Regierungsbildung

Erstes Treffen Netanyahu-Livni ohne Ergebnis

Ausland
23.02.2009 13:33
In Israel sind erste Gespräche des mit der Regierungsbildung beauftragten Chefs des rechtsgerichteten Likud-Blocks, Benjamin Netanyahu, mit der bisherigen Außenministerin Tzipi Livni von der Kadima-Partei ohne Ergebnis beendet worden. Bei den wichtigen Themen sei keinerlei Fortschritt erzielt worden, sagte Livni nach einer Unterredung mit dem designierten Premier in Jerusalem. Sie habe dennoch zugesagt, in den kommenden Tagen erneut mit dem Likud-Chef zusammenzutreffen. Mittlerweile hat Netanyahu auch den Vorsitzenden der Arbeiterpartei, Ehud Barak, zu Sondierungen getroffen. Die EU hofft indessen auf eine Fortsetzung des Friedensprozesses unter Premier Netanyahu.

"Wir können einen gemeinsamen Weg finden", meinte Netanyahu, der am Freitag von Staatspräsident Shimon Peres den Auftrag erhalten hatte, die neue Regierung zu bilden, obwohl die Kadima-Partei in der Knesset mit 28 Abgeordneten ein Mandat mehr besitzt als Likud und Livni als Vertreterin der stärksten Fraktion Anspruch auf das Amt des Premierministers erhoben hat. Der Likud-Block stellt aber zusammen mit fünf ultranationalistischen und religiösen Parteien 65 der 120 Abgeordneten. Allerdings bestehen zwischen den säkularen Rechtsextremen um Avigdor Lieberman und den Religiösen unüberbrückbare Differenzen. Netanyahu hat daher der Kadima und der Arbeiterpartei von Ehud Barak die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit vorgeschlagen.

EU hofft auf Fortsetzung des Friedensprozesses
Die Europäische Union hat Netanyahu indes zur Fortsetzung des Friedensprozesses mit den Palästinensern aufgerufen. "Wir sind bereit, mit der vom Volk gewählten Regierung zusammenzuarbeiten", sagte der EU-Außenbeauftragte Javier Solana am Montag in Brüssel zu Beginn eines Treffens der EU-Außenminister. "Und wir versuchen sehr, den Friedensprozess aufrecht zu erhalten", fügte er hinzu. Solana reist am Dienstag für eine Woche in den Nahen Osten und besucht Syrien, den Libanon, Ägypten und Israel. Zu einer internationalen Geberkonferenz für den Wiederaufbau des bei einer dreiwöchigen Militäraktion Israels schwer zerstörten Gazastreifens am 2. März in Sharm el-Sheikh (Ägypten) sagte Solana: "Ich erwarte viele Zusagen." "Es ist eine sehr wichtige Konferenz und ich hoffe, dass sie ein Erfolg wird."

Livni will Palästinenserstaat
Livni hatte vor dem Treffen mit Netanyahu hervorgehoben, ihre Partei werde nicht in eine Regierung eintreten, die die "Vision" eines eigenen Staates für die Palästinenser nicht unterstütze. Netanyahu lehnt die Schaffung eines solchen Staates ab und ist keinesfalls bereit, das seit 1967 besetzte Westjordanland zu räumen. Er hat vielmehr einen Ausbau der dortigen israelischen Siedlungen angekündigt. Es bestünde derzeit nicht die Notwendigkeit, Verhandlungsdelegationen für formelle Koalitionsgespräche zusammenzustellen, meinte Livni. Sie wolle in die Opposition. Andere Kadima-Politiker wie Parlamentspräsidentin Dalia Itzik fordern dagegen eine Regierungsbeteiligung.

Netanyahu kündigte trotz der Differenzen an, seine Anstrengungen zur Bildung einer "Regierung der Einigkeit" fortzusetzen. Dazu sollen auch die Gespräche mit dem scheidenden Verteidigungsminister Barak dienen. Von einer Einheitsregierung erwartet sich der Likud-Chef, der bereits von 1996 bis 1999 Premier war, eine bessere Zusammenarbeit mit der US-Regierung unter Präsident Barack Obama. Netanyahus Mandat für die Regierungsbildung endet am 20. März und kann gegebenenfalls bis zum 3. April verlängert werden.

Auftrag zur Regierungsbildung
Am Freitag hatte Benjamin Netanyahu, Chef des rechtsgerichteten Likud-Blocks, den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung von Staatspräsident Shimon Peres. Der bisherige Oppositionsführer, der mit seiner Partei auf Platz zwei der Wahlen gelandet ist, äußerte daraufhin Bereitschaft zu einer Koalition mit der gemäßigten Kadima-Partei von Außenministerin Tzipi Livni, die die Wahl mit knappem Vorsprung gewonnen hatte. Livni hatte zuvor eine Koalition mit dem Likud kategorisch ausgeschlossen.

Livnis Haltung zu Dreierkoalition mit Ultrarechten unklar
Netanyahu hatte bereits vor den Wahlen erklärt, dass ihm nicht daran gelegen sei, in die Abhängigkeit von Ultrarechten und Religiösen zu geraten. "Mein größter Fehler als Ministerpräsident war es, nicht alles getan zu haben, um meine Regierung maximal zu erweitern", sagte Netanyahu zuletzt in einer TV-Diskussion.

Der ultrarechte Politiker Avigdor Lieberman, dessen auf 15 Mandate erstarkte Partei "Israel Beitenu" zusammen mit dem Likud und Kadima eine Dreierkoalition bilden könnte, hat Netanyahu wenige Stunden vor der Auftragsvergabe durch Peres seine Unterstützung zugesagt, was in der Kadima-Partei für Aufregung sorgte.

Tzahi Hanegbi von Kadima sagte dem israelischen Rundfunk daraufhin, mit Liebermans Empfehlung sei "der Würfel gefallen". "Wir sind auf dem Weg in die Opposition." Livni sagte zum Lieberman-Vorschlag einer Dreier-Koalition, Kadima habe nicht vor, "Feigenblatt für eine politische Stagnation zu spielen". Sie wolle ihrem politischen Weg, der unter anderem Fortschritte beim Nahost-Friedensprozess und im Kampf gegen Terrorismus beinhalte, treu bleiben.

Die renommierte israelische Zeitung "Haaretz" berichtete aber zuletzt, Livni schließe inoffiziell eine Zusammenarbeit mit Netanyahu und Liebermans "Israel Beitenu" nicht mehr aus. Dafür spricht auch, dass sich Livnis bisherige Unterstützer, die Partei Merez und die Arbeiterpartei, zuletzt sehr verärgert über angebliche Avancen der Noch-Außenministerin gegenüber Lieberman zeigten.

Nach Angaben von Likud-Mitgliedern will Netanyahu aber auch der Arbeiterpartei des bisherigen Verteidigungsministers Ehud Barak die Teilnahme an einer Großen Koalition vorschlagen. Kadima hatte in der letzten Woche auch eine Rotationsregierung vorgeschlagen.

Netanyahu will an Siedlungspolitik festhalten
Der 59-jährige ehemalige Ministerpräsident will nach eigenem Bekunden "Veränderung" in der Region und Israel auf einen "neuen Weg" führen. Aus Protest gegen die Räumung des Gazastreifens hatte Netanyahu im August 2005 sein Amt als Finanzminister unter dem damaligen Ministerpräsidenten Ariel Sharon niedergelegt. Kurz vor den Parlamentswahlen vom 10. Februar sagte er: "Eine Regierung unter meiner Führung wird die Hamas in Gaza entmachten und die Raketenangriffe beenden". Die Hamas und die libanesische Schiitenbewegung Hisbollah bezeichnete er als "Zweige des iranischen Terrorismus". Auch hat er wiederholt unterstrichen, dass eine von ihm geleitete Regierung die Kontrolle über die besetzten syrischen Golan-Höhen und das Jordan-Tal behalten werde, während Livni zuletzt sagte, Israel müsse in Zukunft auf Land verzichten.

Netanyahu will auch an der umstrittenen Siedlungspolitik im Westjordanland festhalten. Derzeit leben in dem besetzten Gebiet etwa 290.000 israelische Siedler. Nach einem geheim gehaltenen Regierungsbericht, über den die Zeitung "Haaretz" berichtete, wurden 75 Prozent aller Siedlungs-Erweiterungsprojekte ohne Bauerlaubnis errichtet, 30 Projekte auf palästinensischem Privatboden. Der Transfer der eigenen Bevölkerung in okkupierte Gebiete ist völkerrechtswidrig, die Vierte Genfer Konvention verbietet die Ansiedlung der Zivilbevölkerung der Besatzungsmacht auf besetztem Territorium. Nach Medienberichten soll der bisherige Premier Ehud Olmert dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas den Abzug von 60.000 Siedlern angeboten haben. Netanyahu hat im Wahlkampf erklärt, dass er sich nicht an solche Verabredungen gebunden fühlen würde.

Der in Tel Aviv geborene Politiker wirbt für einen "wirtschaftlichen Frieden" mit den Palästinensern. Das Westjordanland soll sich demnach zunächst auf lange Sicht ökonomisch entwickeln, bevor an eine Friedens- und Zwei-Staaten-Regelung zu denken sei. Die Palästinenser lehnen diese Idee kategorisch ab.

USA hoffen auf Fortschritte im Nahost-Friedensprozess
Washington ist entschlossen, im Nahen Osten eine "Zwei-Staaten-Lösung" herbeizuführen. "Daran arbeiten wir seit Jahren und ich sehe nicht, dass sich das ändern würde", sagte dagegen Außenamtssprecher Gordon Duguid. Netanyahus Likud ist gegen die Anerkennung eines souveränen Palästinenserstaates.

Die US-Regierung ist daher auch für den Fall einer israelischen Regierung unter Likud-Chef Benjamin Netanyahu "optimistisch", dass der Nahost-Friedensprozess weitergehen wird. "Die USA sind verlässliche Verbündete Israels", sagte Duguid am Freitag vor Journalisten in Washington. "Wir werden mit der zukünftigen Regierung zusammenarbeiten, wie auch immer ihre Zusammensetzung ist, und wir werden mit ihr in bilateralen und regionalen Fragen zusammenarbeiten."

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