Schlagfertig

Grubinger: Geduld, Geschick und Glück

Salzburg
16.02.2020 07:00

Am Anfang steht das Nichts. Ein weißes Blatt Papier, fünf schwarze Linien. Im besten Fall eine Idee - meist aber auch eine große geistige und innere Leere.

Was uns am Ende im Konzert aufwühlt und glücklich macht, uns zu Tränen rührt oder manchmal auch ratlos zurücklässt, entsteht aus der Feder eines Menschen, der sein gesamtes inneres „Ich“ schwarzen Notenpunkten auf einem Blatt Papier widmet.

Wie entsteht Musik?

Mit Komponistinnen und Komponisten ins Gespräch über ein neues Werk zu kommen, ist wie ein scheues Reh in einer Waldlichtung zu beobachten. Man braucht Geduld - manchmal dauert es Jahre, immer im Bewusstsein, dass es scheitern kann - Anregungen, Ideen oder gar Vorgaben sollte man vermeiden. Nichts soll den Schöpfer des Werks verstören oder gar verscheuchen.

Wir Musiker reproduzieren nur etwas. Das ist vergleichsweise leicht. Man bekommt eine genaue Gebrauchsanweisung, studiert diese und hat damit schon einen großen Schritt getan. Ganz anders bei Komponisten - es braucht Inspiration, eine Idee, großes handwerkliches Geschick und dazu ein bisschen Glück. Auf dem Bild hier rechts sehen sie den Ausschnitt einer neuen Komposition eines der größten lebenden österreichischen Komponisten, Johannes Maria Staud. Das Werk werde ich mit Kollegen im April erstmalig in der Kölner Philharmonie aufführen. Schon vor drei Jahren haben Johannes und ich darüber gesprochen. Zu Beginn geht es um die Besetzung, die Werklänge, die Aufführungsorte und das verwendete Instrumentarium. Dann kommt der Komponist meist zu mir ins Instrumentenlager (dort lagern hunderte Schlaginstrumente) und wir testen sämtliche Instrumente aus.

Ich stelle neues, exotisches Instrumentarium vor. Es werden erste Aufbaupläne gezeichnet und eine Instrumentenliste erstellt. Dann muss die Notation festgelegt werden. Welche Instrumente müssen wie auf dem Notenpapier notiert sein, sodass es für die Musiker praktikabel zu lesen ist.

Und sie sehen am aktuellen Beispiel, dass es sehr komplex ausfallen kann. Mit allen Zutaten ausgestattet kann der Komponist seine Arbeit beginnen. Aus der Stille am Schreibtisch muss Musik entstehen. Stille aber kann quälend sein - wenn im Kopf des Komponisten keine Musik erklingen will.

Komponisten sind meist zarte, zerbrechliche Wesen, oft stark von ihrem persönlichen und gesellschaftlichen Umfeld beeinflusst. So kann es passieren, dass tagelang, wochenlang einfach nichts entsteht. Die Musiker warten, der Tag der Erstaufführung naht - die zündende Idee bleibt aus. Es wird panisch. Ein wenig kann ich das mit dieser Kolumne nachempfinden. Wenn man am Samstag verzweifelt nach einem Thema sucht. Mein Vorteil: Ich kann schon eine Woche später etwas Besseres schreiben. Nichts ist vergänglicher als die Zeitung von gestern und im Notfall kann ich den Chefredakteur anrufen, um gemeinsam Ideen zu diskutieren.

Komponisten von Rang aber wissen, dass jede Note seziert und analysiert wird, ihr Werk bestehen bleibt und Musiker wirklich immer auf große Musik hoffen.

Wenn wir Musiker dann die ersten Notenblätter in Händen halten, ist die Spannung meist groß - und schon an den ersten Noten erkennt man den emotionalen Zustand des Meisters. War er gestresst? Zornig? Entspannt? Freudig?

Ich wage zu behaupten „meine“ Komponisten ganz gut zu kennen. Es liegt an uns, das Werk zum Leben zu erwecken. Eine Uraufführung ist immer ein historischer Moment. Neue Musik erklingt - ein langer Prozess findet seinen Endpunkt.

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