Gepanschter Alkohol
Vergiftungswelle in Tschechien breitet sich weiterhin aus
Kleinste Mengen der Chemikalie können zu einer Vergiftung bis zum Tod führen. Die Regierung verhängte ein generelles Verbot des Straßenverkaufs von hochprozentigem Alkohol. Wenn sich die Lage nicht bessere, könne der Ausschank flächendeckend verboten werden, hieß es in Prag. Die Behörden suchten weiter nach der Quelle des Gift-Alkohols. Die Feuerwehr fand in Stichproben bei mehr als der Hälfte erhöhte Methanol-Werte.
Hilfe kam auch aus dem Ausland: Ein norwegischer Toxikologe sollte Ärzte bei der Behandlung der Vergiftungspatienten beraten. Viele der Opfer sind nicht bei Bewusstsein oder klagen über einen Verlust der Sehkraft. Der Experte hat nach Angaben des Gesundheitsministeriums Medikamente dabei, die es in Tschechien nicht gibt, weil sie zu teuer sind.
Reines Ethanol als Gegengift
Mehrere Menschen schweben weiter in Lebensgefahr oder drohen zu erblinden. Als Gegengift geben die Ärzte Dutzenden Patienten in Tschechien reines Ethanol. Es soll den Stoffwechsel im Körper blockieren und die gefährliche Umwandlung des Methanols zu ätzender Ameisensäure verhindern. Viele Opfer des Pansch-Skandals halten Schwindel, Kopfschmerzen, Sehstörungen und Übelkeit noch für Zeichen eines gewöhnlichen Katers. Sie kommen zu spät in die Klinik, erblinden oder sterben an Atemlähmung.
Der Schwarzmarkt mit Hochprozentigem brummt in Tschechien, warnen Experten seit Langem. Am Kiosk, an mobilen Verkaufsständen, auf Asienmärkten und in Tausenden 24-Stunden-Läden ist der Billig-Fusel zu haben. Etwa ein Fünftel allen Alkohols wird unter dem Ladentisch verkauft, wie der Prager Biotechnologie-Professor Karel Melzoch sagte. In den verarmten Industrie-Regionen im Nordosten Tschechiens dürfte es die Hälfte sein.
Fusel wird wie im Labor gemischt
Das Schockierende: Der Schwarzmarkt-Fusel wird nicht mehr gebrannt, sondern wie im Chemielabor gemischt. Nun müsse es bei der illegalen Produktion zu einem fatalen Fehler gekommen sein, sagte Melzoch: "Jemand hat ein Fass vertauscht." Statt Trinkalkohols landete das gefährliche Methanol im selbstgemischten Pseudo-Wodka. Nur so sei die enorme Gift-Dosis in den Getränken überhaupt zu erklären. Bei einem Patienten wurden nach Angaben von Ärzten im Blut sieben Promille reinen Methanols gemessen.
Der Pansch-Skandal könnte weit größere Ausmaße haben als bekannt. Experten sprachen mittlerweile von der schlimmsten Vergiftungsserie seit mehr als 30 Jahren. "Wenn man früher auf der Straße einen Toten mit einer Alkoholfahne gefunden hat, dann wurde nicht lange nachgeforscht, ob er zu viel Methanol im Blut hatte", sagte Melzoch. Die Menschen seien nun durch die zahlreichen Medienberichte stärker sensibilisiert. "Wenn jemand Sehstörungen bekommt, dann hält er es nicht mehr für einen Kater und geht ins Krankenhaus." Der Zustrom an Verdachtsfällen komme inzwischen einer Lawine gleich, erläuterte ein Chefarzt aus Ostrava.
Tschechien bei Alkoholkonsum weltweit auf Platz zwei
Tschechien liegt weltweit im Alkoholkonsum auf dem zweiten Platz hinter der Ex-Sowjetrepublik Moldau, wie aus einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation hervorgeht. Hinter der Gift-Pfuscherei könnte daher pure Gewinn-Sucht stehen. Reiner Alkohol kostet in Tschechien einschließlich Branntweinsteuer umgerechnet 12,50 Euro pro Liter. Methanol ist mit einem Einkaufspreis von 24 bis 40 Cent deutlich billiger. Mit der Chemikalie könnten Spirituosen nach Meinung von Experten gestreckt worden sein. Seit 1999 hat sich der Import von Methanol jedenfalls verdreifacht.
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