Steirer als Vorreiter

Wie Gewaltambulanzen mehr Täter überführen sollen

Steiermark
06.05.2024 15:37

An der Medizinischen Universität Graz wurde am Montag die neue und erweiterte Gewaltambulanz eröffnet, die als Vorbild für weitere Einrichtungen in ganz Österreich dienen soll. Alle Opfer von Gewalttaten können sich hier niederschwellig untersuchen und wertvolle Beweise sichern lassen. 

Elf Frauen wurden im letzten Jahr in der Steiermark ermordet, fast immer von ihren (Ex-)Partnern oder Familienangehörigen. 26 Femizide waren es in ganz Österreich. In den meisten Fällen gingen der Tötung schon gewalttätige Übergriffe voraus. „Laut einer Studie hat sich ein Großteil der Opfer aber nicht an die Behörden gewandt. Und genau hier setzen Gewaltambulanzen an“, erklärte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) am Montag bei der Eröffnung der neuen Gewaltambulanz an der Med Uni Graz. 

Großer Bahnhof bei der Eröffnung der neuen Gewaltambulanz an der Med Uni Graz: Landtagsabgeordnete Sandra Holasek, Soziallandesrätin Doris Kampus, Frauenministerin Susanne Raab, Institutsleiterin und Gerichtsmedizinerin Sarah Heinze, Justizministerin Alma Zadic und Med-Uni-Vizerektor Alexander Rosenkranz (v. li.) (Bild: Jauschowetz Christian)
Großer Bahnhof bei der Eröffnung der neuen Gewaltambulanz an der Med Uni Graz: Landtagsabgeordnete Sandra Holasek, Soziallandesrätin Doris Kampus, Frauenministerin Susanne Raab, Institutsleiterin und Gerichtsmedizinerin Sarah Heinze, Justizministerin Alma Zadic und Med-Uni-Vizerektor Alexander Rosenkranz (v. li.)

Diese klinisch-forensische Untersuchungsstelle, wie es im Fachjargon heißt, gibt es in Graz bereits seit 2008. 150 bis 160 Personen, vorwiegend Frauen, haben sich im letzten Jahr an die Gewaltambulanz gewandt. Nun wurde die Einrichtung erweitert und ist auf das Gelände der Med Uni übersiedelt. „Die Gewaltambulanz ist ein wichtiger Baustein in der Versorgung von Gewaltbetroffenen und steht allen kostenfrei und niederschwellig zur Verfügung“, sagt Sarah Heinze, Gerichtsmedizinerin und Leiterin des Instituts.

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Die Gewaltambulanz ist ein wichtiger Baustein in der Versorgung von Gewaltbetroffenen und steht allen kostenfrei und niederschwellig zur Verfügung.

(Bild: Jauschowetz Christian)

Sarah Heinze, Leiterin Gerichtsmedizin Med Uni Graz

Untersuchung von Kopf bis Fuß
Die Ambulanz steht für alle Menschen – auch Kinder – offen, die Opfer jeglicher Form von körperlicher oder sexueller Gewalt wurden, und bietet kostenlos und ohne E-Card gerichtsmedizinische Untersuchungen samt Beweissicherung und Dokumentation von Verletzungen. „Eine klinisch-forensische Untersuchung wird immer von Kopf bis Fuß von speziell geschulten Gerichtsmedizinern durchgeführt“, erklärt Leiterin Sarah Heinze. Zudem erhalten die Opfer weiterführende Beratung und Betreuung. Eine Anzeige bei der Polizei ist für einen Besuch in der Ambulanz nicht erforderlich, diese Entscheidung bleibt bei den Opfern. Oft scheuen diese aus Scham, Angst oder einem Gefühl der Machtlosigkeit davor zurück.

(Bild: Krone KREATIV)

Beweise werden für zehn Jahre aufbewahrt
Die in der Gewaltambulanz gesammelten Spuren – zum Beispiel gesicherte DNA oder dokumentierte Verletzungen – werden für zehn Jahre aufbewahrt, um sie im Falle einer späteren Anzeige noch verwenden zu können. Denn genau solche Beweise fehlen dann vor Gericht oft und führen dazu, dass Täter ungestraft davongekommen. „Die Verurteilungsquote ist in Österreich viel zu niedrig, wenn es um Gewalt an Frauen geht“, erklärt die Justizministerin. „Jede Frau und jedes Kind hat ein Recht auf ein gewaltfreies Leben. Und wir wollen, dass die Täter hart bestraft werden“, ergänzte Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). 

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Jede dritte Frau in Österreich erfährt im Laufe ihres Lebens psychische, physische oder sexuelle Gewalt. Wir müssen alles tun, um die Gewaltspirale rechtzeitig zu unterbrechen, ehe zu einem Femizid kommt.

(Bild: APA/HANS KLAUS TECHT)

Justizministerin Alma Zadić

 „Damit möglichst viele Frauen die Dienstleistungen der Gewaltambulanz in Anspruch nehmen können, planen wir auch eine telemedizinisch unterstützte Ambulanz am Standort Leoben einzurichten“, sagt Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ). Ein konkreter Start in Leoben ist noch nicht fixiert. 

Die seit 2008 bestehende Gewaltambulanz ist an die Med Uni Graz übersiedelt. (Bild: Jauschowetz Christian)
Die seit 2008 bestehende Gewaltambulanz ist an die Med Uni Graz übersiedelt.

Frage & Antwort

1.) Was leistet die Gewaltambulanz für Betroffene? 

Die Einrichtung bietet kostenlose gerichtsmedizinische Untersuchung für alle Opfer von körperlicher und sexueller Gewalt. Dabei werden Verletzungen dokumentiert und Beweise gesichtert, die für zehn Jahre aufbewahrt werden. Zudem werden Opfer beraten und bei Bedarf an weitere Stellen zugewiesen. 

2.) Wie komme ich zu einer Untersuchung in der Ambulanz? 

Nach vorheriger telefonischer Terminvereinbarung (0664/8438241). Die Ambulanz in der Neuen Stiftingtalstraße 6 (Med Uni Graz) ist dienstags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr geöffnet, am Wochenende durchgehend (Freitag 8 Uhr bis Montag 16 Uhr). Die Untersuchung kann je nach Fall auch an anderen Orten stattfinden.

3.) Muss die Polizei involviert sein bzw. ist eine Anzeige nötig? 

Nein. Untersuchungen finden verfahrensunabhängig statt und sind auch ohne Anzeige möglich. Wichtig ist es aber, so schnell wie möglich nach dem Vorfall vorstellig zu werden, um Beweise möglichst gut erhalten sichern zu können.

Die steirische Gewaltambulanz ist ein Pilotprojekt, nach dessen Vorbild schrittweise Einrichtungen in ganz Österreich entstehen sollen. Im Sommer soll die nächste Ambulanz in Wien starten.

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