Mega-Einsatz in Köln

Polizei verhinderte neue Silvester-Katastrophe

Ausland
02.01.2017 15:28

Während in Deutschland eine Rassismusdebatte um das Vorgehen der Polizei zu Silvester in Köln entbrannt ist, kommen jetzt immer mehr brisante Details zu den Einsätzen ans Tageslicht. Und daraus geht klar hervor, dass die Exekutive eine ähnliche Katastrophe wie ein Jahr zuvor rechtzeitig verhindern konnte.

Laut Bundespolizeibehörde waren rund 2000 fahndungsrelevante und gewaltbereite Personen angereist. "Ein Großteil der Personen hatte die Qualität, die ähnliche Straftaten wie 2015 befürchten ließen. Dies wollten wir unter allen Umständen vermeiden und haben deswegen konsequent gehandelt", sagte der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies noch am Sonntag gegenüber dem "Stern". Die Bilanz: mehr als 1000 Platzverweise und 164 Strafanzeigen.

"Große Gruppen nordafrikanischer Männer"
Nach Angaben der Kölner Polizei waren zu Silvester speziell große Gruppen von Männern aus Nordafrika angereist. Allein am Hauptbahnhof und dem Bahnhof Deutz seien mehrere Hundert Männer mit einer "Grundaggressivität" aufgetreten. Ein Zug in Deutz mit 300 Männern konnte rechtzeitig gestoppt werden. Die Insassen wurden zu Fuß in die Innenstadt geleitet. Es habe insgesamt 650 Überprüfungen gegeben, bei den allermeisten ergab sich eine Herkunft aus Nordafrika. Viele von ihnen kamen offenbar aus anderen Teilen Nordrhein-Westfalens oder südlicheren Bundesländern.

Smartphone-Chats im Vorfeld überwacht
"Aufgrund von Smartphone-Chats haben wir herausgefunden, dass sich Gruppen von fahndungsrelevanten Personen abgesprochen haben, dass sie sich in Köln zu Silvester treffen wollen", so Mathies. Auch im vergangenen Jahr waren ihm zufolge nur zehn Prozent der 335 ermittelten Tatverdächtigen direkt in Köln gemeldet.

Zehn sexuelle Übergriffe, 27 Festnahmen, 1000 Platzverweise
Die Bilanz nach der Kölner Silvesternacht 2016 laut Mathies: 180 Platzverweise durch die Landespolizei und 950 durch die Bundespolizei, 27 Festnahmen, zehn Straftaten mit sexuellem Hintergrund, 92 Verdächtige in "Gewahrsam", 114 Strafanzeigen bei der Landes-, 50 bei der Bundespolizei. Insgesamt standen 1700 Exekutivbeamte zu Silvester in Köln im Einsatz.

Polizei kesselte gewaltbereite Männer ein
Laut Bundespolizeichef Wolfgang Wurm war gegen 21.30 Uhr die Stimmung gekippt. Ein Reporter des "Stern" wurde Zeuge, wie drei Polizisten einen Besucher an die Wand drückten und ihn schließlich unter lautem Protest in die Bahnhofswache abführten. Junge Männer, die untätig im Bahnhof herumlungerten, wurden daraufhin angesprochen und mussten ihre Ausweise zeigen. Wer keinen dabei hatte, wurde im Mannschaftswagen überprüft. Vor dem Bahnhof kesselte die Polizei etwa 80 Männer ein.

"Es wäre wieder zu Vorfällen wie vor einem Jahr gekommen"
Ein Lagebild der Bundespolizei, das der "Bild"-Zeitung vorliegt, belegt, dass die Gefahr eines Silvester-Mobs wie vor einem Jahr bestand. Ernst Walter, Chef der Deutschen Bundespolizeigewerkschaft dazu: "Wenn die Polizei nicht eingegriffen hätte, wäre es wieder zu Vorfällen wie vor einem Jahr gekommen, das ist Fakt."

Auch Gregor Golland (42), CDU-Innenexperte im Landtag in Nordrhein-Westfalen, erklärte: "Innenminister Jäger hätte ein zweites Desaster wie 2015/2016 politisch nicht überlebt. Diesmal ist die Polizei konsequent und umfassend eingeschritten und hat Gewaltexzesse und sexuelle Übergriffe weitgehend verhindert."

Polizeisprecher: "Diese Leute lesen keine Zeitung"
Dass offenbar viele aus diesen Gruppierungen trotz der öffentlichen Debatte über die Ereignisse des vergangenen Jahres und die massiv erhöhte Polizeipräsenz zu Silvester 2016 wieder nach Köln gekommen sind, erklärte der Kölner Polizeipressesprecher Wolfgang Baldes am Sonntag so: "Diese Leute lesen keine Zeitung - die denken einfach: 'Letztes Jahr ging ja auch alles gut.'" Und mit ihrer Einschätzung lagen die aggressiven Gruppen nicht so falsch. Denn nach den sexuellen Übergriffen zu Silvester 2015 wurden in der Folge 513 Strafanzeigen bearbeitet, doch bislang nur zwei Angeklagte wegen sexueller Nötigung verurteilt.

Polizei: "'Nafri' keinesfalls rassistisch gemeint"
Am Neujahrstag wurde unterdessen Kritik an den Polizeieinsätzen laut, weil die Beamten in der Silvesternacht Menschen aus Nordafrika als "Nafris" bezeichnet hatten. Nach Überzeugung der Bundespolizei benutzen die Beamten den Begriff "Nafri" keineswegs, um Menschen aus Nordafrika pauschal abzuwerten.

"Das ist lediglich eine Abkürzung für nordafrikanische Intensivtäter und ist keinesfalls rassistisch oder als Schimpfwort gemeint", sagte Ernst Walter, der Vorsitzende der Deutschen Bundespolizeigewerkschaft am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Wenn eine nordafrikanische Person in Verdacht steht, eine Straftat zu begehen, ist sie ein 'Nafri'." Polizeipressesprecher Baldes stellte ebenfalls klar: "Wer Stress macht, dem machen wir Stress. Das können auch 20 besoffene Schweden sein."

"Wiederholung der Gewaltexzesse drohte"
Am Montag schaltete sich auch der Studioleiter des WDR-Hörfunks in Köln, Lothar Lenz, in den Streit ein. In einem Kommentar, der im Deutschlandfunk ausgestrahlt wurde, rechtfertigte er das Vorgehen der Polizei. "Schon wieder kamen um die 1000 Nordafrikaner nach Köln, die meisten von ihnen in Gruppen. Viele von ihnen waren alkoholisiert, manche von ihnen im Auftreten äußert aggressiv. Die Polizei hat getan, was zu tun war: Sie prüfte Personalien, sprach Platzverweise aus, nahm einzelne fest. Ohne dieses Eingreifen hätte Köln womöglich eine Wiederholung der Gewaltexzesse vom Vorjahr gedroht. Nicht auszudenken."

Deshalb sei es laut Lenz verfehlt, den Polizeieinsatz als "rassistisch" zu diffamieren. "Nur weil die Beamten potenzielle Täter am Bahnhof auch nach ihrem Aussehen beurteilt und überprüft haben? Ja, wonach denn sonst?"

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