Trübe Aussicht: Die Luftgüte ist vom Grazer bis zum Leibnitzer Becken seit Tagen miserabel. Beim Feinstaub nimmt die steirische Landeshauptstadt einmal mehr österreichweit den ersten Platz ein. Experten appellieren an empfindliche Personen, Aufenthalte im Freien zu vermeiden.
Mit nur einem Klick ist die Sachlage klar: „Im Großraum Graz wird seit Tagen die schlechteste Luftqualität von ganz Österreich gemessen“, berichtet Martin Templin. Der Ubimet-Meteorologe hat dafür eine einfache Erklärung: „Die beständige Inversionswetterlage, die ganz typisch ist für die Jahreszeit.“
Heißt: Die Luft ist weiter oben wärmer als in Bodennähe, und diese warme Schicht wirkt wie ein Deckel. Eine der unangenehmen Folgen: „Schadstoffe werden in den Niederungen eingeschlossen, die Luft wird immer stärker mit Feinstaub angereichert“, erläutert der Experte. Donnerstagnachmittag war die Konzentration bereits so hoch, „dass sich empfindliche Personen überlegen sollten, ob sie überhaupt noch hinausgehen wollen“, sagt Templin.
2030 wird der Großteil der Grenzwerte halbiert. Der Feinstaub-100er wirkt und kostet nichts – auch angesichts knapper Budgets ein wichtiger Faktor.

Dominik Piringer, Grazer Umweltamt
Bild: Foto Fischer
Langes Warten auf Jahresbericht zu Luftgüte
Wasser auf die Mühlen jener, die die Abschaffung des Luft-100ers auf den Autobahnen im Großraum Graz von Beginn an kritisch gesehen haben: „Es war absolut kurzsichtig, eine Maßnahme abzuschaffen, die bewiesenermaßen funktioniert“, meint Grünen-Klubobfrau Sandra Krautwaschl. „Feinstaub und andere Luftschadstoffe gefährden unsere Gesundheit massiv, es braucht daher in den nächsten Jahren wesentlich mehr Maßnahmen – und nicht weniger.“
Krautwaschl kritisiert in diesem Zusammenhang auch, dass der letzte Jahresbericht zur Luftgüte in der Steiermark bis heute nicht veröffentlicht wurde: „Dies hätte bereits im Juli passieren sollen – jetzt haben wir Dezember. Transparenz ist natürlich wichtig, damit wir wissen, woran wir sind.“
Dass Auspuffgase bei Weitem nicht mehr der wichtigste Emissionsfaktor von Kraftfahrzeugen sind, zeigt eine groß angelegte Studie der TU Graz, die gestern veröffentlicht wurde. „Stattdessen sind Bremsemissionen sowie Reifen- und Straßenabrieb und die Wiederaufwirbelung von Partikeln durch den Autoverkehr für den Löwenanteil verantwortlich“, heißt es. Welche Effekte eine Reduktion des Tempos um 20 km/h bringt? „Je nachdem, ob viel Verkehr ist und viel gebremst werden muss, ist ein Minus von sechs bis zehn Prozent beim Feinstaub möglich“, sagt dazu Studienleiter Stefan Hausberger.
Grenzwerte werden 2030 halbiert
Die FPÖ-ÖVP-Regierung will das Tempobremsen-Aus erstmals im Spätsommer 2026 evaluieren. Entlang der A2 und der A9 wurden hierfür zwei neue Messstationen installiert – in Weitendorf und in Laßnitzthal. „Bislang kam es hier noch zu keinen Überschreitungen“, heißt es dazu aus der zuständigen Abteilung 15.
Dominik Piringer, zuständig für das Fachgebiet Luftreinhaltung im Grazer Umweltamt, sieht so oder so ein Problem auf die Steiermark zukommen: „2030 wird der Großteil der erlaubten Grenzwerte halbiert.“ Angesichts dessen bräuchte es „ein ganzes Maßnahmenbündel“.
Wer meint, nur die Lunge würde unter einer hohen Feinstaub-Belastung leiden, irrt: „Wir wissen seit Jahren sehr genau, dass Feinstaub und Stickoxide das Risiko, zu erkranken sowie bestehende Erkrankungen zu verschlimmern, deutlich anheben. Durch die Kleinheit der Partikel gelangen diese über die Blutwege in jedes Organ unseres Körpers und können verschiedenste Erkrankungen wie Diabetes, Allergien oder Krebs auslösen und zu Schädigungen von Herz und Lunge führen. Sogar im Gehirn konnten eindeutig Spuren nachgewiesen werden“, sagt Hellmut Samonigg.
Sein Verständnis für die Abschaffung des Luft-100ers ist aus dieser Perspektive enden wollend: „Das Aus des Tempolimits ermöglicht Autofahrern um 8,3 Sekunden pro Kilometer schneller ans Ziel zu kommen; für die betroffenen Anrainer führt die Abschaffung aber dauerhaft zu einer erhöhten Gesundheitsgefahr – ein unverantwortliches Vorgehen“, meint der Arzt. Die Beendigung von IG-L-100 sei jedenfalls aus „ärztlicher Sicht nicht nachvollziehbar“.
Grenzwerte der WHO in anderen Sphären
Zu den Grenzwerten hält Samonigg fest: „Die derzeit geltenden Grenzwerte sind für Stickstoffdioxid dreimal höher als von der WHO empfohlen und für Feinstaub sogar fünfmal höher.“ Von den politischen Verantwortungsträgern zeigt sich der Mediziner dementsprechend enttäuscht: „Dass der Gesundheitslandesrat sagt, er fühle sich für das Thema nicht zuständig, passt da nur ins Bild.“
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