Nach dem Rücktritt von Wirtschaftskammer-Chef Christoph Walser hat Tirol mit Barbara Thaler die erste Präsidentin. Die „Krone“ bat sie zu Tisch und erkundigte sich über ihre Ziele und ihre Zeit in Brüssel und die weitere Vorgehensweise.
Wegen eines Ermittlungsverfahrens aufgrund Delikten nach dem Finanzstrafgesetz trat Christoph Walser – wie berichtet – im November als Präsident der Wirtschaftskammer Tirol zurück. Quasi über Nacht wurde die Vizepräsidentin und EU-Parlamentarierin Barbara Thaler zur ersten Chefin ernannt. Wie sie ihr Amt angehen wird und wie sie die Herausforderungen der Betriebe lösen möchte, verrät sie im Interview mit der „Krone“.
„Krone“: Von der Vizepräsidentin innerhalb weniger Stunden zur Präsidentin der Wirtschaftskammer Tirol. Stand dieses Ziel auf Ihrer Liste?
Barbara Thaler: Ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, dass man schon Pläne machen kann, aber dass es dann doch anders kommt, als man denkt. Ich war gerade dabei, alles für die kommende Europa-Wahl vorzubereiten. Das war der nächste halbwegs planbare Schritt. Dann kam die Notwendigkeit, einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin zu finden. Insofern ist das Leben genau das, was passiert, während man Pläne macht. Es war für uns alle überraschend.
In der europäischen Verkehrspolitik hätte ich aber gerne mehr bewegt, weil das mein Hauptausschuss war. Jetzt verlagert es sich in die Wirtschaftspolitik.
WK-Präsidentin Barbara Thaler
Werden Sie das EU-Parlament vermissen?
Ja, das werde ich schon vermissen. Alles andere wäre auch komisch. Ich habe wahnsinnig gerne dort gearbeitet und verhandelt. Genau so gerne habe ich aber auch immer meine Funktionen in der Wirtschaftskammer ausgeübt. Ein bisschen vermissen werde ich das Parlament zwar schon, aber ich freue mich auch umso mehr auf die neue Aufgabe.
Wachstum, Fachkräfte und Inflation größte Baustellen
Noch ein Resümee: Wo haben Sie im EU-Parlament etwas für Tirol bewegen können und wo hätten Sie gerne noch etwas mehr bewegt?
Was den Wahlkreis Tirol betrifft, haben wir es in den vergangenen Jahren geschafft, die Mehrheiten beim Thema „Große Beutegreifer“ zu drehen. Auch im Bereich Verkehr und Binnenmarkt konnte einiges verbessert werden. Es gab einige Punkte, die wir nach Hause vermelden konnten. In der europäischen Verkehrspolitik hätte ich aber gerne mehr bewegt, weil das mein Hauptausschuss war. Jetzt verlagert es sich in die Wirtschaftspolitik. Aber da ist die Verkehrspolitik ja ein Teil davon. Ich möchte die Kontakte und Netzwerke auch weiterhin halten und im Sinne der Tiroler Unternehmen ausbauen.
Der Wirtschaftsstandort Tirol steht vor mehreren Herausforderungen. Das prognostizierte Wachstum für 2024 ist recht klein, die Betriebe leiden unter der relativ hohen Inflation und der Arbeitskräftemangel ist ein Dauerthema. Wie helfen Sie den Betrieben dabei?
Ja, das sind im kommenden Jahr die größten Herausforderungen. Wenn es um das Thema Wirtschaftswachstum bzw. Wirtschaftskraft generell geht, kann man mit einem Blick auf Österreich sagen, dass der Konsum stabil ist. Das hat auch mit einem starken Tourismus zu tun. Ich bin deswegen auch froh, dass wir in Tirol eine derart diversifizierte Wirtschaft haben. Das hat uns durch die vergangenen Krisen gut durchgeholfen. Der Staat hat in den vergangenen Jahren auch viel getan, um das Geld im Börserl der Menschen zu erhöhen. Auch das hat dafür gesorgt, dass der Konsum stabil ist. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist der Export. Hier müssen wir auf unseren deutschen Nachbarn schauen. Dort ist die Aussicht für das Wachstum 2024 bei Weitem nicht gut. Deswegen kommt auch eine Herausforderung auf Tirol zu, weil Deutschland unser wichtigster Handelspartner ist. Für uns als Wirtschaftskammer heißt das, dass wir noch mehr Angebote und Unterstützungsleistungen schnüren müssen, was neue Märkte betrifft. Darauf werden wir einen starken Fokus legen. Mit der Außenwirtschaft haben wir jetzt schon ein sehr gutes Netzwerk. Es gibt mehr als 100 Außenwirtschaftscenter, an die sich die Betriebe wenden können. Das müssen wir jetzt noch mehr intensivieren. Und beim Arbeitskräftemangel verfolgen wir zwei Ansätze. Einerseits weisen wir die Politik weiter darauf hin, dass die Rot-Weiß-Rot-Karte besser werden muss. Hier möchte ich als Vermittlerin zwischen realer Politik und Wirtschaft auftreten. Die zweite Schiene ist die Automatisierung und Digitalisierung. Hier kann man als Betrieb wahnsinnig viel machen, um die bestehenden Mitarbeiter zu entlasten. Die eine Schwarz-Weiß-Lösung für den Arbeitskräftemangel gibt es nicht. Deshalb müssen es viele kleine Bausteine sein. Einer ist die qualifizierte Zuwanderung, der andere die Digitalisierung und Automatisierung. Und dann gibt es natürlich noch viele weitere mehr. Wir wollen hier unsere Angebote weiterhin ausbauen.
Die WK-Wahl 2025 ist das nächste große Ziel.
WK-Präsidentin Barbara Thaler
„Es ist unvorstellbar, darüber jetzt zu reden“
Ihr Vorgänger wurde auch immer wieder als mögliche Option für den Landeshauptmann-Sessel gehandelt. Steht das Ziel, erste Landeshauptfrau von Tirol zu werden, auch auf Ihrer Liste?
Ich habe vor wenigen Wochen mit einem tollen Team den Schritt gemacht, die Wirtschaftskammer Tirol zu leiten. Das ist der Fokus. Alles andere ist dermaßen weit in der Zukunft, dass es unvorstellbar ist, darüber jetzt zu reden. Außerdem haben wir mit Anton Mattle einen wahnsinnig tollen Landeshauptmann, der das hoffentlich noch lange macht.
Barbara Thaler wuchs in Thiersee auf. Im Jahr 2019 kandidierte sie für die Tiroler ÖVP bei der Europa-Wahl. Die 41-Jährige schaffte den Einzug und ist seit dem 2. Juli 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments. Am 9. Juli 2022 wurde sie zur Stellvertreterin von Landesparteiobmann Anton Mattle gewählt. Nach dem Rücktritt von Christoph Walser wurde sie zur ersten Präsidentin der Wirtschaftskammer Tirol.
Sie werden also bei den nächsten WK-Wahlen wieder antreten?
Ja. Die WK-Wahl 2025 ist das nächste große Ziel.
„Walsers Rücktritt war persönliche Entscheidung“
Einige Parteien haben von LH Anton Mattle und von Ihnen die Aufarbeitung der Causa Christoph Walser gefordert. Wird in dieser Hinsicht von Seiten der Wirtschaftskammer etwas aufgearbeitet?
Der Rücktritt war eine persönliche Entscheidung von Christoph Walser. Er hat auch kundgetan, warum er diesen Schritt gemacht hat. Und genau das war es auch: Eine Privatangelegenheit von ihm. Da gehört das auch hin. Seine Entscheidung ringt mir immer noch großen Respekt ab.
Wer mich kennt, weiß, dass mein Stil sehr verbindend ist. Ich werde die Aufgabe sehr teamorientiert angehen.
WK-Präsidentin Barbara Thaler
Wann haben Sie eigentlich davon erfahren?
Mir ist es so gegangen, wie den meisten anderen: Christoph Walser sagte, dass er diesen Schritt setzen müsse. Dann musste die wahlwerbende Gruppe für eine Nachfolge sorgen. Das haben wir relativ rasch über die Bühne gebracht.
Wie lautet das Motto der ersten WK-Präsidentin Tirols?
Ein richtiges Motto habe ich nicht. Wer mich kennt, weiß, dass mein Stil sehr verbindend ist. Ich werde die Aufgabe sehr teamorientiert angehen. Aus der Teamorientierung und der Vermittlerrolle, auf die ich auch sehr viel Wert lege, müssen wir uns noch einen Hashtag überlegen. Dann haben wir ein Motto.
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