Hätte er noch bremsen können? Oder wenigstens ein Warnsignal abgeben? Ein Tiroler Lokführer (60) stand nach einer Tragödie auf den Geleisen der Zillertalbahn wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht. Ein Ehepaar (60 und 59 Jahre) war auf den Gleisen ums Leben gekommen.
Es dämmerte schon an diesem verhängnisvollen Abend des 11. Februar, als es gegen 17.50 Uhr zum Drama kam. Ein im Zillertal lebendes serbisches Paar wollte eine Eistruhe auf einem Bauhof entsorgen und schleppte sie deshalb über einen unbeschrankten Bahnübergang.
Sie haben erst neun Meter nach der Kollision gebremst. Dabei hätten sie die beiden schon aus 150 Metern Entfernung sehen müssen.
Die Staatsanwältin
Staatsanwältin: „Erst neun Meter nach der Kollision gebremst“
„Aus unerfindlichen Gründen gingen sie dann nochmals auf die Geleise, wurden vom Zug erfasst und getötet“, rekapitulierte die Staatsanwältin. Um dann ihre Vorwürfe gegenüber dem langjährigen und als äußerst pflichtbewusst geltenden Lokführer zu präzisieren: „Sie haben erst neun Meter nach der Kollision gebremst. Dabei hätten sie die beiden schon aus 150 Metern Entfernung sehen müssen.“
Dies könne nur auf mangelnde Aufmerksamkeit oder Ablenkung zurückzuführen sein. „Sie hätten jedenfalls ein Warnsignal abgeben müssen“, begründete sie den Vorwurf der fahrlässigen Tötung.
Es gab rund um diese Eistruhe keine Bewegung und schon gar nicht waren Personen in der Nähe zu sehen.
Der Lokführer
Eistruhe war für Lokführer kein Grund zu bremsen
„Ich habe zwar schon von weiter weg die Eskimo-Eistruhe gesehen. Doch da gab es rundherum keine Bewegung, schon gar keine Personen“, beteuerte der Angeklagte und sah sich schuldlos. Es komme immer wieder vor, dass sich Gegenstände neben den Schienen befinden – vom Einkaufswagen bis zum Plakatständer. Immer sofort bremsen könne man da nicht.
„Ich habe noch gehofft, es war nur ein Tier“
In der fatalen Situation des Unglücks habe er erst im letzten Moment, also direkt beim Bahnübergang, plötzlich „einen Schatten“ und dann die Kollision bemerkt. „Ich habe noch gehofft, es war nur ein Tier“, blickte er mit stockender Stimme zurück. Doch es war das Ehepaar, wie sich nach der Notbremsung entsetzlicherweise herausstellte. Beide waren vom 60 km/h schnellen Zug an der rechten Körperhälfte getroffen worden. Sie wurden weggeschleudert, waren sofort tot.
Kam Paar im letzten Moment aus Senke?
Der Lokführer betonte, dass die Personen noch nicht auf den Geleisen waren, als er sich der Eistruhe näherte. Sie müssten seiner Meinung nach im letzten Augenblick aus der uneinsehbaren Senke neben der Bahntrasse gekommen sein. Nur ein Andreaskreuz und eine Umlaufsperre (ein Metallgitter, das den geraden Weg versperrt) sichert den Übergang.
Eine Theorie: Bei der Eistruhe fehlte ein Rad bzw. es könnte beim Schieben weggebrochen sein. Vielleicht hatte das Paar danach gesucht und war dann (zu) schnell wieder über die Geleise geeilt? Verifizieren lässt sich dies alles freilich nicht mehr.
Der technische Gutachter zeigte auf, dass der Lokführer tatsächlich erst nach der Kollision gebremst hatte. Das Fazit des Experten lautete aber: „Wenn die Personen tatsächlich aus dieser Senke und nicht sichtbar waren, dann verlief der Vorfall wie vom Lokführer geschildert.“
Nach etwa drei Stunden vertagte die Richterin den Prozess. Der Fahrtenschreiber des Zuges soll genau unter die Lupe genommen werden. Unter anderem um zu eruieren, ob und welche Pfeifsignale bei dieser Fahrt abgegeben wurden.
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