Bei der Sondersitzung der UNO soll die Situation der Blauhelm-Mission UNDOF neu beurteilt und nach einem Ersatz für die österreichischen Truppen gesucht werden, sagte der britische UNO-Botschafter Mark Lyall Grant. Davor hatte eine Sprecherin der Vereinten Nationen gemeint, mit dem Abzug Österreichs verliere der Einsatz auf den Golanhöhen sein "Rückgrat".
Ban: Österreich "entscheidender Teil der Mission"
Ban äußerte am Donnerstagabend sein "Bedauern" über die Entscheidung Österreichs. Er sorge sich um die möglichen Konsequenzen des Rückzugs sowohl für den Friedenseinsatz als auch für die Stabilität in der Region, so der Sprecher des UNO-Generalsekretärs. "Österreich war offensichtlich ein entscheidender Teil der Mission. Der Rückzug wird ihre Handlungsfähigkeit beeinträchtigen."
Außenminister Michael Spindelegger habe Ban telefonisch über die Entscheidung informiert, so der Sprecher weiter. Über den zeitlichen Ablauf des Rückzugs und mögliche Ersatztruppen werde noch gesprochen. Bisher habe sich kein weiteres Land der Entscheidung Österreichs angeschlossen. In den vergangenen Monaten hatten allerdings bereits Japan und Kroatien ihre Soldaten abgezogen.
Auch Philippinen prüfen Abzug
Neben dem österreichischen Kontingent sind derzeit nur noch Abordnungen von den Philippinen und aus Indien am Golan. Nach den jüngsten Vorfällen überprüfen nun jedoch auch die Philippinen ihre Beteiligung an dem Einsatz. Bereits im Mai sei ein entsprechender Vorschlag des Außenministeriums eingebracht worden, über den Präsident Benigno Aquino noch nicht entschieden habe, hieß es am Freitag aus Manila. Das Ministerium teilte mit, die Empfehlung für den Abzug der etwa 340 Soldaten habe "weiterhin Bestand".
Auch das US-Außenministerium reagierte in der Nacht auf Freitag auf den Abzug Österreichs. "Wir haben die Österreicher darum gebeten, sich mit der UNO über das Timing ihres Abzuges abzustimmen, damit die UNO einen Ersatz für ihre Truppen finden kann", sagte Außenamtssprecherin Jen Psaki. Zur explosiven Lage im Grenzgebiet zwischen Israel und Syrien erklärte Psaki: "Wir appellieren weiterhin an alle Konfliktparteien, jede Handlung zu vermeiden, die den langstehenden Waffenstillstand zwischen Israel und Syrien gefährden könnte."
Israel zwischen Bedauern und Verärgerung
Aus Israel kam offiziell Bedauern. "Wir wissen den langjährigen Beitrag Österreichs und seine Verpflichtung zum Schutz des Friedens in Nahost zu schützen. Gleichzeitig bedauern wir diese Entscheidung und hoffen, dass sie nicht zu einer weiteren Eskalation in der Region führen wird", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem.
Ein hochrangiger Offizieller sagte nach Angaben der britischen Zeitung "Guardian" jedoch auch: "Der einzige Grund, warum man überhaupt jemanden dort haben will, ist wegen schwieriger Zeiten. Das erste Mal in 40 Jahren ist es nicht so einfach, und die Präsenz endet? Das sendet eine sehr problematische Botschaft an die israelische Öffentlichkeit."
Truppe "verschwindet beim ersten Anzeichen von Ärger"
Der Rückzug von der UNDOF zeige das Problem solcher Einsätze. "Das heißt, dass wir, wenn wir in Zukunft eine Lösung mit den Palästinensern finden, keine UNO-Friedenstruppen akzeptieren werden - weil sie beim ersten Anzeichen von Ärger verschwinden", so die nicht namentlich genannte Quelle.
Das offizielle Israel beschwerte sich am Donnerstag außerdem bei der UNO-Truppe über das Eindringen syrischer Panzer in die Sicherheitszone. Die Regierung ließ als Reaktion Panzer in die Nähe des demilitarisierten Golan verlegen.
EU: "Nationale Entscheidung muss respektiert werden"
Auch die EU zeigte sich am Donnerstag besorgt über die jüngsten Kämpfe an der israelisch-syrischen Waffenstillstandslinie. Den Österreichern ließ EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton über ihren Sprecher mitteilen: "Österreich muss für fast 40 Jahre Dienst auf den Golanhöhen gelobt werden. Die Entscheidung zum Abzug ist eine nationale Entscheidung, die respektiert werden muss."
Abzug trifft UNDOF laut Experten schwer
Nach Einschätzung von Experten wird die Weiterführung der UNO-Mission ohne österreichische Beteiligung nur schwer zu bewerkstelligen sein. Die UNO stehe nun vor der "fast unmöglichen Herausforderung", innerhalb eines Monats einen geeigneten Ersatz für das österreichische Kontingent zu finden, erklärte der Politikwissenschafter Thomas Schmidinger. Drei Monate wären seiner Ansicht nach realistisch.
Der Abzug der Österreicher treffe UNDOF schwer, erklärte auch Günther Greindl, ehemaliger UNO-Kommandant am Golan, im Gespräch mit dem Sender "Servus TV". "Österreich war de facto Kern der Mission." Bereits zuvor hatte Greindl vor einem Zusammenbruch des Einsatzes gewarnt.
"Nicht nachvollziehbar, nicht notwendig"
"Bedauerlich" und "nicht nachvollziehbar" nannte der frühere Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium, Erich Reiter, die Rückzugsentscheidung der Regierung. "Österreich verzichtet damit auf den einzigen maßgeblichen Beitrag, den es zur Mitwirkung am Weltfrieden leistet", so Reiter. "Das zeigt, wie hohl die österreichische Sicherheitspolitik ist - sobald es gefährlich wird, ziehen wir ab."
Aus militärisch-strategischer Sicht sei der Schritt "nicht notwendig" gewesen, meinte Reiter. Laut dem Sicherheitsexperten bedeute Österreichs Rückzieher wahrscheinlich auch das Ende der UNO-Mission. "Sollte ein anderes Land für uns einspringen, sind wir blamiert", so Reiter unverblümt.
Gefechte an Grenzposten bringen Fass zum Überlaufen
Seit 1974 überwachen Soldaten im Rahmen der UNDOF-Mission auf den Golanhöhen die Einhaltung des Waffenstillstandes zwischen Syrien und Israel. Mehr als 26.000 österreichische Soldaten waren bisher dort im Einsatz. Die Mission wurde allerdings angesichts des Bürgerkriegs in Syrien immer unberechenbarer. Gefechte und Granateneinschläge nahe der Kontrollposten sowie Entführungen von UNDOF-Soldaten standen zuletzt auf der Tagesordnung.
So war es am Donnerstagvormittag am syrischen Grenzposten Quneitra, dem Eingangstor zum Golan, zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Rebellen gekommen, die das Fass zum Überlaufen brachten: Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger verkündeten aufgrund der "unkontrollierten und unmittelbaren Gefährdung" schließlich am Nachmittag den Abzug der österreichischen Truppe (siehe Infobox).
Kämpfe dauern an
Wie zur Bestätigung der österreichischen Haltung dauerten die Kämpfe auf den Golanhöhen am Freitag an. Oppositionelle syrische Menschenrechtsbeobachter teilten mit, dass es in der Pufferzone heftige Gefechte unweit von Quneitra gegeben habe. Ob österreichische Soldaten von den Kampfhandlungen betroffen waren, ist noch unklar.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.