Stresstests belegen:

AKWs rund um Österreich haben Nachrüstungsbedarf

Österreich
03.10.2012 16:11
Mehrere Atomkraftwerke rund um Österreich haben Nachrüstungsbedarf, was schwere Unfälle sowie den Schutz vor Naturkatastrophen betrifft. Zwar wurden als Reaktion auf die Fukushima-Katastrophe im Rahmen von Stresstests Unfallszenarien evaluiert und bereits Anlagen nachgerüstet. Es bestehe aber nach wie vor - teils großer - Aufholbedarf bei der Sicherheit, geht aus den Länderberichten der Europäischen Nuklearsicherheits-Regulatorengruppe hervor, auf denen die EU-Kommission ihre Empfehlungen aufbaut, die sie am Donnerstag präsentieren wird.

Die EU-Kommission hat die Empfehlungen für die Nachrüstung von Atomkraftwerken in Europa am Mittwoch verabschiedet. Laut einem Sprecher in Brüssel werde EU-Energiekommissar Günther Oettinger die "teils besorgniserregenden Ergebnisse" der Stresstests (siehe dazu Story in der Infobox) samt den Empfehlungen am Donnerstag der Öffentlichkeit vorstellen.

Im Folgenden eine Österreichs Nachbarländer betreffende Auswahl aus den Berichten der Nuklearsicherheits-Regulatorengruppe:

Das AKW Paks in Ungarn muss laut Regulatorengruppe (ENSREG) beim Unfallmanagement nachrüsten, vor allem was gleichzeitige Vorfälle in mehreren Bereichen der Anlage betrifft. Klar gefordert wird hier auch ein genauer Zeitrahmen für die Umsetzung, wobei die ungarische Atomenergiebehörde bereits um die Lizenz für einen derartigen Plan inklusive Zeitplan gebeten hat. Für schwere Unfälle muss ein Prozess für den Umgang mit flüssigem, radioaktivem Müll entworfen werden, zudem muss die Wasserzufuhr für den Pool mit gebrauchtem Treibstoff von einer externen Quelle aus möglich sein. Weiters muss die Backup-Kommandozentrale gegen Erdbeben, Strahlen und externe Temperaturen geschützt und mit derselben Kontroll- und Kommunikationsinfrastruktur ausgestattet werden wie die geschützte Kommandozentrale. Im Zuge einer Analyse der Langzeitfolgen eines schweren Unfalls zeigte sich, dass es auch ein Filtersystem brauche, um sicherzustellen, dass beim Ablassen von Druck keine Radioaktivität austritt.

Tschechien verfügt mit Dukovany und Temelin (Bild) über zwei AKW-Standorte. Die ENSREG ortet Verbesserungspotenzial etwa bei den Leitlinien im Umgang mit schweren Unfällen, beim Runterfahren des Reaktors oder beim Pool mit gebrauchtem Treibstoff. Bemerkenswert: In Temelin sind zwar ausreichend Feuerwehrfahrzeuge vorhanden, allerdings ist an den relevanten Systemen kein Wasseranschluss verfügbar. In Dukovany brauche es überhaupt zusätzliche Fahrzeuge. In Temelin ist zudem die Kühlung im Fall einer Kernschmelze weiterhin offen. An beiden Standorten müsse auch das Personal besser für schwere Unfälle geschult werden. Ebenfalls für beide Standorte wird der Einsatz des erwähnten Filtersystems vorgeschlagen - die derzeitigen Systeme seien nämlich nicht geeignet, schweren Unfällen standzuhalten. Abgesehen davon scheinen den Prüfern die Konzepte für extrem tiefe Temperaturen zu einfach, hier wird ebenfalls auf Verbesserung gepocht.

Der Stresstest-Bericht aus der Slowakei zeigt, dass in den Kraftwerken Bohunice und Mohovce die Vorkehrungen gegen extreme Wetterbedingungen bereits verbessert wurden. Um die Robustheit aber noch zu steigern, wird empfohlen, in den meteorologischen Studien für beide Standorte etwa auch den Blitzschlag zu berücksichtigen. Um Erdbeben standzuhalten, wurde die Robustheit der Gebäude bereits verbessert, weitere Sicherheitsmaßnahmen sollten aber auch hier ins Auge gefasst werden. In den Notfallplänen sollte auch der Zugang zur Anlage bei schwierigen Wetterbedingungen bedacht werden. Nachrüsten sollte die Slowakei bei ihren AKWs für den Fall, dass die externe Energieversorgung oder die primäre Kühlung ausfällt. Einige Verbesserungen seien als Reaktion auf den Vorfall in Fukushima bereits geplant, hieß es weiters. Empfohlen werden aber auch weitere Schritte, um etwa die Folgen eines defekten Reaktordruckbehälters zu limitieren.

Das AKW Krsko in Slowenien kann nach Angaben der ENSREG Erdbeben und Überflutungen standhalten, vorgeschlagen wird aber eine Erhöhung der Deiche. Im Bericht kritisiert wird allerdings das Fehlen von Filtern, die sicherstellen sollen, dass beim Ablassen von Druck in Druckwasserreaktoren keine Radioaktivität entweicht. Unter schwierigen Bedingungen wäre es außerdem Einsatzkräften nicht möglich, den Standort zu erreichen, denn die Brücke über den Fluss Save wäre im Fall eines starken Erdbebens eventuell nicht mehr zu nutzen. Gefordert wird weiters ein neuer Unfallkontrollraum.

Deutschland setzt laut ENSREG bei seinen Atomkraftwerken beim Unfallmanagement vor allem auf Prävention, gefolgt von mildernden Maßnahmen wie etwa Druckausgleichssystemen. Doch obwohl es Handbücher für den Umgang mit Unfällen gibt, wurden lediglich für eine einzige Anlage Leitlinien für das Unfallmanagement entwickelt. Der Bericht fordert, dass derartige Guidelines in allen AKWs verfügbar sind. Vor allem die Funktionsfähigkeit von Instrumenten, die bei schweren Unfällen wichtig sind, sollte systematisch für derartige Bedingungen evaluiert werden. Hier orten die Prüfer noch Verbesserungspotenzial. Deutschland hat beschlossen, dass die Lizenzen für die Energieproduktion in den drei jüngsten Anlagen 2022 auslaufen. Die anderen Meiler werden schrittweise von 2015 bis 2021 abgeschaltet. Die Lizenzen für die sieben ältesten AKWs liefen bereits aus.

Der Schweiz attestieren die Prüfer grundsätzlich robuste AKWs, die Einschätzungen extremer Wetterbedingungen sind der ENSREG allerdings zu wenig detailliert. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat habe hierzu aber bereits weitere Analysen angekündigt. Positiv heben die Prüfer die Maßnahmen für einen Ausfall der Elektrizität oder der Wärmeableitung hervor. Empfohlen wird aber, dass der Regulator weitere Studien zum Wasserstoffmanagement und dem Filtersystem in den Anlagen erwägt.

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