Album „Golden Days“

Bernhard Eder: Indie-Wärme in der realen Dystopie

Musik
26.01.2024 09:00

Auf seinem neuen Album „Golden Days“ kümmert sich Bernhard Eder in seiner klassisch kantigen Indie-Pop-Manier um die vielen Schmerzpunkte der Welt, ohne dabei selbst in die Hoffnungslosigkeit zu rutschen. Es ist der musikalische Versuch, einer ausweglosen Situation mit naiver Ernsthaftigkeit zu begegnen.

(Bild: kmm)

Kunst und Kultur brauchen ein Gewissen. Vielleicht nicht zwingend, aber es kann nicht schaden. In Zeiten, wo gefühlt im Zweimonatstakt neue Kriege die Welt erschüttern, die Wirtschaft zum Zerreißen gespannt ist, Grenzen wieder hochgefahren und zugemauert werden, der Planet sich erhitzt und bald erste Metropolen überschwemmt werden und dazu auch noch polternde Despoten an den Hebeln der Macht sitzen, muss man sich tief in den persönlichen Mikrokosmos begeben, um noch Unbefangenheit und Freude zu verspüren. Bernhard Eder, etablierter Indie-Rock’n’Roller mit ausreichend Lebenserfahrung und gesellschaftskritischer Realitätserfassung, war noch nie jemand, der seine Augen vor den unumgänglichen Negativismen des Seins verschlossen hat.

Längeres Projekt
Noch weniger ist Eder aber jemand, der sich vom schleichenden Untergang die Haltung diktieren lässt. Mag die Welt um uns herum auch zusammenbrechen, mit herzerwärmender Musik und den richtigen Parametern im Leben lässt sich die Apokalypse viel besser ertragen. Sein brandneues Album nennt der juvenile Mittvierziger „Golden Days“ und lässt bewusst schon im Titel eine gewisse Sehnsuchtsironie nach einer tatsächlich schöneren Welt durchbrechen. Rund fünf Jahre lang hat er am Werk geschraubt. Ideen verfeinert und neu gesponnen, verworfen und wieder aufgenommen. Als die Songwriting-Sessions für „Golden Days“ begannen, schrieb er parallel an „Resets“, das dann vorher erschien. 2021 grätschte noch das drängende Pandemie-Album „Subterranean Echoes“ und in der Zwischenzeit hatten diverse Songkonstrukte ihre Identität verloren.

Den Song „Alone Along“ hat Eder dreimal neugeschrieben, die Klangstrukturen von „The Unbeauty Regime“ erfuhren diverse Adaptierungen. Bis die Zahnräder ineinandergriffen und er endlich das Gefühl hatte, aus den vielen Ideen und Schemen ein abendfüllendes Album formen zu können, verging eben eine halbe Dekade. Musikalisch ist „Golden Days“ eine bunte, zumeist aber tief melancholische Reise durch den sich stets im Wandel befindlichen Lebenskosmos des Interpreten. Eder wäre nicht Eder, würde er bei all seinen Projekten nicht immer wieder zu den ewigen Säulenheiligen Beatles zurückkommen. So wurde ein großer Teil der Songs im Studio 2 im Radiokulturhaus Wien aufgenommen. Nicht nur zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten und Produzenten Max Perner, sondern auch mit einer kundigen Band rund um Marlene Lacherstorfer, Julian Schneeberger und Ryan T. Carpenter. Alle zusammen in einem Raum. Wie bei John, Paul, George und Ringo.

Gut versteckter Optimismus
In dieser einenden Hemisphäre standen die fragilen Kompositionen bereits fest. „The golden days they have been gone / the golden days they have been sung“ heißt es im Titeltrack, der zunehmend an Tempo gewinnt und sich windet und dreht. Eder propagiert aufzustehen, sich nicht hängenzulassen und nicht damit aufzugeben, einen Unterschied auf dieser Welt auszumachen. Es ist einer der wenigen wirklich optimistischen Momente dieses düsteren Albums. Tracks wie „Touropa“ oder „In Greece“ handeln freilich nicht von Tourismus oder einer gemütlichen Backpacker-Reise durch den schönen alten Kontinent. Das mitreißende „Glorious Land“ ist ein ziemlich konkret gehaltener Song, der sich um die migrantischen Pushbacks in Ländern wie Ungarn oder Kroatien dreht. Das in Beatles-Manier vorgetragene „The Unbeauty Regime“ kritisiert die Diktatoren, Fake-News-Medien und Weltenzerstörer erst mit träumerischen Soundkaskaden samt Chor-Einlage, verwandelt sich zum Schluss hin aber zu einem dunklen Indie-Anti-Rechtsruck-Walzer, der mit zirkusartigen Klängen die Absurdität der aktuellen Weltpolitik karikiert.

Allgemein sind Eders Texte stark von den Begebenheiten der letzten Jahre beeinflusst. Pandemie, Isolation, Rechtsruck, die ständig präsente Flüchtlingsthematik oder auch klimatische Veränderungen verknüpft er mal in zarte Falsett-Stimmenteile, dann wieder in ausbrechende Gitarrenkaskaden. Gleich die Hälfte der Songs geht über die Fünf-Minuten-Marke über die Ziellinie. Eder lässt sich Zeit beim Aufbau und ruiniert das Konzept nicht, indem er allzu stark nach raschen Effekten oder immanenten Refrains sucht. „Golden Days“ ist thematisch durchaus zeitgemäß, klanglich aber bewusst altbacken gehalten, ohne alt zu riechen. Das bedeutet: Eder bemächtigt sich der geruhsamen Stärken seiner alten Helden und zeigt beim Songwriting Geduld, kleidet dieses Retro-Feeling aber in ein durchaus zeitgemäßes Klanggewand. „Golden Days“ ist ein Album, das man sich stellenweise durchaus erarbeiten und erhören muss. Wie aber bei fast allen Werken dieser Couleur ist das Ergebnis am Ende umso lohnender.

Große Österreich-Tour
Mit „Golden Days“ geht Bernhard Eder auch auf ausgedehnte Tour und hat so einige Termine bereits fixiert. Die offizielle Album-Releaseshow findet am 5. Februar im TAG Wien statt. Am 22. Februar spielt er in der ARGE Salzburg, am 23. Februar im Wörgler Komma, am 24. Februar in der Bäckerei in Innsbruck, am 16. und 17. März im Mülikoasahof in Haag am Hausruck, am 18. April im Grazer Café Wolf, am 19. April in der Hafenstadt Klagenfurt und am 10. Mai im TraK BASE in Grieskirchen. Unter www.bernhardeder.net finden Sie alle Termine aufgelistet und alle weiteren Informationen zu den Gigs.

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