Dschihadisten-Prozess

In Grazer Moschee „positiv über Kalifat geredet“

Steiermark
26.11.2019 18:31

Beim Prozess gegen elf mutmaßliche Dschihadisten sind am Dienstag weitere Zeugen in Graz befragt worden. Die Angeklagten hatten alle ein Nahverhältnis zur radikalen Grazer Taqwa-Moschee. Zwei Zeuginnen, die nach Syrien auswanderten, gaben Einblick über den Einfluss, der im Glaubsverein ausgeübt wurde. Auch ein bekannter Religionsexperte kam zu Wort. In den Büchern der Moscheen würden Theorien wie „Wer Terror ablehnt, ist kein Moslem“ verbreitet.

Am zehnten Verhandlungstag ging es vor allem um die drei angeklagten Frauen. Sie hatten angegeben, dass im Glaubensverein nie über den Dschihad oder die Auswanderung nach Syrien gesprochen worden sei. Allerdings gingen 38 Mitglieder der Moschee in zwei Partien 2014 nach Syrien, um sich der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) anzuschließen, so der Vorwurf.

Von der ersten Gruppe kehrte niemand zurück, teilweise ist der Verbleib der Personen unklar. Als zweite Gruppe gingen drei Familien mit ihren insgesamt zwölf Kindern weg. Als sich herausstellte, dass die Situation dort keineswegs rosig war - selbst die kleinen Mädchen mussten komplett verschleiert mit Handschuhen gehen, die Kinder sahen bei öffentlichen Enthauptungen zu - versuchten sie, wieder wegzugehen. Die Flucht war nicht ganz einfach, gelang aber nach 15 Monaten.

Koptuch aus „Überzeugung“ getragen
Zwei der Ehepaare kamen in Graz vor Gericht und wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, das dritte Paar wurde von der Türkei nach Bosnien abgeschoben. Als Zeuginnen waren nun die beiden Ehefrauen geladen, die über ihre Gespräche mit anderen Frauen in der Taqwa-Moschee berichten sollten.

Zunächst wurde eine 45-Jährige angehört, die noch bis 2022 in Haft ist. Sie war 2008 nach Graz gekommen, 2010 hatte sie angefangen, ein Kopftuch zu tragen. „Warum?“, fragte der Richter. „Aus Überzeugung“, antwortete die Frau. „Sie sind immer religiöser geworden“, stellte der Vorsitzende fest. „Das kann man so sagen“, bestätigte die Zeugin.

Positiv über Kalifat geredet
Das Kalifat sei durchaus Thema in der Moschee gewesen: „Im Großen und Ganzen wurde positiv darüber geredet“, sagte sie weiter. Die drei angeklagten Frauen hatten bestritten, dass über den IS gesprochen worden sei. Nun wurden sie von der Zeugin belastet.

Von einer der Beschuldigten sagte die 45-Jährige, sie sei nicht so begeistert gewesen, die beiden anderen schon. Die Informationen über das Kalifat habe sie durch Gespräche mit Frauen im Glaubensverein bekommen. „War Auswandern zum Dschihad generell ein Thema?“, wollte der Staatsanwalt wissen. „Ja“, antwortete die Zeugin. „Wären Sie ohne Taqwa je ausgewandert?“, fragte einer der Verteidiger. „Nein“, lautete die Antwort.

Das syrische Abenteuer
Auch eine zweite Zurückgekehrte wurde befragt. Sie war in Vorarlberg aufgewachsen und erst durch ihren Mann zum Islam gekommen. „Wir haben zuerst nicht verstanden, wie man nach Syrien gehen konnte“, schilderte sie ihre Empfindungen gegenüber der ersten Auswanderer-Gruppe. Doch innerhalb von zwei Monaten änderten sie und ihr Mann ihre Meinung. „Ich bin gegen Gewalt, aber was in der Religion vorgegeben ist, kann ich nicht beeinflussen“, betonte sie. Das syrische Abenteuer endete für sie und ihren Mann mit hohen Haftstrafen.

Bücher sollten Jugendliche radikalisieren
Am Nachmittag war der islamische Religionspädagogik-Experte Ednan Aslan am Wort. Er hat ein Gutachten über Bücher, die bei einem Angeklagten und in der Taqwa-Moschee gefunden worden waren, erstellt. „Diese Bücher wurden vor allem verfasst, um Jugendliche zu radikalisieren“, erklärte der Sachverständige ganz unmissverständlich.

„Diese Schriften bilden die Grundlage für eine radikal-islamistische Theorie“, war Aslan überzeugt. Sie würden verbreitet von einer „extremistischen Bewegung, die von der Mehrheit der islamischen Gelehrten nicht geteilt wird.“ Solche Autoren seien „Begründer des modernen Dschihad-Verständnisses“. Darin würden sich Theorien finden wie „Wer Terror ablehnt, ist kein Moslem.“ Das Terrorverständnis dieser Autoren sei ganz anders als in Europa oder in Teilen der islamischen Welt. Vertreten werde darin die Meinung: „Terror ist notwendig, um den Herzen der Ungläubigen Angst zu machen.“

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