Kritik auch an Politik

Landarzt rechnet in Buch mit Gesundheitssystem ab

Niederösterreich
25.01.2020 06:00

Er muss es ja wissen! Der Allgemeinmediziner Günther Loewit aus Niederösterreich nimmt sich in seinem Buch kein Blatt vor den Mund: Sinnlos-Behandlungen, Verschwendung und die Politik schaden unser aller Gesundheit.

Loewit, Landarzt in Marchegg (NÖ), schildert schonungslos, wie die Politik das Gesundheitssystem kaputt macht, die Gesundheit zur Ware und Patienten zu Kunden verkommen und dabei Steuergelder verschwendet werden. Unsere Gesundheit ist mittlerweile nämlich ein 31,4-Milliarden-Geschäft.

Hausarzt-Modell vs., Behandlungszentren
„Sagen Sie heute einem Grippepatienten, dass er keine Medikamente, sondern nur Zeit und Bettruhe braucht. Oder schlagen Sie einem Patienten mit geschwollenen Füßen vor, dass er am Vormittag oder Nachmittag jeweils ein bis zwei Stunden die Beine hochlagern soll. Er wird sofort einen anderen Arzt konsultieren“ - anhand zahlreicher Praxis-Beispiele analysiert Dr. Loewit, wie die Heilkunst zu einem lukrativen Wechselspiel von Beschwerdebildern und medikamentöser Behandlung degradiert wurde, und beschreibt, wie das beliebte Hausarzt-Modell zugunsten von Behandlungszentren eliminiert wird.

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Früher hat man einen Betrunkenen nach dem Heurigen mit der Scheibtruhe heimgebracht, heute fliegt ihn der Hubschrauber ins Krankenhaus.

Dr. Günther Loewit, Arzt in Marchegg (NÖ)

Medikamente oftmals leichtfertig verordnet
Loewit ist überzeugt, dass Medikamente im Wert von einer Milliarde eingespart werden könnten, ohne dass jemandem eine Tablette fehlen würde. Auch an sündteuren Chemotherapien für hochbetagte sterbende Karzinompatienten während ihrer letzten Lebensstunden übt der Mediziner Kritik. Außerdem sei der Großteil der Flugrettungseinsätze medizinisch betrachtet nicht notwendig. Auch die Zigfach-Befundungen sieht Loewit kritisch. Patienten würden Zeit, Verständnis und Empathie brauchen.

Kredite und Stipendien sollen Abhilfe schaffen
Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass sich immer weniger Ärzte finden, die auf dem Land eine Praxis übernehmen, geschweige denn eine eröffnen wollen. Der Mangel an Landärzten nimmt daher immer stärker zu. Was gedenkt die neue türkis-grüne Regierung dagegen zu tun? Wie den ländlichen Raum für junge Ärzte attraktiver machen? Mit günstigen Krediten und Landarztstipendien, sagt Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass er diese Woche ein Kreditvolumen von 360 Millionen Euro für Primärversorgungszentren sicherstellen konnte - und das zu guten, also günstigen, Konditionen. „Ich erhoffe mir, dass sich dadurch mehr Jungärzte auch auf dem Land niederlassen.“

Im Regierungsprogramm ist zum Thema außerdem festgehalten, dass man dem Ärztemangel auf dem Land mit Landarztstipendien entgegenwirken will. In der Praxis könnte dies so aussehen: Medizinstudenten bekommen ein Stipendium dafür, dass sie sich im Gegenzug dazu verpflichten, nach dem Studium im ländlichen Raum zu arbeiten. Weiters sollen laut türkis-grünem Programm in 500 Gemeinden „Community Nurses“ eingerichtet werden - diese sollen Landärzte entlasten, indem sie Routinekontrollen vornehmen.

„Kassenmedizin entbürokratisieren“
19 kassenärztliche Stellen sind allein in der Steiermark zurzeit unbesetzt. Für die Hälfte davon gibt es keine einzige Bewerbung. Herwig Lindner, steirischer Ärztekammer-Präsident, im Interview mit der „Krone“.

„Krone“: Wie dramatisch ist der Landärztemangel?
Herwing Lindner: Der Begriff Landärztemangel greift zu kurz. Es gibt einen Kassenärztemangel, auch in Bezirkshauptstädten.

Wieso ist es so schwer, Nachwuchs zu finden?
Die Kassenmedizin muss entbürokratisiert werden. Dann würden wieder mehr Ärzte Kassenverträge übernehmen - und hätten wieder mehr Zeit für Patienten.

Was könnte eine Trendwende herbeiführen?
Den Papierkram - auch den elektronischen - um 25 Prozent reduzieren. Die Leistungen modernisieren und angemessen bezahlen!

Martina Münzer, Sandra Schieder, Barbara Winkler, Kronen Zeitung

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