightside einen Platz davor kann man nicht mehr übertreffen? Das ist zumindest diskutabel, denn direkt daneben, nämlich aus Neuseeland, schicken sich Vassafor mit ihrem dritten Album zeitgleich an, Unheil und Verderben über die Welt zu bringen. Die Unterschiede sind natürlich gegeben - Vassafor setzen stärker auf Black-Metal-Riffs, gemahnen in Songs wie „Eyrie“ schon mal an den kompositorischen Genius eines Jon Nödtveidt/Dissection, und ersetzen das stumpfe Geprügel der Australier mit einer technischeren, Morbid Angel-ähnlichen Zugangsweise. Grabschürfen ist natürlich auch hier angesagt, nur doch etwas filigraner und feingeistiger. Da drüben, am Ende der Welt, liegt jedenfalls einiges im Argen. 7/10 Kronen

The Vice - White Teeth Rebellion
Black’n’Roll also. Ist jetzt per se keine neue Subgenre-Kreation, sondern gemeinhin weit verbreitet. Satyricon etwa haben mit „Now, Diabolical“, das wohl stärkste Statement in den Orbit geschossen. Auch Carpathian Forest, die Übersee-Metaller von Goatwhore und im erweiterten Sinne das Geisterbahn-Kollektiv von Tribulation ist dort zu verorten. Nicht ganz so bekannt wie all die Genannten ist das schwedische Trio von The Vice, dass seine Form des Sounds aber auch mehr auf Rock denn auf Metal konzentriert. „White Teeth Rebellion“, „Cradle And To Ease“ oder das üppige Abschlussstück „Deluge“ sind kompositorisch schon spannend, aber nicht wirklich durchdringend. Die gepresste Stimme von Frontmann Rikard langweilt zudem nach spätestens vier Songs und nimmt den guten Songwriting-Ansätzen daher viel an Drive. Ein liebevoll arrangiertes, aber leider nicht restlos überzeugendes Album. 6,5/10 Kronen

Narada Michael Walden - Immortality
Im Fahrwasser des legendären und zurecht kultig verehrten Mahavishnu Orchestra hat Michael Walden seine Karriere als deren Drummer begründet. Der zweifache Grammy-Gewinner erhielt seinen Spitznamen Narada von Guru Sri Chinmoy in den 70er-Jahren und hat seither mit Legenden wie Jeff Beck oder Joe Zawinul zusammengearbeitet. Auf seinem neuen Werk „Immortality“ verbeugt sich der Künstler vor Größen wie Aretha Franklin oder Horace Silver und präsentiert über eine Länge von acht Songs hinweg Fusion-Musik in ihrem besten Sinne. Irgendwo zwischen Soul und Pop, Jazz und Funk, Hendrix und Santana findet Walden sein Seelenheil. Ein nostalgisches Album mit einer großen Liebe zur Vergangenheit. 6,5/10 Kronen

Washed Out - Purple Noon
Ernest Greene, so der bürgerliche Name des Masterminds, das hinter Washed Out steht, hat mit seinem Projekt Anfang der 2010er-Jahre einen Chillwave-Trend losgetreten, nur um sich dann davon zu lösen und auf dem Drittwerk „Mister Mellow“ seine große Liebe für Hip-Hop zu integrieren. Das Experiment gelang, nicht aber für seine Fans. Nach einem Album Abstand ist Greene wieder beim Grunge-Label Sub Pop angelangt und geht auf „Purple Noon“ auch musikalisch back to the roots. Konzeptionell erzählt er die Geschichte einer alles umspannenden Beziehung vom Verlieben bis zur Wiederversöhnung nach dem Ende und setzt dabei auf Tropical Sounds, Dream Pop, 80er-Atmosphäre und viele Synthies. Eine gewisse Liebe für die 80s muss man aber schon mitbringen, um hier seine entspannte Erfüllung zu finden. 8/10 Kronen

Year Of The Knife - Internal Incarceration
In Delaware, USA, gibt es bestimmt nicht viel Interessantes zu bestaunen, doch es liegt wohl an der Langeweile des „Fly Over States“, dass von dort derart brachiale Musik stammt. Das hat schließlich schon bei Slipknot und Iowa gut funktioniert. Year Of The Knife spielen ballernden Hardcore ohne Kompromisse. Vor allem in der ersten Hälfte ein bisschen so wie die Durchstarter Code Orange, bevor sie sich dem Experimentellen zuwandten, Teil zwei erinnert dann deutlich stärker an die Metalcore-Pioniere Hatebreed rund um Brüllwürfel Jamey Jasta. In nur etwas mehr als einer halben Stunde wird hier unter der kundigen Produktion von Converges Kurt Ballou alles zerknüppelt, was auch nur ansatzweise im Weg ist. Nicht neu, nicht innovativ, aber verdammt wirkungsvoll. 7,5/10 Kronen

Zugezogen Maskulin - 10 Jahre Abfuck
Der Deutschrap hat viele Gesichter und man muss nicht alle mögen, so viel ist klar. Zugezogen Maskulin feiern tatsächlich auch schon ihr zehnjähriges Bestehen und haben sich von den anfänglichen Außenseitern längst zu einer Konstante in Berlin entwickelt. „10 Jahre Abfuck“ ist - wie von den beiden Rappern Grim104 und Testo gewohnt - ein üppiges Kapitel deutscher Hip-Hop, das sich satirisch, augenzwinkernd und manchmal auch zynisch mit der einen oder anderen Sache befasst. Die guten Vibes lassen sie wieder beiseite und stellenweise klingen Songs wie „Exit“, „Sommer vorbei“ oder „Tanz auf dem Vulkan“ wie ein persönlicher Abgesang. Musikalisch tut sich im Vergleich zu früher wenig, gesteigerte Reife sucht man auch vergeblich („König Alkohol“). Wer’s braucht… 5/10 Kronen

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