„Wir machen Stadttheater, das ist unser Bekenntnis!“ Gemeinsam mit Chefdramaturgin Anna-Sophia Güther stellte Andrea Vilter, Intendantin des Grazer Schauspielhauses, die Spielzeit 2025/26 vor. Und verspricht eine ganze Reihe von spannenden Entdeckungen.
Andrea Vilter liebt Fußball-Vergleiche. Zum Status quo sagt sie: „Wir sind gut im Spiel, haben aber noch mehr als die Hälfte vor uns.“ Und so setzt sie ihre Linie auch in ihrer dritten Grazer Saison fort. 17 Premieren sind geplant, darunter viele Uraufführungen und deutschsprachige Erstaufführungen. Klassiker werden ebenso geboten wie zeitgenössische Autoren und auch wieder eine starke österreichische Note.
Der Stücke-Kanon wird weiter erweitert
Auch in der kommenden Spielzeit gibt es wieder Kanonerweiterungen, darunter die Eröffnungsproduktion (19. September) „Les Blancs“ von Lorraine Hansburry, der ersten schwarzen Frau, die es 1959 mit einem Stück an den Broadway schaffte. Heute ist sie fast vergessen.
Erzählt wird in „Les Blancs“ eine afrikanische Familiengeschichte und natürlich vom Kolonialismus. Die Frage, ob man so ein Stück hier überhaupt machen kann, hat uns lange beschäftigt“, erzählt Vilter. Mit Regisseurin MoMo Matsunyane und einer Reihe von schwarzen Darstellern sei das aber möglich.
Den Kanon erweitert man auch, indem man Marlen Haushofers „Wir töten Stella“ für die Bühne adaptiert (6. Februar 2026). Für die Intendantin ist die österreichische Autorin, von der man hauptsächlich den Roman „Die Wand“ kennt, immer noch extrem unterschätzt.
Dritter Nestroy im dritten Jahr
Treu bleibt Vilter auch Johann Nestroy, den sie in Graz für sich entdeckt hat. Dieses Mal versuchen Regisseurin Ruth Brauer-Kvam und Musikerin deeLinde in „Frühere Verhältnisse/Von nun an ging's bergab“ (20. März 2026) herauszufinden, was er uns heute noch zu sagen hat. Dafür forschen sie auch im Liederfundus von Hildegard Knef.
Was uns Shakespeares „Romeo und Julia“ (ab 11. 10.) heutzutage noch bedeutet, erkundet Emre Akal mit dem Künstlerduo Mehmet & Kazim in einer bildgewaltigen Metaerzählung. Das Team kennt man aus Jelineks „Sonne/Luft“.
Den 125. Geburtstag Ödön von Horváths feiert das Schauspielhaus mit „Der jüngste Tag“ (13. 12.), eine komische Panikattacke gibt es mit Texten von Karl Valentin, Liesl Karlstadt und anderen in der Produktion „Ich kenne keine Furcht, es sei denn, ich bekäme Angst“ (14. 11.).
In die Grazer Stadtgeschichte taucht man mit „Grand Hotel Steirerhof: Ein Abend für Verlierer*“ (16. 1. 2026) ein, „Das Orakel spricht“ (10. 4. 2026) nach einer Graphic Novel von Liv Strömquist und zum Saisonfinale „Kafana Beisl Culture Clash“ von und mit Sandy Lopičić (8.5. 2026) sind die drei Uraufführungen, die heuer auf der großen Bühne zu erleben sind.
Viele Kooperationen im Schauraum
Im kleineren Schauraum setzen Andrea Vilter und ihr Team auf Kooperationen: Solidarität mit der von Sparplänen getroffenen Freien Szene zeigt man mit „Belly oft the Best“ von einer jungen Truppe rund um Azlea Wriessnig. Inklusives Theater bietet „Leck mich am Arsch, Amore mio!“ unter der Leitung von Anja Wohlfahrt (die übrigens heuer das Ernst-M.-Binder-Stipendium erhält) und in Kooperation mit der Theaterakademie LebensGroß. Die Zusammenarbeit mit der KUG wird im Stück „Tender“ fortgesetzt, und auch mit dem Theater im Bahnhof macht man wieder gemeinsame Sache – in der Produktion „183 Abgeordnete. Die letzten Tage von Österreich“. Texte steuern die Abgeordneten zum Nationalrat bei.
„Minihorror“ von Barbi Marković erfährt im kleinen Haus ebenso Bühnenehren wie Annie Ernaux‘ „Erinnerung eines Mädchens“.
Theater von Morgen in der Konsole
In der Konsole gibt es auch 2025/26 wieder Theater von Morgen, wenn das dritte Digithalia-Festival virtuelle Theaterformen ausprobiert, beziehungsweise „Etwas Kommt Mir Bekannt Vor“ von Allex. Fassberg als multimediales Hörstück zelebriert wird.
Stolz ist man im Schauspielhaus übrigens nicht nur auf zahlreiche Auszeichnungen, wie die Einladung zum Heidelberger Stückemarkt mit Thomas Arzts „Chronik der laufenden Entgleisungen“, oder die Reihung von „Minna von Barnhelm“ unter die Top Ten des virtuellen nachtkritik-Theatertreffens, sondern auch auf die guten Bewertungen des Grazer Publikums. Und auf die Verjüngung, immerhin sind 20 Prozent der Besucher unter 27 Jahre alt.
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