Ganz Österreich trägt Quarantäne-Mähne, die Wartelisten der Friseure sind lang. Das bisschen Spitzenschneiden kann ja nicht so schwer sein, oder? „Krone“-Redakteurin Anna Haselwanter wagte den Selbstversuch.
Der „Pony“ verdeckt mir die Sicht - was in Anbetracht meines Spiegelbilds vielleicht gar nicht so schlecht ist. Leider sehe ich auch sonst nichts mehr - und am wenigsten gut aus. Mein letzter Haarschnitt ist ziemlich „long hair“. Seit Wochen habe ich keinen Friseursalon mehr von innen gesehen, und in Anbetracht der Wartelisten wird das auch noch eine Weile so sein. Der Ausweg: eine Küchenschere und etwas Mut.
Wie der Rest der Welt (siehe Grafik) starte ich online meine Recherche und finde unzählige Anleitungen: „Haare selber schneiden - so geht’s“, gefolgt von Bildern mit den Ergebnissen. #Corona-Cut, Endstation Glatze - zum Glück gibt’s Ausgangsbeschränkungen, so traut sich ja kein Mensch mehr raus. Nein, so mutig bin ich nicht.
Ich greife also zum Hörer und rufe jene Frau an, in deren Hände ich seit Jahren mein Haupthaar lege: Elisabeth Peer, Friseurin aus Leidenschaft, werdende Mutter und neben Stil- vor allem auch Lebensberaterin.
„Kannst du machen, ist dann halt schief“
Ich trenne meine Haare in zwei Partien, binde sie unter meinem Kinn zusammen und warte auf ihre Anleitung - doch was mich trifft, ist schallendes Gelächter. „Bist du wahnsinnig?“, fragt Elisabeth und schlägt die Hände über den Kopf zusammen. „Schon gar nicht mit deinen glatten Haaren, und gleich fünfmal nicht mit der Küchenschere!“
Die billigsten Friseurscheren, lerne ich, kosten zwischen 100 und 200 Euro. „Meine zwischen 700 und 1000 Euro“, sagt Elisabeth. „Und die sind noch nicht die teuersten. Haare sind hart. Mit der Küchenschere rutschen sie dir raus. Das Ergebnis sind Ecken und Kanten - aber nicht die guten.“
Selbstwert wächst mitunter auf dem Kopf
„Aber wenn ich nur die Spitzen versuche? Nur ein kleines bisschen?“, versuche ich. „Du stehst ja nicht hinter dir“, ruft die 33-Jährige, „das wird niemals gerade!“ Nein, so einfach ist das nicht. Denn wenn die Friseurin zur Reparatur ausrücken muss, werden aus den gewollten zwei schnell zehn Zentimeter - Tränen garantiert. „Nicht umsonst machen wir jahrelange Aus- und Weiterbildungen“, betont die Expertin.
Haare sind eben mehr als abgestorbene Zellen. Selbstwert, ja sogar Identität, wächst mitunter auf dem Kopf. „Die Menschen können sich langsam nicht mehr anschauen und merken so, dass unser Job doch wichtig ist“, sagt die Tirolerin. Das ist gut, denn der gesellschaftliche Umgang damit lässt mitunter zu wünschen übrig.
„Du kannst dir gar nicht vorstellen, was wir aktuell für Angebote bekommen“, schmunzelt sie. „Das Dreifache würden viele zahlen.“ Eine bessere Entlohnung, für eine Arbeit, die wirklich nicht so einfach ist, wäre auch in Zukunft nicht schlecht. Denn neben Stil- sind Friseure oft auch Lebensberater, hören sich die Sorgen ihrer Kunden an und tragen zur Entspannung bei - so auch bei mir. „Leg die Küchenschere weg“, sagt Elisabeth ruhig, „alles wird gut.“ Das mache ich tatsächlich - und zähle die Tage bis zu meinem nächsten Termin.
Elisabeth Peer arbeitet in der Haar-Kosmetik-Lounge Marina M. in Innsbruck. Derzeit befindet sie sich aber in Karenz.
Anna Haselwanter, Kronen Zeitung
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