Harald Schmidt in Graz

„Theater als Eskapismus ist völlig legitim“

Steiermark
03.10.2025 11:21

Theater, das mit einer Aussage daherkommt, ist für Late-Night-Legende Harald Schmidt „das Langweiligste“. In der Grazer Oper steht er in „Moskau Tscherjomuschki“ nun zweimal als Erzähler auf der Bühne. Die „Krone“ hat vorab mit ihm gesprochen – und bietet Ermäßigungen auf die Tickets! 

KRONE: Herr Schmidt, Sie kommen nach Graz, um an der Oper als Erzähler auf der Bühne zu stehen in „Moskau, Tscherjomuschki“. Der Titel ist ein Zungenbrecher ...

Harald Schmidt: ... ich muss auch immer mehrere Anläufe nehmen.

Wie kam es dazu?
Ich bin ja generell für solche Projekte sehr gut durch die äußeren Bedingungen zu locken und fand es einfach toll, mal wieder nach Graz zu kommen. Ich bin sehr interessiert, verschiedene Gegenden in Österreich kennenzulernen. Ich war vor zwei, drei Jahren schon mal in Graz im Literaturhaus, und es hat mir sehr gut gefallen. Graz hat für mich das Image einer sehr kunstliebenden, progressiven Stadt.

Wann hat bei Ihnen die Leidenschaft für das Musiktheater begonnen?
Schon bei meinem ersten Engagement am Theater in Augsburg vor 50 Jahren stand ich in „Anatevka“ auf der Bühne. Ich finde es immer toll, wenn man ein Gerüst der Musik hat, das vieles einfacher macht als im Schauspiel, wo ich das als Darsteller alles alleine stemmen muss. Und es macht mir Spaß – etwa im „Weißen Rössl“ an der Wiener Volksoper -, als Amateur und Musikfreund mit Sängern auf der Bühne zu stehen und in einer musikalischen Welt mithalten zu können.

Ein Teil des Ensembles für „Moskau, Tscherjomuschki“ in der Oper Graz
Ein Teil des Ensembles für „Moskau, Tscherjomuschki“ in der Oper Graz(Bild: Ingo Pertramer)

Wie gut kannten Sie „Moskau, Tscherjomuschki“, bevor Sie zugesagt haben?
Gar nicht. Als das Angebot von Intendant Ulrich Lenz kam, habe ich reingehört und war sofort angetan von der Musik. Mittlerweile kenne ich das Stück so gut, wie ich es kennen muss, um bei der Aufführung mitzuwirken.

Die Entstehung der Operette ist ja für sich schon eine Komödie: Schostakowitsch sollte eine Huldigung auf Chruschtschows Wohnbaupolitik schreiben und lieferte stattdessen eine bissige Auseinandersetzung mit dem Sowjet-Alltag. Hat auch das Sie interessiert?
Das hab ich alles erst erfahren, als ich zugesagt hatte. Ehrlich gesagt hätte ich auch zugesagt, wenn man gesagt hätte, wir bringen zwei Stunden lang Variationen von „Hänschen klein“.

Nun haben Sie sich mit dem Stoff beschäftigt: Was finden Sie daran am spannendsten?
Für mich steht die Musik im Vordergrund. Der Inhalt mit der Wohnungssituation und wie Schostakowitsch das für seine Parodie benutzt, ist zwar lustig, aber für mich eher ein Thema für einen Essay im Programmheft. Ich finde es völlig legitim, sich da einfach hineinzusetzen und sich zwei Stunden lang einen tollen musikalischen Abend zu machen.

Harald Schmidt
Harald Schmidt(Bild: Björn Klein)

Theater als Eskapismus?
Ich finde, Eskapismus ist absolut legitim. Und gutes Theater zeichnet sich für mich dadurch aus, dass es gutes Theater ist. Politische Aussagen sollten immer nur unterschwellig stattfinden, wenn überhaupt. Das Langweiligste für mich ist ein Theater, das mit einer Aussage daherkommt, weil das geht meistens schief. Theater muss die Leute emotional erreichen. Wenn ich höre, dass das Theater politisch Stellung beziehen will, werde ich stets misstrauisch.

Apropos Stellung beziehen: Ihre Late-Night-Zeiten sind vorbei, aber in den USA wird damit gerade große Politik gemacht. Wie sehen Sie das?
Ich habe das nur sehr am Rande beobachtet, das ist ein Thema für die Amerikaner. Da ich nicht in Amerika lebe, muss ich mich nicht damit befassen. Ich beschäftige mich mit Meinungsfreiheit im deutschen Kontext.

Und haben Sie das Gefühl, im deutschsprachigen Raum läuft alles noch gut?
Ich kann nur für mich sprechen, und für mich läuft es fantastisch. Ich hatte letzte Woche fünf Vorstellungen in unterschiedlichen Städten und sage immer das, was ich sagen will. Ich nutze die Meinungsfreiheit völlig aus und habe noch nie Schwierigkeiten gehabt. Ich persönlich kann mich nicht beklagen. Ich weiß nicht, wie es anderen geht.

Sie haben also nicht das Gefühl, dass Sie gewisse Dinge nicht mehr sagen dürfen?
Ganz so einfach ist es nicht. Aber man sollte generell immer darüber nachdenken, was man sagen will und wie man es sagen will – vor allem bei brenzligen Themen. Dann geht auch nix schief. Also wer nicht nachdenkt, der muss halt die Konsequenzen tragen. Oder um Karl Kraus zu zitieren: „Wenn der Zensor weiß, was ich mache, dann habe ich etwas falsch gemacht.“ Damit ist eigentlich alles gesagt.

„Moskau, Tscherjomuschki“ ist am 4. und 9. Oktober an der 
Grazer Oper zu sehen. Für Besitzer der „Krone“-BonusCard 
gibt es 15 % Ermäßigung auf die Tickets.

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