Talk mit Newcomerin

Lxandra: Eine Reise durch die Untiefen des Lebens

Musik
02.12.2023 09:00

Vom kühlen Finnland aus versucht Lxandra mit anspruchsvollem Pop und gehaltvollen Texten eine neue Note in die artifizielle Genre-Landschaft zu bringen. Ihre neue EP „Might Not Wanna Wake Up“ wird von einem Kurzfilm begleitet und steht für den Wandel, der die 27-Jährige gerade nachhaltig verändert. Im „Krone“-Interview erinnert sie sich an die ländliche Heimat zurück und erklärt, wie ihr harte Metal-Riffs zu mehr Selbstvertrauen verhalfen.

(Bild: kmm)

Kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie gab die junge Finnin Lxandra im Zuge des „JaJaJa-Festivals“ im Wiener WUK ihre Österreich-Premiere. Sie begeisterte mit artifiziellem Pop, getragen von einer einzigartig markanten Stimme und einem untrüglichen Gespür für gar nicht einmal so versteckten Soul in ihren Songs. Dem ein Jahr später veröffentlichten Debütalbum „Careful What I Dream Of“ ging ein elendslanges Hickhack mit dem Majorlabel Vertigo/Univelrsal voraus, zudem kämpfte Alexandra Lehti, so ihr richtiger Name, gegen Depressionen und psychische Probleme an. Dass ihr Erstwerk aufgrund mangelnder Werbemaßnahmen und der immer noch grassierenden Pandemie 2021 unterging, ist eine der vielen traurigen Randnotizen des überfüllten Musikgeschäfts. Pop mit Seele, Persönlichkeit und Anspruch liegt skandinavischen Künstlern oft per se im Blut. Lxandra ist ein weiteres gutes Beispiel dafür.

Konzeptionelle Reise ins selbst
„Songwriting ist für mich die beste Therapie“, erzählt sie uns im „Krone“-Interview, „man geht noch einmal durch den gesamten Prozess, verwandelt ihn aber in Worte und Melodien, bevor man ihn endgültig loslässt. Ich bin aus Finnland und liebe Dunkelheit, aber auch die hat ihre Grenzen. Die Hoffnung muss in meinen Songs immer herausstechen. Am Ende muss das Positive überwiegen.“ Vor wenigen Tagen veröffentlichte Lxandra ihre brandneue EP „Might Not Wanna Wake Up“ und ging in den sechs Songs so tief in sich selbst, wie nie zuvor. Die einzelnen Lieder stellen eine konzeptionelle Reise durch die Selbstfindung dar und spiegeln den Veränderungsprozess der Künstlerin wider. Endlich auf sich selbst hören, toxische Beziehungen und unfruchtbare Arbeitsgemeinschaften kappen und wenn es sein muss, auch einmal innen und außen den eigenen Typ umkrempeln.

Der Weg in die Musik war der heute 27-Jährigen durch ihren Vater vorgegeben, der als Bassist und Musikproduzent arbeitet. Erste Berührungspunkte machte klein Alexandra aber nicht mit Popsongs oder ihrem großen Idol Lana Del Rey, sondern mit harten Klängen. Der große Bruder spielt Gitarre in Heavy-Metal-Bands. Nachdem zuerst Vaters Platten (Joni Mitchell, Prince, Aretha Franklin) liefen, war sie plötzlich mit den harten Riffs konfrontiert. „Manchmal habe ich sowieso das Gefühl, in Finnland hört jeder Heavy Metal“, lacht sie, „bei uns sind auch die wildesten Bands in den Mainstream-Charts. Das gibt es sonst nirgends in der Ausprägung. Diese Art von Aggression, die diese Acts mir vermittelten, war aber wichtig für mein Selbstvertrauen und das Erkennen der eigenen Stärken. Sie hat mich zu meiner Musik geführt, auch wenn das von außen wahrscheinlich nur schwer nachvollziehbar ist.“

In einer eigenen Welt
Lxandra war eine von nur rund 850 Einwohnern auf der direkt neben Helsinki gelegenen Insel Suomenlinna, die pro Jahr von knapp einer Million Touristen besucht wird und vielen als „Gibraltar des Nordens“ gilt. Zur Schule pendelte sie täglich per Boot, was kurioserweise auch zur Folge hatte, dass sie das Bootfahren erlernte, nicht aber das Autofahren. „Ich lebte als Kind in einer sehr ruhigen und freien Umgebung. Wenn man als Außenstehender nach Suomenlinna kommt, betritt man eine eigene Welt. Es gibt ein paar nette Cafés und einen Lebensmittelladen, ansonsten passiert hier nicht sonderlich viel. Es ist dort aber sehr nett und märchenhaft.“ Ganz nach der ihr angeborenen Goldgräbermentalität wollte Lxandra ursprünglich für ein paar Monate nach Australien auswandern, landete schlussendlich aber in Berlin. „Eines hat das andere ergeben, es war nichts wirklich geplant. Ich bin aber ohnehin kein großer Fan von Grenzen. In erster Linie sehe ich mich als Mensch auf diesem Planeten, in zweiter als Europäerin.“

Mit Songs wie „Flicker“, „Swimming Pools“ oder „Dig Deep“ machte sich Lxandra in den späten 2010er-Jahren schnell einen Namen. Es geht um Selbstzufriedenheit, Gemeinschaft und Persönliches. Letzterer Song wurde einst unter dem Eindruck der #metoo-Welle verfasst. „Wir schlagen zurück und werden uns wehren. Auch wenn der Prozess der Gleichstellung noch Jahre dauern sollte, werden wir nicht eher ruhen, bis endlich Fairness herrscht. Ich will aber nicht zu sehr kritisieren, sondern eher ermutigen, um anderen damit Stärke zu verleihen.“ Erst mit den neuesten Songs ging Lxandra notwendigerweise stärker vom Allgemeinen ins Persönliche und Innere. Sich selbst so zentriert nach außen zu tragen, fiel Lxandra lang schwer, weil sie ursprünglich in die Schauspielerei wollte. „Ich bin immer in dem Glauben aufgewachsen, dass ich auf der Bühne einen Charakter spiele. Das geht in der Musik nicht und deshalb bin ich auch oft so nervös.“

Intensiv und unterbewusst
Die EP hat sie teilweise in der ländlichen Einsamkeit Finnlands geschrieben. Der eine oder andere Song entstand auch noch unter dem tristen Eindruck der Corona-Lockdowns. Sich in der Musik immer weiter zu öffnen, ist Übungssache. „Manchmal ist es beängstigend, Lieder auf diese Art und Weise zu schreiben, aber ich öffne mich nie zu 100 Prozent. Ich rezitiere nicht meine Autobiografie, sondern versuche Emotionen und Gefühle zu vermitteln. Es gibt ein Paar aus Süddeutschland, das bei seiner Hochzeit meine Songs spielte und einst extra zu einem Gig von mir nach Finnland kam. So etwas ist einfach unglaublich. Wenn Songs die Menschen auf einer intensiven, unterbewussten Ebene berühren, ist das durch nichts zu übertreffen.“ So sehr sich Lxandra in ihrer Musik öffnet, privat bleibt sie lieber zurückgezogen. „Ich trenne die Person dahinter stark von der Künstlerin ab. Das gibt mir eine gewisse Form der Sicherheit und ich habe dadurch mehr Rückzugsmöglichkeiten.“

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