Hilfspaket beantragt

Irland: EU-Geld für Banken, harter Sparkurs für Bürger

Ausland
22.11.2010 10:04
Nach einem nervenaufreibenden Hin und Her beantragt die irische Regierung nun doch ein Hilfspaket aus dem EU-Rettungsschirm. Über das Volumen gibt es noch keine Angaben, es kursieren aber Zahlen zwischen 40 und 90 Milliarden Euro. Der Großteil der Gelder wird jedenfalls in die maroden Banken fließen. Irlands Bürger erwartet dafür ein hartes Sparpaket, von dem nur die sehr niedrige Unternehmenssteuer verschont bleiben soll. Laut Finanzminister Josef Pröll muss Österreich diesmal "nicht zahlen", wohl aber für irische Kredite bürgen.

Irlands Ministerpräsident Brian Cowen sagte in der Nacht auf Montag nach einer mehrstündigen Krisensitzung seines Kabinetts, die europäischen Institutionen hätten einem Antrag seiner Regierung auf Finanzhilfe bereits zugestimmt. Einzelheiten sollen demnach in den kommenden Wochen ausgearbeitet werden.

"Wer rasch hilft, hilft doppelt"
Noch am Abend hatten die Finanzminister der Euro-Zone inklusive Schweden, Großbritannien und Dänemark im Voraus den Weg für ein Hilfspaket geebnet. Diplomaten zufolge vereinbarten die Finanzminister per Telefonkonferenz, das zu erwartende Konsolidierungsprogramm in Dublin zu begrüßen und der irischen Regierung gegenüber ihre Bereitschaft für Hilfszahlungen zu bekräftigen. "Wer rasch hilft, hilft doppelt", so der Tenor.

Laut Österreichs Finanzminister Pröll wird bei dem irischen Paket - im Gegensatz zur Griechenland-Hilfe - nicht direkt Geld an den finanzmaroden Staat überwiesen. "Wir haften im Hintergrund, aber wir zahlen nicht", sagte Pröll am Montagmorgen dem Radio Ö1. Ganz umsonst gibt es aber auch die Bürgschaft nicht: Sollte Irland die Kredite nicht mehr bedienen können, müssen die Euro-Staaten einspringen. Außerdem verschlechtert eine Bürgschaft die eigene Kreditwürdigkeit. Aber: "Es ist notwendig, Irland zu helfen, sonst wird der gesamte Euroraum gefährdet", so Pröll.

"Geholfen" werden sich die irischen Steuerzahler indes nicht fühlen. Gleichzeitig mit dem Hilfspaket-Antrag wird die irische Regierung ein hartes Sparpaket starten, das vom Sozialabbau bis zur höheren Besteuerung von Besserverdienern alle Stücke spielt - einzig die Unternehmenssteuer, mit der Irland sich gegenüber den EU-Staaten seit Jahren einen Standortvorteil schafft, könnte niedrig bleiben.

Bis zu 90 Milliarden - und Österreich bürgt dafür mit
Wie viel Geld Irland braucht, d.h. für wie viele Milliarden die restlichen Euro-Staaten bürgen müssen müssen, soll erst noch beschlossen werden. Beim 110 Milliarden Euro schweren Griechenland-Paket hatte die Regierung 2,3 Milliarden Euro an Bargeld über die nächsten drei Jahre zugesagt. Bisher wurden 600 Millionen überwiesen, wobei derzeit alle EU-Staaten die Dezember-Tranche zurückhalten, da Griechenland seine Sparvorgaben noch nicht zufriedenstellend erfüllt hat.

Nach Schätzungen von Experten benötigt Irland bis zu 90 Milliarden Euro, um seine Bankenkrise in den Griff zu bekommen. Mehr aber offenbar nicht, Irlands Finanzminister Brian Lenihan wollte im Voraus nicht von einem 100-Milliarden-Euro-Hilfspaket sprechen. Es werde nicht um eine "dreistellige Summe" gehen, sagte er dem irischen Fernsehsender RTE. Für die Banken wolle Irland für den Notfall "mehrere zehn Milliarden Euro" in der Hinterhand haben. Hinzu könne noch Geld für den Staatshaushalt kommen. Bisher habe sich Irland 19 Milliarden Euro geborgt. Falls das Land am Finanzmarkt keine Kredite mehr aufnehmen könne, wäre noch "eine gewisse Summe" notwendig, um das Loch zu füllen, so Lenihan.

Sparpaket mit höheren Steuern und Sozialabbau
Damit die Republik auf der Grünen Insel das Hilfspaket von EU und dem Internationalen Währungsfonds bekommt, ist ein strenges Sparpaket nötig. Als Ziel der irischen Regierung wurden im Voraus Einsparungen über 15 Milliarden Euro über vier Jahre genannt. Damit solle das Haushaltsdefizit mittelfristig wieder auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukt zurückgeführt werden, wie es der EU-Stabilitätspakt vorsieht. Derzeit liegt das Defizit wegen Milliardenbürgschaften für die angeschlagenen irischen Finanzinstitute bei rekordverdächtigen 32 Prozent des BIP.

Die Bürger werden sich dabei auf drastische Kürzungen im Sozialbereich gefasst machen müssen. Die Regierung wolle den Rotstift unter anderem bei Zuwendungen an Kinder, Mindestlöhnen und beim Arbeitslosengeld ansetzen, berichteten irische Medien am Sonntag. Die Regierung könnte auch eine neue Immobiliensteuer einführen und bestimmte Steuererleichterungen für Besserverdienende streichen.

Weiterhin offen ist jedoch, ob das Land im Gegenzug für Hilfen seine sehr niedrige Unternehmenssteuer anhebt. Bisher sperrten sich die Iren dagegen. Der Steuersatz von 12,5 Prozent für Unternehmen ist ein Standortvorteil, der viele Firmen auf die Insel gelockt hat - sehr zum Ärger der anderen EU-Staaten. Frankreichs Premier Nicolas Sarkozy zeigte sich am Wochenende zuversichtlich, dass der Satz angehoben wird. Auch bei den Euro-Finanzministern hieß es am Sonntagabend, man könne ein Hilfspaket schwer argumentieren, wenn Dublin den EU-Partnern zugleich mit der Körperschaftssteuer Konkurrenz mache.

Volkszorn entbrannt: "Ihr habt gelogen. Tretet zurück!"
Der Regierung um Ministerpräsident Brian Cowen wehte am Wochenende ein scharfer Wind entgegen. Vor dem Büro des Premiers, der in Irland den Titel "Taoiseach" trägt, steckte am Sonntag ein Zettel mit der Aufschrift "Verräter". Auf dem Gehsteig vor dem Finanzministerium haben aufgebrachte Bürger mit Grablichtern die Zahlen "1916 bis 2010" aufgestellt. 1916 markiert mit dem Osteraufstand in Dublin den Wendepunkt im Unabhängigkeitskampf Irlands von Großbritannien.

Die irischen Gewerkschaften warnten am Sonntag bereits vor Unruhen und Großdemonstration. Der Ärger ist nicht verwunderlich: Die Iren konnten "live" am Beispiel Griechenlands mitansehen, wie sich die Haltung der restlichen europäischen Bevölkerung ins Negative veränderte und massiv Vorurteile geschürt wurden. Laut einer Umfrage will der Großteil der Iren die EU-Hilfe nicht in Anspruch nehmen, da man nicht der "arme Schlucker" der Union sein will.

Cowens Kabinett wurde am Sonntag von Zeitungskommentatoren der Lüge bezichtigt und zum Rücktritt aufgefordert. Die Regierung habe bestritten, in Gesprächen mit EU und IWF zu sein, obwohl informelle Diskussionen dazu längst liefen, hieß es. "Ihr habt gelogen. Ihr habt uns enttäuscht. Tretet zurück!", titelte etwa die "Sunday Independent" unter einem Foto des Kabinetts.

Euro wieder über 1,37 Dollar
Der Euro ist am Montag nach dem Finanz-Hilfsgesuch Irlands deutlich über die Marke von 1,37 US-Dollar gestiegen. Im frühen Handel kostete die Gemeinschaftswährung bis zu 1,3767 Dollar und damit rund einen Cent mehr als am Freitagabend. Ein Dollar war 0,7264 Euro wert. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs Freitagmittag mit 1,3674 (Donnerstag: 1,3647) Dollar festgesetzt.

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