Album „Translation“

Black Eyed Peas: Langsamer Abgesang einer Kultband

Musik
23.06.2020 06:00

Fergie ist noch immer nicht zurück, aber die einstigen Hit-Lieferanten Black Eyed Peas machen unaufhaltsam weiter. „Translation“ ist das erste Album, das voll auf den boomenden Latino-Markt abzielt. Mit Reggaeton, unzähligen Features und mürbem Songwriting lässt sich aber auch kein Sieg erringen...

(Bild: kmm)

Für ein knappes Jahrzehnt waren die Black Eyed Peas eine der spannendsten und erfolgreichsten Dance-Pop-Bands der Welt. Mit Songs wie „Where Is The Love?“, „Shut Up“, „My Humps“, „I Gotta Feeling“ oder „The Time (Dirty Bit)“ eroberten sie die Charts quer über den Globus und begeisterten mit ihrer gleichsam eklektischen wie spannenden Mischung aus Hip-Hop, Reggaeton, R&B, Pop, Dance und Disco-Sounds. Kein Formatradio konnte auf Will.I.Am, Fergie und Co verzichten, die Arenen waren bis auf den letzten Platz gefüllt und eine Generation an Feierwütigen wackelte mit den Hüften zu den Chartbreakern aus Los Angeles. Fergie aka Stacy Ferguson war es mit ihrem Einstieg 2003 auch zu verdanken, dass die Band so groß wurde. Ihre Stimme, ihr Tanzstil und ihre Präsenz prägten Alben wie „Elephunk“ (2003) und „Monkey Business“ (2005), die sich in einer fast schon frechen Selbstverständlichkeit an die Chartspitzen auf der ganzen Welt spülten. Vor knapp drei Jahren verließ Fergie zugunsten ihrer Solokarriere aber die Band und kippte die Black Eyed Peas in eine Kreativkrise.

Entscheidende Kurskorrektur
Gut, das hätte man sich davor schon ausrechnen können, denn zwischen dem letzten Erfolgsalbum „The Beginning“ und dem 2018er Rohrkrepierer „Masters Of The Sun, Vol. 1“ (wo bleibt eigentlich die Fortsetzung?) vergingen acht lange Jahre, in denen sich die drei Rapper Will.I.Am, Apl.De.Ab und Taboo mehr oder weniger erfolgreich auf ihre Solokarrieren konzentrierten und ihr kommerziell so erfolgreiches Schlachtschiff lasch am musikalischen Meer treiben ließen. Die Kurskorrektur nach dem Fop und Fergies Abgang war eine geografische - die Black Eyed Peas beschlossen, sich verstärkt auf den immer wichtiger werdenden Latino-Markt zu konzentrieren. So stieß die Single „Ritmo (Bad Boys For Life)“ in Ländern wie Argentinien, Kolumbien oder Bolivien auf Platz eins der Charts und auch das dazugehörige achte Album „Translation“ kokettiert nur mehr sehr lose mit dem englischsprachigen Raum - vielleicht ein Grund, warum Werbemaßnahmen und Aufmerksamkeit im europäischen Raum auf ein Minimum beschränkt wurden.

Der Erfolg wird sich dadurch eher verlagern, insofern hat das Trio auch das „Who is Who“ der spanischsprachigen Gastsänger-Riege mit Features bedacht. J Balvin, Maluma, Ozuna, Nicky Jam, Tyga, El Alfa, die Band Piso 21, Becky G, French Montana und im Song „Girl Like Me“ sogar Superstar Shakira sind zu hören. Auch wenn Will.I.Am in diversen Interviews gebetsmühlenartig wiederholt, dass Fergie die Band nie wirklich verlassen hat, wird ihrer Rückkehr immer unwahrscheinlicher. Wie schon am letzten Album wird sie auch hier von J Rey Soul ersetzt, allerdings nicht mehr so breitflächig wie beim Vorgänger, sondern nur in zwei Songs. Von der stimmlichen Intensität oder der bloßen Präsenz bleibt sie auch weiterhin Lichtjahre entfernt, so wie auch das Songmaterial der Amerikaner mittlerweile meilenweit von der Qualität der großen Hits aus der Vergangenheit entfernt ist.

Leidlich bemüht
Die Black Eyed Peas sind viel zu zwanghaft auf den Hit-Markt gepolt. Reggaeton und Dancehall ist hier anno 2020 angesagt. Damit ist auch schon alles gesagt, denn die fetten Zeiten eines Sean Paul und Konsorten liegen mindestens ein Jahrzehnt zurück und für den Latino-Markt gibt es längst jüngere, spannendere und innovativere Künstler. Neben den vielen Gästen setzt man in den Brachial-Pop-Songs auch auf zahlreiche Samples. Bei der Hit-Single „Ritmo“ etwa auf „The Rhythm Of The Night“ von Corona, „Mamacia“ beinhaltet Madonnas „La Isla Bonita“ und natürlich darf auch das allgemein zu Tode gesampelte „U Can’t Touch This“ von MC Hammer („Vida Loca“) nicht fehlen. Immer dann, wenn die eigenen dürftigen kompositorischen Ideen ausgehen, greifen die Black Eyed Peas auf Hits der Vergangenheit zurück.

Freilich versprühen die Songs gewohntermaßen Partystimmung und gute Laune, aber neben dem fehlenden Tiefgang (außer dem leidlich bemühten „News Today“, wo man Coronakrise und Medienkritik auf einmal unterbringt) fehlt es der Band schlichtweg am guten Songwriting. Die textlichen Preziosen pendeln zwischen „you got the best ass in the world“ und „Braaataatata“ und wenn Will.I.Am dann auch noch auf Spanisch rappt, scheint der letzte Funken Authentizität zuungunsten von Anbiederung verloren gegangen zu sein. „Feel The Beat“ hätte die Band gerne, nur fühlt man leider ziemlich wenig, wenn man sich eine knappe Stunde durch die bemühten Songs kämpft. Die Black Eyed Peas haben in ihrer Karriere mehr als 80 Millionen Alben verkauft, mittlerweile ist diese Zahl aber auch nur mehr ein Mahnmal dafür, wie gut und prägend man in grauer Vorzeit einmal war. Will.I.Am propagiert in Interviews gerne, dass Latin-Music der neue Pop wäre - das mag stimmen, aber dafür müssen auch die Song passen…

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