Ära geht zu Ende

Aus für den letzten Schrankenwärter in Tirol

Tirol
28.11.2019 13:00

Er steht schon lange auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten und bald ist es soweit: Dem letzten ÖBB-Schrankenwärter in Tirol schlägt am Freitag die letzte Stunde.

Literaturfans neigten gestern am Bahnhof Imsterberg dazu, eine Assoziation mit Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werthers“ herzustellen. Ganz jung ist er nicht mehr, der letzte Schrankenwärter Tirols, aber etwas leiden tut er schon: Für Stefan Melmer geht eine Ära zu Ende. Ab Freitag übernimmt die Technik das, was bisher der in Zams lebende ÖBB-Mitarbeiter und seine vier Kollegen händisch erledigt haben, nämlich das Öffnen und Schließen von insgesamt vier Bahnschranken im Gemeindegebiet von Imsterberg. Genau genommen ist er der letzte seiner „Art“ auf der Westbahnstrecke zwischen Wien und Bregenz.

Auf und zu mit der Kurbel
Beim Abheben des Antiquitätentelefons weiß Stefan Melmer, der seit 2004 Herr der Imsterberger Schranken ist: Das ist die Meldung aus Imst, der Zug fährt ab. Die Meldung zurück bestätigt, dass die Schranken nun geschlossen werden. Jener am Bahnhof händisch mit Kurbel, die anderen drei mit elektrischen Seilzug nach betätigen des Drehknopfes. Und alles in die gegengesetzte Richtung nach dem Vorbeidonnern oder nach dem Halt. „Es ist schon etwas Wehmut dabei“, sagt der Scheidende, „ich war immer gerne hier und könnte den Job noch zehn Jahre machen.“

Aber die Moderne macht auch vor den ÖBB nicht Halt, im Gegenteil, meint Christoph Gasser-Mair: „Wir haben heuer im Tiroler Oberland bereits mehrere Millionen Euro in Modernisierung und Infrastruktur investiert.“ So bekam auch Imsterberg mit barrierefreiem Bahnsteig und Wartehäuschen eine Rundumerneuerung. Und eben die neue Bahntechnik, die das Öffnen und Schließen der Schranken automatisiert. „Eine der vier Eisenbahnkreuzungen haben wir im Konsens mit der Gemeinde geschlossen“, präzisiert Projektleiter Christoph Lindner, „die Verbleibenden drei sind mit Schranken und Lichtzeichen gesichert.“

100 Züge in 24 Stunden
„Wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier die Frequenz von rund 100 Zügen in 24 Stunden haben“, ergänzt BM Alois Thurner, „da könnt ihr euch vorstellen, wie viel Zeit wir schon vor den geschlossenen Schranken verbracht haben. Die Anlage existiert seit über 100 Jahren. Wir sind froh über diese Technisierung“. Die Wartezeiten würden durch die optimierten Sperrzeiten tatsächlich auf das notwendige Minimum reduziert, bestätigt ÖBB-Gebietsleiter Wolfgang Bachler. Und: „Alle fünf Mitarbeiter bleiben natürlich bei uns, werden umgeschult und in anderen Bahnhöfen eingesetzt.“ Auch Stefan Melmer. Er lässt sich für das neue Berufsformat „ÖBB Einsatzleiter“ ausbilden. Auch nicht schlecht!

Hubert Daum, Kronen Zeitung

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