Beim Aufsteirern:

Graz wird zur großen Bühne für Volkstänze

Steiermark
28.08.2019 11:30

Bin a lustiga Bua, kriag Dirndln grod gnua! Vor an traurign Monn laufen s’ olli davon!„ In einer Erzählung in Peter Roseggers Werk “Volksleben in Steiermark" gibt ein Almhüttenbesucher freche Gstanzln zu heiteren Zitherklängen zum Besten. Bald hält es die anderen Gäste nicht mehr auf den Bänken, und es wird wild getanzt. Ja, so war’s anno dazumal, als Wirtshäuser, Almen und Wiesen für Gasthausgeher, Sennerinnen, Knechte und Bauern die perfekten Orte waren, um das Tanzbein zu schwingen.

Dort, wo die Musi spielte, war auch der Tanz daheim. Er war in allen Bevölkerungsschichten verbreitet, Anlässe dazu gab es genug: Hochzeiten, Kirtage, Zunftfeiern, Familienfeste. Nur an hohen kirchlichen Feiertagen, zu Ostern, zur Weihnachtszeit und bei Todesfällen im Kaiserhaus war der Steirertanz nicht nur verpönt, sondern sogar untersagt. Entsprechende Erlässe der Obrigkeit wurden von der Sittlichkeitspolizei streng exekutiert.

Diese sah es auch nicht gern, wenn es zur Erntezeit allzu lustig zuging. Auch hier herrschte Tanzverbot.

Gerichtsdokumente als erste Quellen
Gerichtsprotokolle aus dem 18. Jahrhundert dokumentieren Anstandsdelikte im Umfeld von Tanzveranstaltungen: Oft und gerne wurde bei den lustigen Festivitäten kräftig übers Maß getrunken, kernige Burschen zettelten Raufhändel an, es kam zu Ausschreitungen und anderen Exzessen. „Diese amtlichen Dokumente zählen neben Kupferstichen aus dem 16. und 17. Jahrhundert zu den ersten Quellen rund um den Volkstanz“, erklärt Waltraud Froihofer, die als studierte Volkskundlerin die Geschichte des steirischen Volkstanzes wissenschaftlich aufgearbeitet hat.

Im 19. Jahrhundert gab es einen wahren „Hype“ um alles Ländliche, weshalb der Volkstanz sowie die Volksliedforschung boomten und auch die historischen Quellen dazu zunahmen.

Erster Trachtenverein entstand in Graz
Der erste Trachtenverein Österreichs entstand 1871 in Graz. Auch nach dem Ersten Weltkrieg hatten Trachtenvereinsbewegungen enormen Zulauf: „Junge Leute fuhren mit dem Zug in Dörfer, um choreographische Aufzeichnungen von Tänzen zu machen“, weiß Froihofer.

Da vielfach nur mehr alten Musikanten bestimmte Tänze bekannt waren, wollten die Forscher mit ihren Notizen das Kulturgut Volkstanz nicht nur erhalten, sondern auch wiederbeleben. „Es herrschte so etwas wie Goldgräberstimmung. Es galt, vergessene Tänze wiederzuentdecken und den Menschen am Land zurückzugeben.“

Die politische Situation ab den 1930er-Jahren förderte den Volkstanz aus ideologischen Gründen - über alle Parteigrenzen hinweg wurde diese Tradition hochgehalten. Das Erscheinungsbild des Volkstanzes heute - das Aufstellen in einem Kreis sowie die einheitliche Choreographie in Kombination mit einer bestimmten Melodieabfolge - ist eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts, erklärt Froihofer: „Früher wurde viel freier getanzt.“

Würdevoller Gegenpol zu „unsittlichen“ Tänzen
„Es gab sogar sogenannte Volkstanzpfleger, die mit ihrem Volkstanz eine Gegenposition zu populären amerikanischen Tänzen wie zum Beispiel dem Swing schaffen wollten, die als unmoralisch und unsittlich galten“, so Froihofer. Der Tanz hierzulande sollte stets würdevoll zelebriert werden. Man sollte nicht um der Unterhaltung willen tanzen, sondern der Ästhetik wegen. Tanzen wurde gewissermaßen in ein Korsett gezwängt.

„Für die Volkstanzpfleger waren eine gute Körperhaltung, die passende Kleidung, eine schöne Haartracht und passender Schmuck wichtig. Schminke, Tattoos und dergleichen waren ein No-Go.“ Diese strenge Philosophie dominierte die Tanztradition in der Steiermark bis in die 1990er-Jahre. Erst seit den 2000ern gibt es eine Trendumkehr. „Seitdem darf das Individuum wieder im Vordergrund stehen“, sagt Waltraud Froihofer.

Welche Tänze es überhaupt gibt, wollen wir von der Expertin wissen: „Neben den in den 1950er- und 1960er-Jahren als Standardrepertoire für Volkstanzgruppen festgelegten Österreichischen Grundtänzen - darunter sind Hiatamadl, Siebenschritt, Krebspolka, Offener Walzer - gibt es eine Reihe weiterer mehr oder weniger figurenreicher Tänze, wovon manche überhaupt nur zu besonderen Anlässen aufgeführt werden.“

Auftritte auch schon außerhalb von Europa
Auch die Volkstanzgruppe St. Martin im Sulmtal bevorzugt steirische Tänze und Volkstänze aus dem Alpenraum. Die Anzahl der jährlichen Auftritte variiert, ein fixer Termin im Kalender ist aber immer das Aufsteirern. „Ein Highlight war, dass wir gemeinsam mit der Marktmusikkapelle Wies bei der Wallfahrt der Blasmusik in Mariazell auftreten durften - und zwar mit einem besonderen Tanz, dem Agattanz. Wir tanzen auch häufig bei Traditionsveranstaltungen wie Trachtensonntagen bei uns in der Region“, berichten die beiden jungen Obleute der Gruppe, Cornelia Waltl und Daniel Strametz.

Der 1974 gegründete Verein zählt heute 80 Mitglieder. „Wir haben 30 aktive Tänzerinnen und Tänzer, Schuhplattler, Fahnenschwinger und Peitschenschnalzer. Die anderen Mitglieder sind unsere Eltern und viele, die schon früher in der Volkstanzgruppe dabei waren und uns nach wie vor begleiten.“ Auch Auftritte innerhalb und außerhalb Europas stehen am Programm. Dabei geht es nicht um das Gewinnen von Preisen, weshalb die Teilnahme an Wettbewerben eher die Ausnahme ist: „Wir tanzen einfach, weil es uns Freude bereitet“, sagen Cornelia Waltl und Daniel Strametz.

Jörg Schwaiger

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