Schleimiges Opening

Hirn mit Erdbeeren: Nitsch eröffnet neue Galerie in Wien

Wien
22.10.2009 15:01
Rinderhirn, Erdbeeren und dazu ein edler Tropfen. Hermann Nitsch weiß, was sich gut zusammenquetschen lässt. Mit einer Aktion zum Tastsinn eröffnete der Künstler am Donnerstag, seine neue "Nitsch Foundation" in der Wiener City. "Hier wollen wir die fünf Sinne in Bezug auf mein Orgien Mysterien Theater aufschlüsseln", so Nitsch. Bis zum 31. März ist eine Schau zum "Tasten" in der Hegelgasse zu sehen, dann folgt der Geschmackssinn.

Zum Auftakt gab es Handwerk aus Großmutters Küche. "Wer den Mut hat, darf durchaus auch eine Frucht zerquetschen. Sie machen es zu Hause wahrscheinlich mit dem Mixer." Schleim, Blut und Milch sind die wichtigsten Ingredienzen, mit denen Nitsch den Feigen, Lungenflügeln, Paradeisern, Karpfen und Brotwecken zur nötigen Gatsch-Substanz verhilft - und die vormals edle Tafel von seinen Helfern in ein farbenprächtiges Schlachtfeld verwandeln lässt.

"Tasten hat mit dem Feuchten und dem Schleimigen zu tun", so Nitsch. "Der Ursprung der Kultur liegt im dionysischen Zerquetschen." Das Ausweiden eines Tieres, das Keltern des Weins, das Pürieren des Gemüse sind die einfachen Vorbilder. Während die kräftigen Hände seiner Helfer sich durch das Obstbuffet kneten, übernimmt der Meisters selbst das Überschütten der Rinderhirne mit Blut und Wasser und der Trauben mit Wein. "Ich mache meine Arbeit seit 50 Jahren, aber dass diese Art von Sinnlichkeit nicht abgeschoben wird, ist mir immer noch ein sehr, sehr großes Anliegen."

Symposien und Musikabende geplant
In der Foundation, deren neue, weiße Galerieräume schon bald Blutspritzer abbekommen haben, will man die Arbeit dieser 50 Jahre künftig in Form eines Werkverzeichnisses dokumentieren und sich vor allem dem "gedanklichen Überbau seines Werkes widmen", wie Direktorin Gudrun Kutschi betonte. "Ich kann das, was ich mir vorgenommen habe, nicht allein leisten", verwies Nitsch auf "die vielen Helfer", die ihm bei seinen Aktionen in Prinzendorf, in seinen Museen in Mistelbach und in Neapel und nun in der Foundation in Wien zur Hand gehen. Mit Symposien, Veröffentlichungen, Musikabenden und den halbjährlich wechselnden Ausstellungen soll das "Gesamtkunstwerk" vermittelt werden.

"Ich habe mit der Sprache kein Auslangen gefunden", sagt Nitsch, während er seine Helfer beim blutigen Ausweiden des Brotlaibes beobachtet. "Also ersetze ich sie durch sinnliche Erlebnisse." Vor der Leinwand greift der 71-Jährige schließlich wieder selbst zum Blutkübel - und hinterlässt nach seiner "eher kammermusikalischen, kleinen Aktion" das, was man von Nitsch ausstellen kann: blutbespritzte Räume, ein tiefrotes Schüttbild und obst-, blut- und schleimdurchtränkte Tischtücher.

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